Stellung eines Asylantrags zur Verzögerung der Abschiebung:
"1. § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG ist entgegen dem missverständlichen Wortlaut eine Bestimmung über den maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtslage. Danach bestimmt sich die Rechtmäßigkeit der qualifizierten Antragsablehnung nach dem am Tag des Bescheiderlasses insoweit geltenden § 30 AsylG. Damit ist die neue Fassung dieser Vorschrift auf Bescheide anzuwenden, die ab dem 27. Februar 2024 (einschließlich) erlassen wurden.
2. Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 6 AsylG "nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung, die zu einer Abschiebung führen würde, gestellt", wenn die Umstände des Falles - allein - den Zeitpunkt der Asylantragstellung bei wertender Betrachtung der Einzelfallumstände als nur zum Zwecke der Verzögerung oder Behinderung der Abschiebung gewählt erscheinen lassen. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist hingegen von den für das Asylgesuch vorgebrachten Gründen unabhängig, es sei denn aus ihnen ergibt sich ausnahmsweise eine überzeugende Erklärung für den Zeitpunkt der Antragstellung."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
11 Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den antragstellerischen Asylantrag als gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 6 AsylG offensichtlich unbegründet abzulehnen, begegnen keinen ernstlichen Zweifeln. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 6 AsylG in der seit dem 27. Februar 2024 geltenden Fassung (durch Gesetz vom 21. Februar 2024, BGBl 2024, I Nr. 54) ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer den Asylantrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung, die zu seiner Abschiebung führen würde, gestellt hat. Es handelt sich um eine – von den Gründen für die Ausreise weitgehend unabhängige – qualifizierte Antragsablehnung, die der Sanktion eines Fehlverhaltens des Ausländers dient und ihn daran hindern soll, bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über seinen Asylantrag in den Genuss eines gestatteten Aufenthalts zu kommen. Das Fehlverhalten, das in Umsetzung des Artikel 31 Abs. 8 lit. g) der Richtlinie 2013/32/EU zur qualifizierten Antragsablehnung führt, ist ein Missbrauch des Asylverfahrens zum Zwecke der Verhinderung einer Aufenthalts - beendigung. Erforderlich für die Annahme einer die qualifizierte Ablehnung rechtfertigenden Verwerflichkeit ist eine Zweck-Mittel-Relation, die bei wertender Betrachtung den Schluss trägt, dass der Asylantrag nur gestellt wurde, um eine absehbare Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder zu behindern. Diese Zweck-Mittel-Relation erfordert nicht, dass der Antragsteller kein Interesse an einem asylrechtlichen Schutzstatus hätte oder (wie im Fall des Artikel 31 Abs. 8 lit. a) der Richtlinie 2013/32/EU) keine Umstände vorbrächte, die einer eingehenden inhaltlichen Prüfung bedürften, sondern setzt – allein – voraus, dass sich der Zeitpunkt der Antragstellung nach den Gegebenheiten als missbräuchlich darstellt.
12 Dies ist, wie die Antragsgegnerin zu Recht annahm, bei dem vorliegenden Sachverhalt der Fall, in dem der Antragsteller seit Juli 2022 in der Bundesrepublik Deutschland aufhältig war, ehe er bald nach Ablauf einer Frist zur freiwilligen Ausreise am 11. Oktober 2023 ein Asylgesuch äußerte und am 2. November 2023 einen Asylantrag stellte. So war der Antragsteller zunächst mit einem Visum zur Teilnahme an einem studienvorbereitenden Sprachkurs eingereist. Sein Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis vom 16. März 2023 wurde abgelehnt und er aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 30. September 2023 zu verlassen. Danach stellt sich nach wertender Betrachtung die Asylantragstellung als nur zum Zwecke der Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen Entscheidung, die zu seiner Abschiebung führen würde, dar. Unter diesen besonderen Umständen rechtfertigt der Verstoß gegen die Obliegenheit aus Art. 4 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2011/95/EU die sanktionsbewehrte qualifizierte Antragsablehnung. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller hiergegen ein, dass er "keine Veranlassung einen Schutzantrag zu stellen [gehabt habe], da er einen gesicherten Aufenthaltsstatus hatte", da genau diese Bevorratung eines Asylgesuchs bis zu einer absehbar drohenden Abschiebung den rechtlichen Grund für die qualifizierte Antragsablehnung legt und im Übrigen offenbart, dass er an einer früheren Asylantragstellung nicht gehindert war. Auch der pauschale Einwand, dass dem Antrag "echte Verfolgungsgründe" zu Grunde lägen, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, da die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers in der Sache geprüft und abgelehnt hat, ohne dass diese (einfache) Ablehnung ernstlichen Zweifeln begegnete. Dass mit dem Antrag keine Umstände vorgebracht worden seien, die in einem Asylverfahren von Belang sein könnten, ist unter der dargestellten einschränkenden Voraussetzung für die Anwendung des § 30 Abs. Nr. 6 AsylG unerheblich. [...]