Nicht vulnerablen Schutzberechtigten droht keine unmenschliche Behandlung in Italien:
1. Nicht vulnerablen Personen, die Schutz in Italien erhalten haben, droht aktuell bei einer Rückkehr nach Italien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen der Lebensbedingungen. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene zu befriedigen.
2. International Schutzberechtigte, deren Aufenthaltstitel abgelaufen ist, erhalten voraussichtlich bei Rückkehr nach Italien erneut einen Aufenthaltstitel, und sie können und müssen sich bei der Wohnortgemeinde registrieren lassen. Damit ist es hinreichend wahrscheinlich, dass sie eine noch menschenwürdige Unterkunft finden und ihre weiteren Grundbedürfnisse zwar nicht durch staatliche Sozialleistungen, aber durch Hilfsangebote karikativer Einrichtungen sowie durch eigenes Einkommen decken können. Außerdem ist eine medizinische Grundversorgung gewährleistet.
3. International Schutzberechtigte müssen sich zur Sicherstellung des Existenzminimums auf zumutbare Arbeiten verweisen lassen, auch wenn diese wenig attraktiv sind und ihrer Vorbildung nicht entsprechend. Zu diesen zumutbaren Arbeiten zählen auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise ausgeübt werden können, selbst wenn sie im Bereich der sogenannten "Schatten- oder Nischenwirtschaft" sind. Allerdings können Schutzberechtigte nicht auf Tätigkeiten verwiesen werden, die kriminell oder anderweitig staatlich sanktioniert sind und sie selbst einer straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung aussetzen würde. Erwerbstätigkeiten, die auch legal ausgeübt werden können, aber den öffentlichen Stellen zur Vermeidung von Steuern und Sozialbeiträgen nicht gemeldet werden, sind jedoch zumutbar, wenn sie als Arbeitnehmende nicht sanktionsbewehrt sind oder die Sanktionen jedenfalls tatsächlich nicht verhängt werden.
(Leitsätze der Redaktion; vorhergehende Entscheidungen: VG Trier vom 8. März 2021, 6 K 5063/19.TR und OVG Koblenz vom 27. November 2023, 13 A 10953/22.OVG)
[...]
15 b) Bezugsrahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage ist der von der Divergenz betroffene, abstrakt bestimmte Personenkreis, der zumindest so weit gezogen werden muss, dass er die jeweils klagende Person nach den – insoweit für das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich binden-den – Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu deren individuellen Verhältnissen einschließt. Danach ist hier die Gruppe der nicht vulnerablen Drittstaatsangehörigen in den Blick zu nehmen, denen in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden ist. Dieser Personenkreis umfasst bezogen auf den Zielstaat Italien alle volljährigen Schutzberechtigten ohne minderjährige Kinder, die erwerbsfähig sind und nicht an einen besonderen Schutzbedarf begründenden Krankheiten leiden. [...]
17 d) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der allgemeinen Lage ist der in § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG genannte Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Gemäß § 78 Abs. 8 Satz 5 AsylG berücksichtigt das Bundesverwaltungsgericht dafür diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Vorrangig gelten auch hier die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gerichtliche Sachaufklärungspflicht: Als über allgemeine asyl- und abschiebungsrelevante Situationen befindendes Tatsachengericht ist das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, auf der Grundlage tagesaktueller Erkenntnisse zu entscheiden und dabei alle aktuellen Erkenntnismittel von Relevanz zu berücksichtigen. Welche Erkenntnismittel es in diesem Sinne für relevant hält, unterliegt seiner vom Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt überprüfbaren fachgerichtlichen Einschätzung [...].
23 Für die Erfüllung der vorbezeichneten Grundbedürfnisse gelten – gerade bei nicht vulnerablen Personen – nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. Dabei sind nicht nur staatliche Unterstützungsleistungen [...], sondern auch Unterstützungsangebote nichtstaatlicher Hilfsorganisationen zu berücksichtigen [...].
25 In der Zusammenschau dieser Kriterien ergibt sich, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts nicht schon dann gegeben ist, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung des Art. 4 GRC anzustellende Gefahrenprognose ist vielmehr grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen oder Unterstützungsleistungen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Ablauf dieser Unterstützungsmaßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Hilfeleistungen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein [...].
26 Diese Maßstäbe hat der Senat im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Drittstaaten entwickelt; sie gelten aber ohne Weiteres auch für die Auslegung des Art. 4 GRC bei der Abschiebung anerkannter Schutzberechtigter in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dass bei der Überstellung von Asylbewerbern im Dublin-Verfahren nach der Rechtsprechung des EuGH möglicherweise eine zeitlich weitere Perspektive in den Blick zu nehmen ist, weil es auch auf den Zeitraum nach Abschluss des Asylverfahrens ankommt [...], ist hier nicht entscheidungserheblich. [...]
27 2.2.2 Gemessen daran hat das Berufungsgericht die allgemeine abschiebungsrelevante Lage von in Italien anerkannten, nicht vulnerablen Schutzberechtigten im Ergebnis zutreffend dahin beurteilt, dass diese nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von ihren persönlichen Entscheidungen in eine Lage extremer materieller Not geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen. Diese Einschätzung erweist sich auf der Grundlage der für das Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen aktuellen Erkenntnislage als zutreffend. Danach erhalten international Schutzberechtigte, falls ihr Aufenthaltstitel abgelaufen ist, bei einer Rückkehr nach Italien voraussichtlich erneut einen Aufenthaltstitel (a), und sie können und müssen sich bei der Wohnortgemeinde registrieren lassen (b). Dies zugrunde gelegt ist es hinreichend wahrscheinlich, dass sie eine noch menschenwürdige Unterkunft finden (c) und ihre weiteren Grundbedürfnisse, insbesondere den Verpflegungsbedarf, zwar nicht durch staatliche Sozialleistungen, aber durch Hilfsangebote karitativer Einrichtungen (d) sowie durch eigenes Erwerbseinkommen decken können (e). Eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet (f). [...]
43 c) Die Erkenntnislage zur Unterkunftssituation hat das Berufungsgericht im Wesentlichen dahin gewürdigt, dass rückkehrende nichtvulnerable Schutzberechtigte zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht in das staatliche Zweitaufnahmesystem SAI aufgenommen werden, dass sie aber voraussichtlich eine temporäre Unterkunft oder einen Notschlafplatz in den durch karitative und nichtstaatliche Organisationen oder Kirchen betriebenen Einrichtungen finden könnten. Diese Beurteilung erweist sich ausgehend von dem anzuwendenden strengen Maßstab auf der Grundlage der aktuellen Auskunftslage im Ergebnis als zutreffend. [...]
