Vorläufige Anwendungshinweise zum Staatsangehörigkeitsgesetz - Lebensunterhalt / Ausnahmen
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Mit der Neufassung der Nummer 3 wird der Grundsatz der hinreichenden wirtschaftlichen Integration stärker im Gesetz verankert. Einen Anspruch auf Ein-bürgerung nach § 10 hat danach nur, wer den eigenen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II (Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende) oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII (Sozialhilfe) bestreiten kann.
Ausnahmen von diesem Grundsatz werden in den Buchstaben a) bis c) ausdrücklich benannt (siehe hierzu Nr. 10.3.2.1, 10.3.2.2 und 10.3.2.3). In diesen Fällen steht die Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II oder XII einem Anspruch auf Einbürgerung nicht entgegen. Durch die Beschränkung auf drei enumerativ benannte Fallkonstellationen werden die Ausnahmemöglichkeiten für einen unschädlichen SGB II/XII-Bezug restriktiver gefasst. Die bisherige allgemeine Ausnahmeregelung, wonach die Inanspruchnahme von SGB II/XII-Leistungen unschädlich war, wenn der Antragsteller ihn nicht zu vertreten hatte, wurde gestrichen.
Der den Ausnahmen in Buchstaben a) bis c) vorangestellte Einleitungssatz „von dieser Voraussetzung wird abgesehen“ bezieht sich daher auf die eine hinreichende Lebensunterhaltssicherung grundsätzlich ausschließende Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II oder XII. Er dispensiert nicht von der allgemeinen Voraussetzung, dass der Antragsteller den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen bestreiten können muss, sondern regelt, dass ein SGB II/XII-Bezug unschädlich ist, wenn eine der unter Buchstaben a) bis c) genannten Voraussetzungen vorliegt.
Ein „bestreiten können“ des Lebensunterhalts bedeutet nicht nur, dass dieser im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag aus eigenen Einkünften gedeckt sein muss, sondern beinhaltet auch eine Nachhaltigkeitsprognose, bei der festzustellen ist, ob der Lebensunterhalt auch in absehbarer Zukunft eigenständig gesichert werden kann und Leistungen nach dem SGB II//XII voraussichtlich nicht in Anspruch genommen werden müssen. Eine Nachhaltigkeitsprognose ist daher ebenso bei den Ausnahmeregelungen nach Buchstaben a) bis c) vorzunehmen (siehe hierzu Nr. 10.3.2.1, 10.3.2.2 und 10.3.2.3).
Nimmt der Antragsteller Leistungen nach SGB II oder XII in Anspruch und liegt kein Tatbestand nach den Buchstaben a) bis c) vor, kann für nach dem 23.8.2023 gestellte Einbürgerungsanträge in Fällen, in denen ein SGB II/XII-Leistungsbezug nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 a.F. nicht zu vertreten gewesen wäre, eine Einbürgerung nach § 8 in Betracht kommen, wenn der Antragsteller alles objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare unternommen hat, um seinen Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern (siehe dazu Nr. 8.2.1).
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