Asylantrag "zur Abwendung einer drohenden Aufenthaltsbeendigung" setzt Vorbereitung der Abschiebung voraus:
1. Der Asylantrag war nicht als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil er nicht gestellt wurde, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden. Der Begriff der "drohenden Aufenthaltsbeendigung" ist europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine Entscheidung, die zur Abschiebung führen würde, bereits getroffen wurde oder unmittelbar bevorsteht.
2. Eine "drohende Aufenthaltsbeendigung" liegt nicht schon dann vor, wenn eine Abschiebung objektiv droht, sondern erfordert, dass die Ausländerbehörde die Abschiebung bereits vorbereitet.
(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Freiburg, Beschluss vom 06.02.2019 - A 14 K 221/19 - asyl.net: M27133)
[...]
Abweichend von der Entscheidung im Eilverfahren (1 B 178/22, Beschluss vom 31.08.2022 und Beschluss über die Anhörungsrüge vom 28.09.2023) geht die Einzelrichterin nunmehr davon aus, dass Entscheidung der Beklagten, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und den internationalen Schutzstatus jeweils als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG zu behandeln, rechtswidrig ist.
[...] Nach § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Antragsteller den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen. Der Tatbestand entspricht dem von Art. 31 Abs. 8 Buchst. g i.V.m. Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrens-Richtlinie [...]. Art. 31 Abs. 8 Buchst. g Asylverfahrens-RL fordert, dass der Antragsteller "nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung stellt, die zu seiner Abschiebung führen würde" (vgl. nunmehr § 30 Abs. 1 Nr. 6 AsylG in der Fassung des Gesetzes vom 21.02.2024, BGBl. 2024 I Nr. 54). Damit ist der Begriff der "drohenden Aufenthaltsbeendigung" europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine bereits getroffene oder unmittelbar bevorstehende Entscheidung vorliegen muss, die zur Abschiebung des Antragstellers führen würde (vgl. Bruns, a.a.O., Rn. 32). Dass objektiv die Abschiebung drohte (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), genügt demgegenüber nicht.
Nach dieser Maßgabe drohte der Klägerin zum Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht die Aufenthaltsbeendigung i.S.d. § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG. Die Ausländerbehörde hatte ausweislich der beigezogenen Ausländerakte die Abschiebung der Klägerin noch nicht einmal vorbereitet. Das ist auch weiterhin nicht der Fall. [...]