45 Aktuell stellt sich die Erkenntnislage zur Unterkunftssituation in den Bereichen staatliche Unterbringung (aa), öffentlicher bzw. sozialer Wohnraum (bb), regulärer Wohnungsmarkt (cc), (Not-)Unterkünfte bei kirchlichen, kommunalen und anderen nichtstaatlichen Organisationen sowie Privatleuten (dd) und informelle Siedlungen, Wohncontainer, Camps (ee) wie im Folgenden beschrieben dar. Eine Gesamtwürdigung auf dieser aktuellen Grundlage rechtfertigt die Einschätzung, dass nichtvulnerable Schutzberechtigte, die nach Italien zurückkeh-ren, dort bei Entfaltung hinreichender Bemühungen eine den obigen Anforderungen genügende Unterkunft finden können (ff).
46 aa) Mit einer Unterbringung in einer staatlichen Aufnahmeeinrichtung können nach Italien zurückkehrende nichtvulnerable international Schutzberechtigte regelmäßig nicht rechnen.
47 Das italienische Aufnahmesystem besteht aus Erstaufnahmeeinrichtungen (staatliche Erstaufnahmezentren sowie die – ursprünglich für eine temporäre Notunterbringung konzipierten – CAS, centri di accoglienza straordinaria) und Hotspots einerseits und dem sogenannten Zweitaufnahmesystem (SAI = Sistema di accoglienza e integrazione, vormals SPRAR, dann SIPROIMI) andererseits. Bereits anerkannten Schutzberechtigten steht allein das SAI offen, das primär deren Aufnahme sowie der Aufnahme von unbegleite-ten Minderjährigen dient (AIDA/ECRE, Country Report Italy, 2023 Update, S. 146 ff., 149). Mit dem Gesetzesdekret Nr. 113/2018 (sog. Salvini-Dekret) wurden Asylbewerber aus dem SAI-System ausgeschlossen. Durch das Umwandlungsgesetz Nr. 173/2020 zum Gesetzesdekret Nr. 130/2020 vom 21. Oktober 2020 (dem sog. Lamorgese-Dekret) wurde mit Wirkung zum 20. Dezember 2020 das bisherige Modell teilweise wiederhergestellt und ein einheitliches Aufnahmesystem sowohl für Asylbewerber als auch für Schutzberechtigte wieder-eingeführt, ohne jedoch eine angemessene und proportionale Ausweitung der Anzahl der verfügbaren Plätze vorzusehen [...].
48 2023 wurde das staatliche Aufnahmesystem erneut reformiert. Das Gesetzesdekret 20/2023 (sog. Cutro-Dekret), in Gesetzesform überführt durch das Gesetz 50/2023, kehrte zu einer klareren Trennung zwischen dem Aufnahmesystem für Asylbewerber und dem Aufnahmesystem für anerkannte Schutzberechtigte zurück. Asylbewerber wurden im Grundsatz erneut vom Zugang zur Unterbringung im SAI-System ausgeschlossen [...]. Zugang zum SAI haben aus der Gruppe der Asylbewerber seither nur noch vulnerable Personen und solche, die über Resettlement-Programme oder ähnliche humanitäre Zugangswege legal eingereist sind. Als vulnerabel und so-mit zugangsberechtigt zu SAI-Unterkünften werden nunmehr aus italienischer Sicht auch alle Frauen eingestuft; Schwangere genießen dabei Vorrang (AIDA/ECRE, Country Report Italy, 2023 Update, S. 149). Ungeachtet dessen ist das SAI-System nach der Reform primär der Aufnahme der anerkannt Schutzberechtigten und unbegleiteten Minderjährigen zu dienen bestimmt. Andere Drittstaatsangehörige haben deshalb nur im Fall verfügbarer Plätze Zugang [...].
49 Das Cutro-Dekret führte außerdem eine neue Art von vorläufigen Aufnahmeeinrichtungen (provisional centres) ein, die sich auf grundlegende Dienstleistungen wie Lebensmittel, Unterkunft, Kleidung, Gesundheitsversorgung und Sprach- und Kulturvermittlung beschränken. In diese provisorischen Einrichtungen können Asylsuchende für die unbedingt erforderliche Zeit bis zur Feststellung der Verfügbarkeit von Plätzen in staatlichen Aufnahmezentren oder in CAS-Einrichtungen aufgenommen werden [...].
51 In den SAI-Einrichtungen werden neben der reinen Unterkunft und Verpflegung [...] auch Unterstützungs- und Integrationsleistungen erbracht. Hierzu gehören etwa Übersetzungs- und sprachlich-kulturelle Vermittlungsdienste, Rechtsberatung, Vermittlung der italienischen Sprache und Schulbesuch für Minderjährige, Gesundheitsversorgung, soziopsychologische Hilfen vor allem für vulnerable Personen, Ausbildung, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Beratung über verfügbare Dienstleistungen zur örtlichen Integration und Information über Programme zur freiwilligen Rückkehr sowie über Freizeit-, sportliche und kulturelle Aktivitäten. Das Gesetzesdekret Nr. 130/2020 unterscheidet nunmehr zwischen Leistungen für im SAI untergebrachte Asylbewerber (first level services) und Leistungen, die anerkannten Schutzberechtigten vorbehalten sind (second level services); zu Letzteren zählen die Unterstützung bei der Integration und Arbeitssuche sowie beruflichen Bildung [...].
53 Der Status als international Schutzberechtigter berechtigt nicht zum Verbleib in einer Erstaufnahme- oder CAS-Einrichtung; diese Einrichtungen müssen Schutzberechtigte nach Zuerkennung eines Schutzstatus verlassen (AIDA/ECRE, Country Report Italy, 2023 Update, S. 240). Die meisten Präfek-turen gestatten den Verbleib nur noch für einige Tage [...]. Infolge von Abstimmungs- und Kommunikationsproblemen dauert es meist so lange, bis ein Antrag auf Unterbringung in einer SAI-Einrichtung bearbeitet ist und ein Platz zugewiesen werden kann, dass sich die Schutzberechtigten oft dafür entscheiden, sich unmittelbar an ein SAI-Projekt zu wenden und um Zulassung zu bitten, anstatt auf die Zuweisung durch den Zentraldienst zu warten. Der Servizio Centrale hat keinen Überblick über die Anzahl der bei ihm eingehenden Anträge, was eine Zuweisung der verfügbaren Plätze gemäß den vorgegebenen Pri-oritätskriterien im Hinblick auf die Vielzahl der Anträge erschwert. Seit Inkrafttreten des Cutro-Dekrets soll der Übergang von einem CAS oder staatlichen Erstaufnahmezentrum zum SAI für Asylbewerber erschwert worden sein. Diese werden nicht selten nach der Zuerkennung eines Schutzstatus aufgefordert, die (Erstaufnahme-)Unterkunft zu verlassen, ohne dass auch nur geprüft wird, ob es verfügbare Plätze in SAI-Einrichtungen gibt. Hat man aber einmal das Unter-bringungssystem verlassen, soll es schwierig sein, wiederaufgenommen zu werden. Die Unterbringung im SAI mit seinen knappen verfügbaren Plätzen sei seither noch mehr zu einer bloßen Möglichkeit geworden [...].
