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VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2024 - 2 AE 5088/23 - asyl.net: M32596
https://www.asyl.net/rsdb/m32596
Leitsatz:

Staatlicher Schutz bei außerehelichem Geschlechtsverkehr:

1. Es sind keine gesicherten Informationen darüber verfügbar, ob bei Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs in Algerien staatlicher Schutz erreichbar ist.

2. Unsubstanziiertes Vorbringen zum Fehlen einer internen Schutzmöglichkeit kann nicht als Begründung für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet herangezogen werden, denn eine landesweite Verfolgung ist nicht durch die antragstellende Person glaubhaft zu machen. Der interne Schutz des § 3e AsylG ist ein Ausnahmetatbestand, für den das BAMF die Beweislast trägt.

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Asylantrag, außereheliche Beziehung, Algerien, interner Schutz,
Normen: AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 1 a.F., AsylG § 3e
Auszüge:

[...]

Es lässt sich ·auch nicht feststellen, dass die Angaben des Antragstellers gesicherten Herkunftslandinformationen widerstreiten und deshalb offensichtlich unwahrscheinlich sind: Soweit es die mögliche Inanspruchnahme staatlichen Schutzes betrifft, mag es zwar Erkenntnisquellen zur allgemeinen Tätigkeit von Sicherheitsbehörden geben. Dass staatlicher Schutz aber in Fällen außerehelichen Geschlechtsverkehrs greift, welcher gesellschaftlich geächtet sein dürfte (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zu Algerien: Strafbarkeit von vorehelichem Geschlechtsverkehr (ggf. Höhe der Strafen für Frauen und Männer); Gilt in solchen Fällen die Scharia oder ist dies im Strafgesetzbuch geregelt [...], ergibt sich aus den Erkenntnisquellen nicht in gesicherter Weise. Vielmehr hat ACCORD jüngst im Rahmen einer Anfragebeantwortung zum Thema Ehrenverbrechen festgehalten, dass keine Informationen zur Frage des Einschreitens der Behörden bei privaten Konflikten beziehungsweise bei drohenden Ehrenverbrechen gefunden werden konnten [...]. Soweit es die Verfügbarkeit internen Schutzes anbelangt, lässt sich allein dessen grundsätzliche Zugänglichkeit aus Erkenntnisquellen ableiten; eine Aussage über die Zugänglichkeit gerade für den Antragsteller kann infolge der Unsubstantiiertheit seines Vortrags hingegen nicht getroffen werden, die aber kein Offensichtlichkeitsurteil rechtfertigt [...]. Insoweit mag dahinstehen, ob Art. 31 Abs. 8 lit. e) Asylverfahrens-RL überhaupt auf Angaben zum internen Schutz zu beziehen ist. Denn es handelt sich beim Verweis auf internen Schutz um einen Ausnahmetatbestand, für den die Antragsgegnerin die Beweislast trifft. Ein Antragsteller hat grundsätzlich nicht glaubhaft zu machen, dass eine landesweite Verfolgung besteht. [...]