Mangelnde Begründungstiefe eines Urteils kann Grund für Berufungszulassung darstellen:
"1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, konkretisiert durch § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, verpflichtet das Gericht, in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts nach Meinung des Gerichts dem Vortrag eines Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht zu folgen ist.
2. Hiervon zu unterscheiden ist die Pflicht des Gerichts, ungeachtet des Vorbringens des rügenden Prozessbeteiligten seine tragenden Erwägungen schriftlich niederzulegen. Diese Begründungspflicht ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO und ebenfalls aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Verfassungsrechtlich ist sie nicht von Art. 103 Abs. 1 GG umfasst, sondern hat ihre Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Verstöße hiergegen sind nach § 138 Nr. 6 VwGO (i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) zu rügen.
3. Ein Fall der Nichtbegründung nach § 138 Nr. 6 VwGO kann im Einzelfall dann vorliegen, wenn das Gericht zwar eine umfangreiche Erkenntnismittelliste in das Verfahren eingeführt hat, in den Entscheidungsgründen jedoch lediglich pauschal auf die Erkenntnismittelliste oder die Erkenntnismittel verweist und der Verweis nicht mehr rational nachvollziehbar ist (im Anschluss an OVG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 01.02.2024 - 6 LA 44/24 -, juris Rn. 21, und vom 17.05.2022 - 4 LA 371/19 -, juris Rn. 24)."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
22 2. Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mangels Begründung der Auffassung des Verwaltungsgerichts zur nicht hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einziehung zum Wehrdienst rügt, fehlt es insoweit jedenfalls an einem dargelegten entscheidungserheblichen Vorbringen des Klägers. Eine Zulassung der Berufung wegen fehlender Gründe im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO scheidet aus, weil sich die verwaltungsgerichtliche Feststellung der fehlenden Wahrscheinlichkeit einer Einziehung zum Wehrdienst unter keinen Umständen für die Entscheidung als erheblich erweist (analog § 144 Abs. 4 VwGO).
23 a) aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, in den Entscheidungsgründen für die Beteiligten und zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts nach Meinung des Gerichts dem Vortrag eines Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht zu folgen ist. Dazu gehört, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab offen legt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von welchem Sachverhalt es ausgeht und - sofern er den Tatsachenbehauptungen eines Beteiligten widerspricht - warum es dessen Vortrag nicht folgt und aufgrund welcher Erkenntnisse es eine ihm ungünstige Tatsachenlage als erwiesen ansieht [...]. Der Vorgang der gerichtlichen Entscheidungsfindung muss in den Entscheidungsgründen zumindest in den Ansätzen nachvollzogen werden können. Dies dient dazu, überprüfbar zu dokumentieren, dass das Gericht den Gehörsanspruch beachtet hat, und den Prozessbeteiligten zu ermöglichen, ihre Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG zu wahren [...]. Diese aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Begründungspflicht, die einfachgesetzlich ihren Niederschlag in § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefunden hat, bezieht sich auf alle für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung wesentlichen Tatsachen [...]. Bei einem Verstoß des Gerichts gegen diese Begründungspflicht handelt es sich der Sache nach um einen Unterfall der Nichtberücksichtigung von Vorbringen.
24 bb) Hiervon zu unterscheiden ist die Pflicht des Gerichts, ungeachtet des Vorbringens des rügenden Prozessbeteiligten seine tragenden Erwägungen schriftlich niederzulegen. Diese Begründungspflicht ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO und ebenfalls aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Verfassungsrechtlich ist sie indes nicht von Art. 103 Abs. 1 GG umfasst, sondern hat ihre Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, an dem sich jede Gerichtsentscheidung messen lassen muss [...]. Verstöße hiergegen sind nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO zu rügen.
25 Dieser Zulassungsgrund bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der inhaltlichen Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung, wenn ihrem Tenor überhaupt keine Gründe beigegeben sind, aber auch, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren, rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar ist, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen und die ihnen zugewiesenen Funktionen - die Unterrichtung der Beteiligten und Ermöglichung der Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht - nicht mehr erfüllen können [...]. Demgegenüber liegt ein Mangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann vor, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind [...]. Die Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn das Urteil auf "einzelne Ansprüche" oder "einzelne selbstständige Angriffs- und Verteidigungsmittel" überhaupt nicht eingeht. Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, aber wiederum nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt [...]. Betrifft die Unterschreitung inhaltlicher Anforderungen an die Entscheidungsgründe indes nur einen Begründungsstrang einer Entscheidung, die auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt ist, greift § 138 Nr. 6 VwGO nicht. [...]