54 Die Aufenthaltsdauer im SAI-System (vormals SIPROIMI) wurde für Inhaber eines Schutzstatus durch ein Dekret vom 18. November 2019 ("Moi Dekret") auf sechs Monate festgelegt. Nur in einigen besonders ausgeführten und begründe-ten Fällen kann danach die Aufnahme nach vorheriger Zustimmung des zustän-digen Präfekten um weitere sechs Monate verlängert werden. [...]
55 Nach dem SAI-Jahresbericht 2023 verließen im Jahr 2023 22 404 Schutzberechtigte die SAI-Einrichtungen. Weniger als die Hälfte (43,8 %) gingen vorzeitig aus eigenem Antrieb, 2 % mussten die Einrichtung aufgrund einer einseitigen Entscheidung der Einrichtung verlassen, und 52,1 % verließen diese wegen Ablaufs der vorgesehenen Aufenthaltsdauer [...]. Wenngleich die letztgenannte Zahl Schwierigkeiten bei der Suche nach einer eigenständigen Unterkunft indizieren dürfte [...], rechtfertigt sie nicht den Schluss, dass sämtliche damit bezeichneten Schutzberechtig-ten, die die maximale Aufenthaltsdauer im SAI-System in Anspruch nehmen, nicht über eine "Anschlusslösung" verfügen. [...]
57 Für international Schutzberechtigte, die bereits vor ihrer Weiterreise in einer Zweitaufnahmeeinrichtung (heute: SAI) untergebracht waren, gibt es somit keine Garantie der Wiederaufnahme. Wenn eine Person eine Unterkunft vor Ablauf der vorher festgelegten Aufenthaltsdauer verlassen oder dort die maximale Unterbringungszeit ausgeschöpft hat und anschließend aus einem Mitgliedstaat zurückgeführt wird, kann sie nur nach einer individuellen Bewertung unter Umständen wieder in die Unterkunft zurückkehren; dabei wird die Vulnerabilität der Schutzsuchenden berücksichtigt [...]. Besonders vulnerable Personen werden dann laut einer Auskunft eines Vertreters einer SAI-Einrichtung nicht erneut in das SAI, sondern in eine geeignetere Struktur aufgenommen [...].
59 Mit dem Cutro-Dekret ist zudem festgelegt worden, dass international Schutzberechtigte und andere Zugangsberechtigte zum SAI außer in Fällen von höherer Gewalt das Recht auf den Aufnahmeplatz verlieren, wenn sie nicht innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Zuweisung des Unterbringungsplatzes in der Einrichtung erscheinen, sofern es nicht objektive und nachvollziehbare Gründe für die Verzögerung gibt [...]. Damit kann auch weiterhin allein die – nicht in Anspruch genommene – Zuweisung für den Verlust ausreichen [...]. Die Betroffenen wissen oftmals nicht, ob sie eine Zuweisung zu einer SAI-Unterkunft erhalten haben, weil sie ihre ursprüngliche Unterkunft zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatten. In einem solchen Fall ist ihr Recht auf Unterbringung ebenfalls verwirkt. Der italienische Staat bietet keine Alternativunterkunft an [...]. Nur wenn neue Schutzbedarfe (Vulnerabilitäten) vorliegen, kann eine erneute Unterbringung in einem SAI-Projekt beantragt werden [...].
61 Obwohl das SAI-System in den 20 Jahren seit seiner Einrichtung im ganzen Land langsam, aber stetig ausgebaut wurde [...], wird die Gesamtzahl der verfügbaren Plätze als nach wie vor in großem Maße unzureichend bezeichnet, um den bestehenden Bedarf zu decken [...].
66 Einer (dem Bundesverwaltungsgericht im Verfahren der Tatsachenrevision selbst nicht möglichen, vgl. § 78 Abs. 8 Satz 4 und 5 AsylG) einzelfallbezogenen Aufklärung durch Anfrage bei den zuständigen italienischen Behörden, ob das Recht auf Unterbringung im SAI-System für einen konkreten Schutzberechtig-ten noch besteht, bedarf es nach aktueller Erkenntnislage in derartigen Fällen gleichwohl nicht. Denn nichtvulnerable Schutzberechtigte haben die – zur Ab-wendung einer Verelendung hinreichende – Möglichkeit, außerhalb des staatlichen Unterbringungssystems eine nach dem hier anzuwendenden Maßstab hin-reichende, gegebenenfalls wechselnde Unterkunft zu finden [...]. Für diese hier zu beurteilende Personengruppe kann deshalb ohne abschließende Aufklärung zu deren Gunsten unterstellt werden, dass für sie die Möglichkeit der Unterbringung in einer SAI-Einrichtung wegen Ablaufs der maxi-malen Verweildauer, unentschuldigten Verlassens oder unentschuldigter Nichtinanspruchnahme eines zugewiesenen Aufnahmeplatzes nicht mehr besteht [...].
59 International Schutzberechtigte haben grundsätzlich Zugang zu öffentlichem Wohnraum bzw. Wohnbeihilfen wie italienische Bürger. Sie können sich jederzeit bewerben, und sie dürfen nicht aufgefordert werden, zusätzliche oder andere Anforderungen zu erfüllen als diejenigen, die für italienische Staatsbürger gelten. [...]
72 Wegen dieser administrativen Hindernisse, die unter Umständen erst im Klagewege überwunden werden müssen, und vor allem im Hinblick auf die langen Wartezeiten erscheint es im Ergebnis wenig wahrscheinlich, dass anerkannt Schutzberechtigte nach einer Rückkehr zeitnah Unterkunft in einer Sozialwohnung in Italien finden können.
