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OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.07.2024 - 11 A 2105/23.A - asyl.net: M32583
https://www.asyl.net/rsdb/m32583-1
Leitsatz:

Keine Belege für systemische Schwachstellen im kroatischen Asylsystem: 

1. Ablehnung eines Antrags auf Zulassung der Berufung des Klägers wegen der fehlenden Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und der Frage, inwiefern auch Dublin-Rückkehrer der Gefahr von Push-Backs bzw. Kettenabschiebungen ausgesetzt sind.

2. Ohne positive Belege für systemische Schwachstellen im kroatischen Asylsystem für Dublin-Rückkehrer gilt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens. 

(Leitsätze der Redaktion, siehe dazu: VG München, Urteil vom 22.02.2024 - M 10 K 23.50597 - asyl.net: M32448

Schlagwörter: Kroatien, Dublinverfahren, Berufungszulassungsantrag,
Normen: AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, AsylG § 29 Abs. 1, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. [...]

II. Die weiter geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wird ebenfalls nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt. [...]

1. Das Verwaltungsgericht hat die von dem Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,

"Droht dem Kläger in dem anderen Mitgliedstaat (Kroatien) bei einer Abschiebung nach Kroatien dort aufgrund der gegenwärtigen Umstände eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK, so dass § 29 Abs. 1 AsylG nicht anwendbar ist und die Beklagte den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig ablehnen durfte.",

mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das kroatische Asylsystem an derartigen systemischen Mängeln leide. [...]

a) Diese Feststellung zieht der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht hinreichend in Zweifel.

Der Kläger wiederholt in seinem Zulassungsantrag überwiegend wörtlich weite Teile der bereits von dem Verwaltungsgericht zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Urteile vom 8. Mai 2023 - 2 A 269/22 -, juris, Rn. 30 ff., und vom 24. Mai 2022 - 2 A 26/22 -, juris) sowie der Verwaltungsgerichte Freiburg (Beschluss vom 26. Juli 2022 - A 1 K 1805/22 -) und Stuttgart (Beschluss vom 2. September 2022 - A 16 K 3603/22 -).

Bereits mit Urteil vom 11. Mai 2023 - A 4 S 2666/22 - hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, dass derzeit in Kroatien grundsätzlich weder für nicht vulnerable noch für vulnerable Dublin-Rückkehrer das "real risk" einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, auch nicht im Hinblick auf Push-Backs oder Kettenabschiebungen bestehe. [...]

Hiermit setzt der Kläger sich mit seinem Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Er beschränkt sich auf die wörtliche Wiedergabe von Auszügen der Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 24. Mai 2022 - 2 A 26/22 – und 8. Mai 2023 - 2 A 269/22 - sowie der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. Juli 2022 - A 1 K 1805/22 - und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. September 2022 - A 16 K 3603/22 -, ohne sich mit der bereits obergerichtlich verneinten Frage auseinanderzusetzen, inwiefern auch Dublin-Rückkehrer der Gefahr von Push-Backs bzw. Kettenabschiebungen ausgesetzt sind. Im Hinblick auf das von dem Kläger insoweit zitierte Urteil des Raad van State hat bereits der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ausgeführt, das Gericht habe zum einen wohl mit einem im deutschen Asylrecht grundsätzlich nicht anwendbaren Maßstab judiziert, und zum anderen allein Erkenntnismittel ausgewertet, die sich gerade nicht auf Dublin-Rückkehrer beziehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. Mai 2023 - A 4 S 2666/22 -, juris, Rn. 68 ff.).

Die Urteile des Zivilgerichts von Genua vom 19. März 2019 und des Zivilgerichts von Rom vom 12. Februar 2020 sind nicht mehr aktuell und können daher über die derzeitige Situation nichts aussagen.

Soweit der Kläger darauf abstellt, es sei nur dann gerechtfertigt, die Gruppe der Dublin-Rückkehrer von den sonstigen Asylsuchenden in Kroatien abzuspalten und als eigenständige Kategorie zu betrachten, wenn es dem Bundesamt oder dem entscheidenden Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gelinge zu belegen, dass Dublin-Rückkehrern die Gefahren, denen sämtliche andere Asylbewerber in Kroatien ausgesetzt seien, nicht drohten, verkennt er die rechtlichen Maßstäbe. Es ist nicht ausreichend, dass überhaupt erhebliche systemische Schwachstellen des Asylsystems und gravierende Rechtsverletzungen gegenüber einem anderen Personenkreis bestehen. Es muss vielmehr gerade den rechtsschutzsuchenden Personen - wie dem Kläger - aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen konkret eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem ernsthaften Risiko (real risk) drohen. (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 4. Dezember 2023 - 10 LB 91/23 -, juris, Rn. 134).

Ohne positive Belege für das Gegenteil gilt insoweit aufgrund des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens die nicht widerlegte Vermutung, dass Kroatien im Rahmen des Dublin-Systems zurückkehrende Asylbewerber im Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt. [...]

Aus diesem Grund kann auch nicht daraus, dass nur wenige Dublin-Rückkehrer aus Deutschland erfasst seien sowie dass nur wenige Aufnahmeplätze zur Verfügung ständen sowie, dass es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gebe, dass Dublin-Rückkehrern aus Deutschland eine Vorzugsbehandlung zuteil werde, geschlossen werden, dass das Asylsystem in Kroatien für Dublin-Rückkehrer erhebliche systemische Schwachstellen aufweise, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung begründen könnten (vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 22. Februar 2023 - 10 LA 12/23 -, juris, Rn. 8). [...]