Abschiebungsverbot für psychisch schwer erkrankte Person aus der Türkei:
Zwar sind psychische Erkrankungen in der Türkei grundsätzlich behandelbar, aber einer Person, die weder für sich selbst sorgen und eine Behandlung sicherstellen, noch hierzu auf die Unterstützung von Verwandten oder anderen nahestehenden Personen zurückgreifen kann, droht bei Rückkehr in die Türkei eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung, sodass gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ein Abschiebungsverbot festzustellen ist.
(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG München, Urteil vom 30.03.2022 - M 28 K 17.46212 - asyl.net: M31389)
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Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG. [...]
Psychische Erkrankungen sind in der Türkei zwar grundsätzlich behandelbar [...]. Nach Auffassung des Gerichts würde dem Kläger zum jetzigen Zeitpunkt dennoch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung bei einer Rückkehr in die Türkei drohen. Denn er kann weder für sich selbst sorgen und eine Behandlung sicherstellen, noch kann er hierzu auf die Unterstützung von Verwandten oder anderen nahestehenden Personen zurückgreifen. Zu dieser Einschätzung gelangt das Gericht in erster Linie aufgrund des einprägsamen Eindrucks von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung. Hiernach ist der Kläger auf umfassende Betreuung angewiesen, insbesondere bei der Behandlung seiner psychischen Erkrankung, aber auch bei einfachen Tätigkeiten im Alltag. Er ist nicht in der Lage, seine Medikamente, auf die er angewiesen ist, selbstständig regelmäßig einzunehmen. Daher steht er insoweit auch unter häuslicher Pflege [...]. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei nicht selbstständig um eine Behandlung bemühen könnte. Trotz derzeit eingestellter Medikation wirkte der Kläger in der mündlichen Verhandlung zeitweise abwesend und hatte Schwierigkeiten, zu folgen. Kontakte zu möglicherweise noch in der Türkei lebenden Verwandten besteht nach der glaubhaften Darstellung des Klägers nicht. Er konnte dem Gericht mangels vorhandener Erinnerung nicht einmal mitteilen, welche Verwandte möglicherweise noch in der Türkei leben. Daher droht dem Kläger bei einer Rückkehr letztlich aufgrund einer zu erwartenden, zügigen Verschlechterung seiner psychischen Gesundheit letztlich eine existenzbedrohende Verwahrlosung und Obdachlosigkeit. [...]