73 cc) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der reguläre (private) Wohnungsmarkt nach Italien zurückkehrenden international Schutzberechtig-ten im Regelfall schon aufgrund unzureichender finanzieller Mittel nicht offensteht [...].
75 dd) In der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte wird überwiegend festgestellt, dass nach Italien zurückkehrende international Schutzberechtigte ohne besondere Vulnerabilitäten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in einer nichtstaatlichen (Not-)Unterkunft ein (jedenfalls zeitweiliges) Obdach finden können [...].
86 Die zahlreichen Berichte über eine Vielzahl von Unterkunftsmöglichkeiten ver-schiedenster Art rechtfertigen gleichwohl die Prognose, dass es nichtvulnerab-len international Schutzberechtigten mit einer hinreichenden, das "real risk" ei-ner Verletzung von Art. 4 GRC ausschließenden Wahrscheinlichkeit möglich ist, eine solche zeitweilige und ggf. provisorische, aber noch menschenwürdige Un-terkunft zu finden, auch wenn es keine Daten über die gesamte Anzahl derartiger – durch sehr verschiedene Anbieter zur Verfügung gestellter – Unterkunfts-plätze gibt. Einzelne Berichte über eine verbreitete Obdachlosigkeit, auch von Schutzberechtigten, in Italien, sind nicht derart substantiiert und aktuell, dass sie den Schluss auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfehlung der Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung zuließen. Eine entsprechende Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem Jahr 2022 stellt vage fest, "viele" Personen mit Schutzstatus in Italien lebten langfristig auf der Straße oder in informellen Unterkünften. Die Wahrscheinlichkeit, dass die zurücküberstellten Personen ohne Unterkunft blieben, sei sehr hoch und habe sich im Zuge der Covid-19-Pandemie und mit dem Ukraine-Krieg noch zusätzlich erhöht. Konkret untermauert wird dies lediglich mit der Angabe, 2018 habe MSF (Médecins sans Frontières) die Zahl der "außerhalb des Systems" lebenden "Personen aus dem Asylbereich" mit 10 000 Personen bezif-fert (SFH, Auskunft an VG Karlsruhe, 29. April 2022, S. 6, 9). Diese Zahl ist we-der aktuell, noch ist sie hinreichend klar auf den Maßstab des Art. 4 GRC bezo-gen; sie ist zudem nicht auf international Schutzberechtigte beschränkt. Ange-sichts der hohen Zahlen der in Italien aufhältigen Personen aus dem Asylbe-reich, die schon mit Blick auf die o. g. Ankunftszahlen in den Jahren 2023 und 2024 um ein Vielfaches höher liegen müssen, trägt diese Aussage auch sonst nicht die Annahme, zurückkehrende Schutzberechtigte fänden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keinerlei Obdach im oben beschriebenen Sinne. Dass der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht der Maßstab des Art. 4 GRC zugrunde liegt, bestätigt die darin wiedergegebene Aussage, Borderline-Europe betone, dass "Schlafsäle und Notunterkünfte keinerlei zusätzliche Un-terbringungsmöglichkeit zu staatlichen Unterkünften darstellen würden". Das-selbe gilt für den Hinweis, dieses System garantiere nicht die Kontinuität der Dienste und die Angemessenheit der Leistungen (a. a. O., S. 5). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass in Italien Ende Dezember 2021 96 197 Personen obdachlos und hiervon 38 % ausländische Bürgerinnen und Bürger waren. Es gibt keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele von diesen einen Schutzstatus in-nehatten (BAMF, Auskunft an OVG Schleswig, 8. Dezember 2023, S. 5).
87 Die obige Bewertung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die Si-tuation durch die zusätzlichen rund 194 700 (bis August 2024) hinzugekomme-nen Flüchtlinge aus der Ukraine zweifellos verschärft hat. Für einen Teil der ukrainischen Flüchtlinge stehen auch Plätze im SAI-Netzwerk zur Verfügung. Konkrete Berichte über eine zahlenmäßig ins Gewicht fallende Zunahme von Schutzberechtigten ohne menschenwürdige (Not-)Unterkunft sind auch seit Be-ginn dieses Konflikts nicht bekannt geworden. Soweit von einer erheblichen Re-duzierung der in Notunterkünften verfügbaren Plätze aufgrund der Covid-19-Pandemie berichtet worden ist [...], bestehen für ein aktuelles Fortbestehen dieser Lage keine Anhaltspunkte.
88 Schließlich war in die Gesamtwürdigung einzustellen, dass der hier zu beurtei-lenden Personengruppe der nichtvulnerablen Schutzberechtigten ein höheres Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative abzuverlangen ist, als vul-nerablen Personen, und dass bei diesen auch keine besonderen Bedürfnisse bei der Unterbringung zu berücksichtigen sind.
89 Auch weibliche Schutzberechtigte müssen sich auf die vorgenannten Unter-künfte verweisen lassen. Ein erhebliches Risiko sexueller Übergriffe in den in Betracht kommenden (Not-)Unterkünften ist weder substantiiert aufgezeigt noch sonst erkennbar. Die Aussage der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, es gebe "Ausbeutung und ein großes Risiko sexueller Übergriffe" (SFH, Auskunft an VG Karlsruhe, 29. April 2022, S. 6) bezieht sich auf eine einzelne konkret be-nannte Unterkunft und ist nicht näher untermauert worden. Die verallgemei-nernde Aussage, durch die Selbstverwaltung und das "Leben in einer <Grauzone> besteht die Gefahr von Missbrauch und Ausbeutung" (ebd.), entbehrt jeder Substantiierung.
90 Nichtvulnerablen Schutzberechtigten (jeden Geschlechts) ist es nach alledem zumutbar, sich darüber zu informieren, an welchem Ort und bei welchem An-bieter noch Kapazitäten bestehen und ihren Aufenthalt gegebenenfalls dorthin zu verlagern [...]. Die vorstehende Lagebewertung zu dem Teilaspekt Unterkunft wird im Übrigen (ohne dass dies für den Senat entscheidungserheblich gewesen wäre) bestätigt durch die Angaben der Klägerinnen im vorliegenden und in dem gemeinsam mit diesem verhandelten Verfahren BVerwG 1 C 23.23 zu ihrer jeweiligen Unterbringung in Italien. So hat die Klägerin des vorliegen-den Verfahrens im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwal-tungsgericht angegeben, sie habe von der Hilfsorganisation "Santi Gideo" (ver-mutlich Sant'Egidio) eine Unterkunft und Lebensmittel per Coupon erhalten. Die Klägerin des Verfahrens BVerwG 1 C 23.23 hatte vorgetragen, sie sei in einer Kirche in Mailand untergebracht gewesen, in der sie Kleidung und 75 € monat-lich erhalten habe.
