Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen offener unionsrechtlicher Frage:
Die Vereinbarkeit der Regelungen über einen Asylzweitantrag gem. § 71a AsylG mit Unionsrecht ist umstritten. Die Frage wurde vom Europäischen Gerichtshof bislang nicht beantwortet. Bei einer offenen unionsrechtlichen Frage, die für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung entscheidungserheblich ist, bestehen ernstliche Zweifel, ohne dass es auf die (vorläufige) rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts ankommen würde.
(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf: BVerfG, Beschluss vom 13.08.2024 - 2 BvR 44/24 - asyl.net: M32673)
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§§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2, 71a Abs. 1 und 4, 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG bestimmen, dass dann, wenn das Bundesamt auf einen Zweitantrag - wie hier - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ablehnt, die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass dieser einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. "Angegriffen" i.S.d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Abschiebungsandrohung. Gegenstand dieses Verfahrens ist allein die Frage, ob die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) erlassene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist. [...]
Gemessen daran bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 3 verfügten Abschiebungsandrohung. Das Bundesamt hat die Ablehnung des Asylantrags der Antragsteller auf § 71a Abs. 1 AsylG gestützt. Diese Norm bestimmt, dass dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass diese Norm nicht mit Unionsrecht in Einklang steht. [...]
Dass das Gericht in seinen Vorlagebeschlüssen an den Gerichtshof der Europäischen Union die Ansicht vertreten hat, dass § 71a AsylG nicht gegen Unionsrecht verstößt [...], steht der Annahme ernstlicher Zweifel nicht entgegen. Diese Frage ist unabhängig von der eigenen, notwendig nur vorläufigen rechtlichen Einschätzung des Gerichts zu entscheiden. [...]
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass Generalanwalt Emiliou in seinen Schlussanträgen ebenfalls die Auffassung vertritt, dass § 71a AsylG mit Unionsrecht in Einklang steht. [...]