Kein Aufenthaltsrecht bei Vorlage eines gefälschten Sprachzertifikats:
Die Vorlage eines gefälschten Sprachzertifikats stellt einen Ausweisungsgrund dar und steht daher der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und anderer Aufenthaltstitel entgegen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
37 bb) Gemessen daran dürfte in dem Vorlegen der gefälschten Zertifikate durch den Antragsteller ein Ausweisungsgrund zu sehen sein, der als Grund öffentlicher Sicherheit unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Var. 1 AufenthG) gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers überwiegt und damit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung entgegensteht.
38 Zulasten des Antragstellers fällt als Verstoß gegen die Rechtsordnung und damit als Verstoß gegen das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit schwerwiegend ins Gewicht, dass er der Antragsgegnerin am 16.10.2023 eine gefälschte Bescheinigung über die Teilnahme am Test "Leben in Deutschland" sowie ein gefälschtes ...-Zertifikat über den Deutsch-Test für Zuwanderer zur Erlangung einer Niederlassungserlaubnis vorgelegt hat. Nachdem der Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 09.04.2024 wegen des Erschleichens von Aufenthaltstiteln rechtskräftig geworden ist, hat die Kammer keine Zweifel daran, dass der Antragsteller die Tat begangen hat. Die Kammer stellt für die Annahme eines Ausweisungsgrundes allerdings nicht allein auf diesen erst kürzlich erlassenen Strafbefehl oder den Strafbefehl aus dem Jahr 2020 ab, weil sich im Rahmen von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG ein pauschaler Umkehrschluss von einer Verurteilung des Ausländers in einem bestimmten Zeitraum zu Lasten des Ausländers verbietet [...]. Vielmehr dürften die folgenden Erwägungen zu Art, Schwere und Umständen des Rechtsverstoßes des Erschleichens von Aufenthaltstiteln zu berücksichtigen sein:
39 Die abstrakte Art und die abstrakte Schwere dieses Verstoßes sind zunächst daran zu erkennen, dass das Erschleichen von Aufenthaltstiteln durch den Gesetzgeber nicht lediglich als geringfügiges Unrecht bewertet worden ist. Er hat diese Tat im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes nicht nur als Ordnungswidrigkeit bewertet, sondern unter Strafe gestellt (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) und hierbei nicht lediglich die – in der Regel mitverwirklichten – Urkundendelikte der §§ 267 ff. StGB ausreichen lassen. Der Gesetzgeber hat die Strafnorm als abstraktes Gefährdungsdelikt formuliert, sodass es auf den Erfolg der falschen Angaben für die Strafbarkeit nicht ankommt [...]. Die Angaben des Ausländers müssen nicht einmal dazu geeignet sein, ihm tatsächlich einen Aufenthaltstitel zu verschaffen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ("um ... zu beschaffen"), der eine Eignung nicht voraussetzt, und folgt des Weiteren aus dem Schutzzweck der Norm. Geschützt wird durch sie das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthaltstitels. Jeglicher Rechtsmissbrauch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung soll bereits im Vorfeld der behördlichen Entscheidung unterbunden werden [...]. Auch die Strafandrohung spiegelt die Erheblichkeit der Tat wider. So ist für das Erschleichen von Aufenthaltstiteln eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen, § 95 Abs. 2 AufenthG. Daher verjährt die Tat gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB auch erst nach fünf und nicht schon nach drei Jahren [...]. Weiterhin bewertet der Gesetzgeber eine solche Tat durch § 54 Abs. 2 Nr. 8a) AufenthG unabhängig von einer Verurteilung auch als Regelbeispiel für die Annahme eines (schweren) Ausweisungsinteresses nach § 53 AufenthG. Aus § 54 Abs. 2 Nr. 8a) AufenthG ergibt sich zudem, dass der Gesetzgeber nicht nur spezial-, sondern vor allem generalpräventive Ausweisungsinteressen berücksichtigt sehen will. [...]
44 Sofern spezialpräventive Aspekte angeführt werden, dem Antragsteller eine Niederlassungserlaubnis auf Grundlage von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG zu versagen, wird in der Rechtsprechung – allerdings zum Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG – vertreten, dass im Falle einer Identitätstäuschung eine Wiederholungsgefahr und damit spezialpräventive Gründe zu verneinen seien, wenn der Verstoß gegen die Pflichten nachgeholt und ausgebessert worden sei [...]. Ob sich dies auf die hier geschehene Vorlage gefälschter Unterlagen übertragen lässt, weil hier weiterhin gerade wegen dieser Handlung ein unsicherer Aufenthaltsstatus und damit auch das Risiko eines erneuten Verstoßes nicht ausgeschlossen ist, kann die Kammer offenlassen. Denn in die prognostische Sicherheitsgefährdung im Rahmen der Abwägung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG dürften jedenfalls generalpräventive Aspekte einzustellen sein. [...]
47 Der volljährige Sohn des Antragstellers ist vor diesem Hintergrund nicht zu berücksichtigen, weil keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass dieser auf die Hilfe und die Anwesenheit des Antragstellers angewiesen ist [...]. Zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau sowie dem 15-jährigen Sohn besteht nach Aktenlage eine gelebte familiäre Gemeinschaft. Bei der Würdigung der Zumutbarkeit einer auf einen Elternteil bezogenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme für die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist von erheblicher Bedeutung, ob es dem Kind und dem anderen Elternteil möglich ist und zugemutet werden kann, den von der Maßnahme betroffenen Ausländer ins Ausland zu begleiten oder ihm zeitnah dorthin zu folgen. [...] Die Ehefrau des Antragstellers und der 15-jährige Sohn haben in der Bundesrepublik zum Zeitpunkt der Entscheidung lediglich eine Fiktionsbescheinigung und kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Daher ist eine Trennung im Falle der Abschiebung des Antragstellers nicht zu befürchten. Sie dürften in Albanien einreise- und aufenthaltsberechtigt sein. Sie sind überdies ausschließlich zu dem Zweck nach Deutschland eingereist, um hier mit dem Antragsteller zusammenzuleben. Ihnen ist das Leben in Albanien sechs Jahre nach dem Umzug in die Bundesrepublik zuzumuten. Dadurch, dass diese familiäre Gemeinschaft in Albanien bereits bestand und gelebt wurde, hat das Interesse, in der Bundesrepublik gemeinsam zu leben, kein hohes Gewicht. [...]