91 d) Zur Gewährleistung der weiteren Grundbedürfnisse, namentlich des Verpfle-gungsbedarfs, können nach Italien zurückkehrende nichtvulnerable Schutzbe-rechtigte mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nicht auf staatliche Sozialleistungen zurückgreifen (aa). Auch insoweit existieren aber Angebote von Hilfsorgani-sationen und karitative Einrichtungen, die zur Abwendung einer extremen ma-teriellen Notlage zumindest beitragen können (bb).
92 aa) Für nichtvulnerable Schutzberechtigte, die keinen Platz in einer staatlichen Unterbringungseinrichtung haben, ist keine ohne Weiteres durchsetzbare Mög-lichkeit ersichtlich, ihre Grundbedürfnisse durch Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen zu sichern [...].
98 bb) Angebote von Hilfsorganisationen und karitativen Einrichtungen können zur Abwendung einer extremen Notlage bei rückkehrenden anerkannt Schutz-berechtigten zumindest beitragen. Anders als bei einer Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung wie dem SAI ist bei den für zurückkehrende nichtvul-nerable Schutzberechtigte in Betracht kommenden Unterkünften eine Verpfle-gung zwar häufig nicht inbegriffen. Teilweise ist das aber durchaus der Fall. So bieten etwa kommunale Unterkünfte Bett, Bad und drei Mahlzeiten (vgl. BAMF, Auskunft an OVG Bautzen, 4. Februar 2022, S. 7). Kommunen bewerten die in-dividuelle Unterstützungsbedürftigkeit der Antragsteller und vergeben – ohne Rechtsanspruch – Leistungen im Rahmen der verfügbaren Budgets (BAMF, a. a O., S. 13). Zudem gibt es eine ganze Reihe karitativer, teils kirchlicher Ein-richtungen, die Mahlzeiten anbieten (vgl. für Rom Sant'Egidio 2024, Roma - Dove mangiare, dormire, lavarsi, S. 11 ff.). Auch die Schweizerische Flüchtlings-hilfe erwähnt karitative Suppenküchen (SFH, Auskunft an VG Karlsruhe, 29. April 2022, S. 5). Auf diese Weise können nichtvulnerable Schutzberechtigte jedenfalls für eine Übergangszeit ihren Verpflegungsbedarf zumutbar abdecken. [...]
100 aa) Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten zählen auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten "Schatten- oder Nischenwirtschaft" angesiedelt sind (BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 - BVerwGE 175, 227 Rn. 17 m. w. N.).
101 Soweit die Schattenwirtschaft bei einer weiten Definition auch kriminelle und andere staatlich sanktionierte Tätigkeiten erfasst (vgl. Schneider/Boockmann, Die Größe der Schattenwirtschaft - Methodik und Berechnungen für das Jahr 2024, Institut für angewandte Wirtschaftsforschung e. V. an der Johannes Kepler Universität Linz, Linz/Tübingen, vom 30. Januar 2024, S. 5 f.), können Schutzberechtigte darauf zur Existenzsicherung allerdings nicht verwiesen werden. Eine Tätigkeit, bei der die Schutzberechtigten selbst einer straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung ausgesetzt wären, ist ihnen nicht zuzumuten. Anders verhält es sich bei einer Erwerbstätigkeit, die im Prinzip auch le-gal ausgeübt werden kann, die jedoch den öffentlichen Stellen zur Vermeidung von Steuern und Sozialbeiträgen nicht gemeldet wird, sofern dies für den Schutzberechtigten als Arbeitnehmer nicht sanktionsbewehrt ist oder Sanktio-nen gegen ihn jedenfalls tatsächlich nicht verhängt werden (dazu noch offenlas-send BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 B 66.21 - juris Rn. 30). Unter diesen Voraussetzungen ist Schutzberechtigten daher – zumindest für eine Übergangszeit – auch Schwarzarbeit zumutbar. Die allgemeinen Bemühungen der Europäischen Union und Italiens zur Bekämpfung von Schwarzarbeit ste-hen dem nicht entgegen (anders OVG Münster, Urteil vom 21. Januar 2021 - 11 A 2982/20.A [ECLI:DE:OVGNRW:2021:0121.11A2982.20A.00] - juris Rn. 84 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. August 2024 - 18a L 1299/24.A [ECLI:DE:VGGE:2024:0823.18A.L1299.24A.00] - juris Rn. 24 ff.). Ist Schwarz-arbeit in der Bevölkerung derart weit verbreitet wie in Italien (dazu unten bb) (3)), kann ihre effektive Bekämpfung nicht mehr durch das Verhalten von Einzelpersonen, sondern nur noch durch engmaschige staatliche Kontrollen und spürbare Sanktionierungen von Arbeit- und Auftraggebern bei Verstößen erreicht werden (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 25. Januar 2024 - 4 LB 3/23 [ECLI:DE:OVGSH:2024:0125.4LB3.23.00] - juris Rn. 104; ebenso im Ergebnis VGH Kassel, Urteil vom 6. August 2024 - 2 A 1131/24.A [ECLI:DE:VGHHE:2024:0806.2A1131.24.00] - juris Rn. 117, zu Griechenland; sowie VG Hamburg, Urteil vom 15. August 2024 - 12 A 3228/24 [ECLI:DE:VGHH:2024:0815.12A3228.24.00] - juris Rn. 75 m. w. N.).
102 bb) Die Einschätzung des Berufungsgerichts (BA S. 14, unter Verweis auf das Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG - juris Rn. 49 ff., 72 ff.) und weiterer Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe (VGH München, Urteil vom 21. März 2024 - 24 B 23.30860 - juris Rn. 39; OVG Schleswig, Urteil vom 25. Januar 2024 - 4 LB 4/23 [ECLI:DE:OVGSH:2024:0125.4LB4.23.00] - juris Rn. 95 ff.; OVG Bautzen, Urteil vom 14. März 2022 - 4 A 341/20.A [ECLI:DE:OVGSN:2022:0314.4A341.20.A.00] - juris Rn. 52 ff.; VGH Mannheim, Beschluss vom 8. November 2021 - A 4 S 2850/21 - juris Rn. 12; OVG Greifswald, Urteil vom 19. Januar 2022 - 4 LB 68/17 [ECLI:DE:OVGMV:2022:0119.4LB68.17.00] - juris Rn. 30 ff.), wonach nach Italien zu-rückkehrende international Schutzberechtigte oder sogenannte Dublin-Rück-kehrer grundsätzlich auch durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (mit) für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten, deckt sich mit der aktuellen Erkenntnis-lage. Danach haben die Betroffenen Zugang zum italienischen Arbeitsmarkt ((1)), die aktuelle Arbeitsmarktlage lässt eine Beschäftigungsmöglichkeit hinrei-chend wahrscheinlich erscheinen ((2)) und es besteht jedenfalls auch die Mög-lichkeit einer in Italien zumutbaren informellen Erwerbstätigkeit in Form von Schwarzarbeit ((3)). [...]
