"Belanglosigkeit" des Asylvortrags erfordert mehr als einem im Ergebnis unbegründeten Asylantrag:
1. Das Merkmal der "Belanglosigkeit" des Asylvortrags nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG n.F. fragt - anders als das Offensichtlichkeitsmerkmal des § 30 Abs. 1 AsylG a.F. - nicht nach der Überzeugungsgewissheit des Prüfungsergebnisses, sondern setzt vielmehr bei der Darlegung an. Zur Offensichtlichkeit führt daher nur ein Vorbringen, das von vornherein keinen Bezug zu den die Schutzgewährung auslösenden Gefahren für den Schutzsuchenden beinhaltet.
2. Aus staatlichem Schutz vor Verfolgung und aus einer internen Fluchtalternative kann nicht auf die Belanglosigkeit des Asylvortrags geschlossen werden.
(Leitsätze der Redaktion, unter Bezug auf VG Hannover, Beschluss vom 13.06.2024 – 10 B 1953/24 – asyl.net: M32538; VG Berlin: Beschluss vom 16.04.2024 – 31 L 670/23 A – asyl.net: M32378; Keßler, Anmerkungen zu Änderungen durch das Rückführungsverbesserungsgesetz, Asylmagazin 4-5/2024, S. 160 ff. (161); Waldvogel, Offensichtlich unbegründete Asylanträge nach dem Rückführungsverbesserungsgesetz, NVwZ 2024, 871 ff. (872 f.); ausdrücklich entgegen VG Berlin: Beschluss vom 23.05.2024 – 41 L 353/24 A – asyl.net: M32527; VG Köln, Beschluss vom 19. Juni 2024 – 22 L 1089/24.A –, openJur 2024, 5631)
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B. Der am 11. Juli 2024 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 5252/24.A gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Mai 2024 anzuordnen, hat Erfolg. [...]
Die Ablehnung des Asylverfahrens als offensichtlich unbegründet wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben, da die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen des § 30 AsylG (n. F.), das heißt in der Fassung des Rückführungsverbesserungsgesetzes vom 21. Februar 2024, BGBl. I Nr. 54, in Kraft seit dem 27. Februar 2024 (Artikel 11 Abs. 1), voraussichtlich nicht vorliegen. [...]
Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. [...]
Der Wortlaut legt dabei ein deutlich engeres Verständnis der "Belanglosigkeit" nahe, als dies bei der Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals des § 30 Abs. 1 AsylG a.F. zu Grunde gelegt wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war – mit Blick auf die unbegründete Asylklage – die Offensichtlichkeit i.S.v. § 30 Abs. 1 AsylG (a.F.) zu bejahen, "wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rspr. und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt" [...].
Demgegenüber fragt die "Belanglosigkeit" nicht nach der Überzeugungsgewissheit des Prüfungsergebnisses, sondern setzt vielmehr bei der Darlegung an. Das ist ein wesentlicher struktureller Unterschied. Zur Offensichtlichkeit führt daher nur ein Vorbringen, das von vorneherein keinen Bezug zu den die Schutzgewährung auslösenden Gefahren für den Schutzsuchenden beinhaltet [...].
Entscheidend ist demnach die Wertung, dass sämtliche vorgebrachten Gründe nicht nur nicht zu einer Schutzzuerkennung führen, sondern per se asylfremd sind [...].
Zwar ist der Antragsgegnerin zuzustimmen, dass es der vom Antragsteller vorgetragenen Gefahr an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung mit einem der in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe fehlt. Dies schließt jedoch die Annahme eines ernsthaften Schadens und damit die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG nicht aus. [...]
Soweit die Antragsgegnerin den Antragsteller auf staatlichen Schutz nach §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AsylG und auf internen Schutz nach § 3e AsylG verweist, ist dies ebenso wenig geeignet, dem Vortrag seine asylrechtliche Relevanz zu nehmen. Vielmehr greifen diese Ausschlussgründe entscheidungstragend erst ein, wenn im Übrigen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer begründeten Verfolgungsfurcht oder eines ernsthaften Schadens anzunehmen wäre. In derart gelagerten Fällen ist der Vortrag ersichtlich nicht per se asylfremd, sodass aus dem Vorliegen eines der genannten Ausschlussgründe nicht auf die Belanglosigkeit im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG geschlossen werden kann. [...]
Ungeachtet der Frage, ob das Gericht die Begründung der Antragsgegnerin auswechseln könnte (in diesem Sinne der Beschluss der Kammer – 7 L 845/23.A – vom 20. April 2023 (nicht veröffentlicht); vgl. auch VG Minden, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 2 L 930/23.A –, juris, Rn. 18, m.w.N.), liegen auch die Voraussetzungen einer anderen Vorschrift, die eine offensichtliche Unbegründetheit rechtfertigte, nicht vor. [...]