105 In Italien erreichte die Beschäftigung im Jahr 2022 wieder das Niveau von 2019, allerdings mit einem differenzierten Wachstum je nach Staatsbürger-schaft mit einem stärkeren Anstieg der Ausländer (+ 5,2 %) im Vergleich zu Ita-lienern (+ 2,1 %). Insgesamt machten in 2023 Ausländer 10,3 % der gesamten Erwerbsbevölkerung und 16,0 % der Arbeitslosen aus. Darüber hinaus weisen ihre Anteile an der Gesamtbeschäftigtenzahl erhebliche Schwankungen auf: we-niger als 1 % in der öffentlichen Verwaltung, etwa 2 % im Kredit- und Versiche-rungssektor sowie im Bildungswesen, 15,6 % im Baugewerbe, 17,0 % in Hotels/Restaurants und in der Landwirtschaft und 62,2 % in Familiendienstleistungen. Im Bereich der Hausarbeit hingegen, in dem 70 % der Arbeitnehmer Einwande-rer sind, kam es im Jahr 2022 zu einem Rückgang der Zahl der Beschäftigten, insbesondere bei Ausländern. Letztere belaufen sich auf rund 622 000, was ei-nem Rückgang von 8,4 % entspricht, und was in vielen Fällen auf eine Verlage-rung hin zur nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit hindeutet (Help Desk, Statis-tical Dossier on Immigration 2023, 9. November 2023). Die Arbeitslosigkeit von international schutzberechtigten Personen wurde Anfang 2021 auf 17,8 % ge-schätzt, wobei Frauen aus diesem Personenkreis zu 34,9 % erwerbslos seien. Gleichwohl erreiche auch die Erwerbsquote dieses Personenkreises fast die Er-werbsquote von Italienern, das gelte erst recht, wenn nur männliche Schutzbe-rechtigte betrachtet werden [...].
108 Die größten Beschäftigungssektoren für Migranten sind der Pflegedienstleis-tungssektor (47,2 %), die Landwirtschaft (18,6 %), das Baugewerbe (16,6 %) so-wie der Sektor Handel, Verkehr, Wohnungswesen und Gastronomie (16,2 %) (Dotsey/Lumley-Sapanski, Temporality, refugees, and housing: The effects of temporary assistance on refugee housing outcomes in Italy, Cities 2021, S. 4).
109 Migranten sind eine wichtige Ressource für Italien: Nach Abzug der Aufnahme-kosten in Höhe von ca. zwei Milliarden € erwirtschaften die Geflüchteten durch ihre Arbeit einen positiven Saldo von ca. 6,5 Milliarden €. Allein in der Land-wirtschaft liegt die Quote der illegalen Beschäftigung bei 39 % und ist somit ein Geschäft mit der irregulären Arbeitskraft von Landarbeitern in Höhe von ca. 4,8 Milliarden € (Telepolis, Migranten: Warum sie eine Ressource für Italien sind, 21. August 2024). Auch der UNHCR führt in Übereinstimmung mit dieser Lagebeurteilung aus, dass das wirtschaftliche Wachstum in Italien nach der Co-vid-19-Pandemie sehr groß und dass ein dementsprechender Bedarf an Arbeits-plätzen vorhanden sei. Allein durch ein Netzwerk von Privatunternehmen konn-ten bereits etwa 5 000 Migranten in den italienischen Arbeitsmarkt integriert werden (AA, BMI und BAMF, Gemeinsamer Bericht, September 2022, S. 28). Der italienische Arbeitsmarkt ist aus demografischen Gründen auf Migration angewiesen (RESPOND, Integration, Policies, Practices and Experiences, Italy Country Report, 1. Juni 2020, S. 26). Verschiedene Quellen thematisieren den Anstieg ausländischer Arbeitskräfte und den Arbeitskräftemangel, insbesondere im Tourismus, der Landwirtschaft und dem Gesundheitswesen. Zugleich wer-den Bestrebungen der italienischen Regierung beschrieben, wonach ausländi-schen Arbeitskräften der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden soll (vgl. Euractiv, 5. Oktober 2023, www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/italien-zwischen-migrationstopp-und-fachkraeftemangel/; OECD, Inter-national Migration Outlook 2023, 47th edition, S. 19). International Schutzbe-rechtigte erhalten knapp 80 % des Durchschnittsgehalts von Beschäftigten mit italienischer Staatsangehörigkeit, und es bestehen fast keine Unterschiede im Vergleich zu den in Italien arbeitenden Staatsangehörigen eines anderen Mit-gliedstaates der Europäischen Union (De Sario, Migration at the crossroads. The inclusion of asylum seekers and refugees in the labour market in Italy, 2021, S. 214, www.etui.org/sites/default/files/2021-01/Chapter7-Migration%20at%20the%20crossroads.%20The%20inclusion%20of%20asylum%20seekers%20and%20refugees%20in%20the%20labour%20market%20in%20Italy.pdf). Die Arbeitslöhne haben sich leicht verbessert auf durchschnittlich 45 bis 50 € Arbeitslohn für acht Stunden (Summary Rosarno Observatory, 20. Juli 2023, S. 4 f.).
110 (3) Schattenwirtschaft ist in Italien weit verbreitet. Sie deckte 2023 21,6 % des italienischen Bruttoinlandsprodukts ab und lag in den vergangenen 10 Jahren um die 20 % (Statista, Prognose zum Umfang der Schattenwirtschaft in Ländern der OECD 2024, 28. Mai 2024). Schwarzarbeit gilt in Italien als "Kavaliersde-likt". Etwa 10 % der Bevölkerung Italiens arbeiteten nach Angaben des italieni-schen Statistikamtes ISTAT in der Schattenwirtschaft, eine Million Haushalte leben ausschließlich von irregulärer Arbeit (Handelsblatt, Schattenwirtschaft, Italien forciert den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit, 18. August 2020). Schätzungen zufolge arbeiten in Italien mindestens 3,7 Milli-onen Menschen illegal, das heißt ohne steuerliche Abgaben zu leisten und ver-traglich oder beitragsrechtlich abgesichert zu sein. ISTAT schätzte für 2019 den Anteil der "nicht beobachtbaren Wirtschaft" (Summe aus Schwarzarbeit und weiterer illegaler Angaben) auf 11,3 % des Bruttoinlandsprodukts (AA, BMI und BAMF, Gemeinsamer Bericht, September 2022, S. 18).
111 Schwarzarbeit wird europaweit bekämpft. Das Europäische Parlament und der Rat haben durch Beschluss 2016/344/EU vom 9. März 2016 (ABl. L 65 vom 11. März 2016 S. 12) eine "Europäische Plattform zur Stärkung der Zusammen-arbeit bei der Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit" eingerichtet, die unter anderem den Ländern der Europäischen Union helfen solle, wirksa-mer den verschiedenen Formen der Schwarzarbeit zu begegnen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 20. Juli 2021 - 11 A 1689/20.A [ECLI:DE:OVGNRW:2021:0720.11A1689.20A.00] - juris Rn. 133 f.). Auch Italien versucht, mit um-fangreichen Maßnahmen gegen Schwarzarbeit vorzugehen; so drohen etwa bei Verstößen Geldstrafen von 2 000 bis 50 000 € (Handelsblatt, Schattenwirt-schaft, Italien forciert den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Schwarzar-beit, 18. August 2020). In den vergangenen Jahrzehnten ist in Italien ein dra-matischer Anstieg von Schwarzarbeit, illegalen Anwerbungsmethoden und da-mit einhergehender Ausbeutung von ausländischen Arbeitskräften zu verzeich-nen gewesen (sog. "caporalato"). Zur Bekämpfung dieser Zustände sind beste-hende Strafen verschärft und neue Straftatbestände gegen kriminelle Arbeitgeber geschaffen worden; der italienische Staat gehe vermehrt gegen illegale Be-schäftigung und Ausbeutung von Ausländern vor (RESPOND, Integration, Poli-cies, Practices and Experiences, Italy Country Report, 1. Juni 2020, S. 27 f.). Die Beklagte verweist auf das Gesetz 199/2016, durch das strengere Maßnahmen ge-gen die Ausbeutung von Arbeitskräften und die nicht angemeldete Erwerbstä-tigkeit eingeführt wurden, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Agrarsektor liegt. Das Arbeitsministerium hat einen "Arbeitsausschuss für die Festle-gung einer neuen Strategie zur Bekämpfung der illegalen Anwerbung und Aus-beutung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft" eingesetzt. In diesem Aus-schuss sind mehrere Institutionen, sowohl auf zentraler als auch auf lokaler Ebene, Sozial- und Wirtschaftspartner sowie internationale Organisationen ver-treten. Der Ausschuss steht unter dem Vorsitz des Arbeitsministers und sein Mandat läuft bis 2025. Im ganzen Land wurden zahlreiche Maßnahmen finan-ziert, durchgeführt und geplant, um das Phänomen der Ausbeutung von Ar-beitskräften zu überwachen und zu bekämpfen. Diese Maßnahmen konzentrie-ren sich auch auf die Identifizierung, den Schutz und die Unterstützung der Op-fer von Arbeitsausbeutung, wobei ausländischen Bürgern besondere Aufmerk-samkeit gewidmet wird. "Nicht angemeldete" oder "irreguläre" Arbeit ist in Ita-lien illegal und wird nach mehreren verwaltungs-, straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen geahndet und verfolgt. [...] Im Dezember 2022 wurde der Natio-nale Plan zur Bekämpfung der Schwarzarbeit 2023 - 2025 aufgestellt, der die Einrichtung des Nationalen Portals für Schwarzarbeit (PNS), die Erhöhung der Kontrollen am Arbeitsplatz um 20 % und die Verschärfung von Sanktionen vor-sieht. Mit Dekret des Ministers für Arbeit und Sozialpolitik Nr. 57/2023 vom 6. April 2023 wurde ein Nationaler Ausschuss zur Verhütung und Bekämpfung der Schwarzarbeit mit der Aufgabe eingesetzt, die Umsetzung und den Fort-schritt der im nationalen Plan vorgesehenen Aktivitäten zu koordinieren und zu überwachen. Ein weiteres Dekret Nr. 58/2023 vom 6. April 2023 zur Aktualisie-rung des Nationalen Plans zur Bekämpfung von Schwarzarbeit für den Dreijah-reszeitraum 2023 - 2025 und des Umsetzungsfahrplans enthält "Maßnahmen zur Förderung der regulären Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in der Landwirtschaft durch die Bekämpfung illegaler Ansiedlungen und die Förde-rung aktiver politischer Aktionen", durch Vorbeugung, Überwachung und Be-kämpfung des Phänomens, Schutz und Hilfe für die Opfer der Ausbeutung und die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt. Hierunter fallen die Vorgaben zur Umwandlung in angemeldete Arbeitsverhältnisse. Laut dem Bericht der ameri-kanischen NGO Freedom House (https://freedomhouse.org/country/italy/free-dom-world/2023) bestehe hinsichtlich Menschenhandel und Ausbeutung von Arbeitskräften aber weiterhin Anlass zur Sorge, insbesondere in Bezug auf Asyl-suchende, Flüchtlinge und Migranten aus Osteuropa. Die Covid-19-Pandemie und die Energiekrise nach Beginn des Kriegs in der Ukraine hätten die Anfällig-keit der Migranten für Ausbeutung und die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen gesteigert. Der Handel mit Frauen und Mädchen zum Zwe-cke der sexuellen Ausbeutung gebe ebenso weiterhin Anlass zur Sorge (Revisi-onserwiderung vom 26. März 2024, S. 13 ff.). [...]
113 (4) Zusammenfassend ist festzustellen, dass international Schutzberechtigte in Italien nach der geltenden Rechtslage den gleichen ungehinderten Zugang zum Arbeitsmarkt haben wie italienische Beschäftigte. Insbesondere berechtigt der Aufenthaltsstatus zur Erwerbstätigkeit. Zur Arbeitsplatzsuche und beruflichen Qualifizierung stehen ihnen staatliche sowie nichtstaatliche Unterstützungs-möglichkeiten und -programme zur Verfügung. Ausländer machen etwa 10 % der gesamten italienischen Erwerbsbevölkerung aus. Die Beschäftigungsquote der Gesamterwerbsbevölkerung entspricht etwa der von "Zuwanderern", wobei sie bei Frauen im Vergleich zu Männern niedriger liegt. Die größten Beschäfti-gungssektoren für "Migranten" sind der Pflegedienstleistungssektor, die Land-wirtschaft, das Baugewerbe sowie der Sektor Handel, Verkehr, Wohnungswesen und Gastronomie. Es besteht ein Beschäftigungsmarkt gerade auch für geringfü-gig Qualifizierte, die einen nicht unerheblichen Teil des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Der italienische Arbeitsmarkt ist – nicht zuletzt auch aus demo-grafischen Gründen – auf Migration angewiesen, was etwa durch die Anwer-bung ausländischer Arbeitskräfte, insbesondere als Saisonarbeitskräfte belegt wird. International Schutzberechtigte erhalten knapp 80 % des Durchschnitts-gehalts von Beschäftigten mit italienischer Staatsangehörigkeit, und es bestehen fast keine Unterschiede im Vergleich zu den in Italien arbeitenden Staatsange-hörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union. Schattenwirt-schaft ist in Italien weit verbreitet und deckt im Durchschnitt der vergangenen Jahre etwa 20 % des Bruttoinlandsprodukts ab, wobei dort geschätzt mindes-tens 3,7 Millionen Menschen arbeiten. Italien hat eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, insbesondere in der Landwirtschaft, ergriffen. Sanktionen richten sich dabei erkennbar allein gegen kriminelle Arbeitge-ber, etwa wegen Steuerhinterziehung, Nichtabführen von Sozialabgaben, fehlen-der Anmeldung und Ausbeutung von Arbeitnehmern sowie illegaler Anwer-bungsmethoden und Menschenhandels. Betroffenen Arbeitnehmern wird dage-gen Hilfe als Opfer von Ausbeutung und Unterstützung zur Umwandlung in an-gemeldete Arbeitsverhältnisse angeboten. Die aktuell auf einem Tiefstand von rund 6 % angelangte Arbeitslosenquote und der erkennbare Bedarf an gering-qualifizierten Beschäftigten belegen, dass es international Schutzberechtigten in Italien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit möglich erscheint, gegebenenfalls durch die angebotenen Unterstützungsmaßnahmen bei der Arbeitsvermittlung, eine Beschäftigung auf dem "legalen" Arbeitsmarkt zu finden. Auch wenn die Beschäftigungsquote ausländischer Frauen geringer ist, belegt sie ebenfalls ei-nen hinreichenden Beschäftigungsbedarf. Maßgebliche Faktoren für die Erlan-gung einer Beschäftigung sind dabei einerseits Eigeninitiative bei der Arbeits-platzsuche und der Wille, das erforderliche Verfahren bei der staatlichen Ar-beitsverwaltung zu durchlaufen. Soweit es dem genannten Personenkreis weit-gehend an lokalen Netzwerken, beruflichen Qualifikationen und Sprachkennt-nissen fehlt, wird ebenfalls Unterstützung angeboten. Mit dem erzielbaren Er-werbseinkommen lassen sich – gegebenenfalls unter zusätzlicher Inanspruch-nahme der unter d) bb) genannten Unterstützungsangebote – jedenfalls die ele-mentarsten Bedürfnisse im Sinne des strengen Maßstabs der oben geschilderten Rechtsprechung decken. Selbst wenn dies nicht gelingen sollte, erscheint eine informelle Erwerbstätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft möglich und zu-mutbar. Wie deren Anteil an der Gesamtwirtschaft Italiens belegt, besteht auch hier erheblicher Beschäftigungsbedarf.
114 Soweit das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hingegen zu der Überzeugung gelangt ist, international Schutzberechtigte seien im Fall der Rückkehr nach Italien nicht in der Lage, sich aus eigenen, durch Erwerbstä-tigkeit zu erzielenden Mitteln mit dem für ein Überleben notwendigen Gütern zu versorgen (Urteil vom 20. Juli 2021 - 11 A 1674/20.A - juris Rn. 102 ff.), ba-siert dies zum einen auf einer seinerzeit prognostizierten Arbeitslosenquote für 2021 von 10 % und den durch die Covid-19-Pandemie bedingten Einschränkungen am Arbeitsmarkt, die sich in der aktuellen Erkenntnislage nicht mehr wi-derspiegeln. Zum anderen hält es entgegen dem oben dargelegten Maßstab eine Tätigkeit in der sogenannten Schattenwirtschaft generell für unzumutbar. [...]
123 Diese Erkenntnislage ist zusammenfassend dahin zu würdigen, dass nach Ita-lien zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten die Registrierung beim SSN und der Erhalt der Gesundheitskarte möglich und damit die medizinische Grundversorgung – ungeachtet möglicher Probleme bei der sprachlichen Ver-ständigung – hinreichend gewährleistet ist. Namentlich haben sie unter densel-ben Voraussetzungen wie italienische Staatsangehörige bei Unterschreitung be-stimmter Einkommensgrenzen oder Arbeitslosigkeit Anspruch auf Befreiung von etwa erforderlichen Zuzahlungen ("Tickets"). Ein Anspruch auf Notversor-gung besteht auch bereits vor der erfolgten Registrierung beim SSN. Nach die-ser Erkenntnislage ist nicht zu erwarten, dass nichtvulnerable Schutzberechtigte nach ihrer Rückkehr nach Italien in absehbarer Zeit mit beachtlicher Wahr-scheinlichkeit wegen Mängeln der medizinischen Versorgung in eine mit Art. 4 GRC unvereinbare Lage geraten.
124 2.2.3 Zusammenfassend lassen sich bei den Aufnahme- und Lebensbedingun-gen der Personengruppe der nichtvulnerablen Schutzberechtigten in Italien ak-tuell keine Schwachstellen feststellen, die die für eine Verletzung von Art. 4 GRC erforderliche besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einer Rückkehr nach Italien in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hy-giene zu befriedigen. Das gilt auch für weibliche Schutzberechtigte. Da auch die Klägerin zu dieser Gruppe zählt (siehe oben 2.1 b)) und die Beurteilung der ab-schiebungsrelevanten Lage nicht von weiteren individuellen, vom Berufungsge-richt bisher nicht festgestellten Umständen abhängt, kann der Senat die im vor-liegenden Verfahren ergangene Unzulässigkeitsentscheidung abschließend be-stätigen. [...]