Abschiebungsverbot für alleinerziehende Kurdin aus der Türkei:
Eine Mutter von fünf minderjährigen Kindern mit Betreuungsbedarf wird ohne familiären Rückhalt ihr Existenzminimum in der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht sichern können. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich um eine Frau ohne Ausbildung und nennenswerte Arbeitserfahrung handelt.
(Leitsatz der Redaktion)
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Denn es ist in diesem Einzelfall nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1. als alleinerziehende Mutter ohne familiären Rückhalt das Existenzminimum für sich und ihre fünf minderjährigen Kinder nicht wird sicherstellen können. Zwar können Personen, die freiwillig in die Türkei zurückkehren, im Rahmen des "REAG/GARP-Rückkehrprogramms" finanzielle Hilfen erhalten. Zusätzliche Unterstützung bietet auch das Programm "Starthilfe Plus", das Sachleistungen für den Bereich Wohnen, wie z.B. Kosten für Miete, Bau- und Renovierungsarbeiten bietet. [...]
Allerdings leidet die türkische Bevölkerung zunehmend unter der Inflation. Der Wertverlust der türkischen Lira setzte sich auch 2023 fort. Breite Teile der Bevölkerung profitieren nicht vom Wirtschaftswachstum, da Lohnsteigerungen nicht mit der hohen Inflation Schritt halten. Die Arbeitslosigkeit sank zuletzt zwar, liegt mit 9,7 Prozent (Januar 2023) aber immer noch auf hohem Niveau, bei einer ebenfalls hohen Unterbeschäftigungsquote von knapp 22 Prozent. Der Anteil der Bevölkerung, der in Armut lebt, steigt wieder an. Es gibt keine dem deutschen Recht vergleichbare staatliche Sozialhilfe, sondern eine Vielzahl von Einzelhilfen mit niedrigem Leistungsniveau. Unterkünfte im unteren Preissegment sind Mangelware. [...]
Davon ausgehend ist grundsätzlich zu konstatieren, dass türkischen Staatsbürgern in der Türkei nur in Ausnahmefällen eine Verelendung droht. [...]
Ein solcher liegt hier allerdings zur Überzeugung der Einzelrichterin vor. In ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung schilderte die Klägerin zu 1. nachvollziehbar, dass sie im Falle ihrer Rückkehr mit den fünf minderjährigen Kindern, von denen jedenfalls die drei jüngsten noch Betreuungsbedarf haben, als alleinerziehende Mutter ohne familiären Rückhalt nicht in der Lage wäre, eine existenzsichernde Lebensgrundlage zu erlangen. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Klägerin zu 1. um eine ungelernte Frau handelt, die sich seit vielen Jahren beinahe ausschließlich um die Familie gekümmert hat und nur ab und zu durch Gelegenheitsjobs als Putzhilfe in ihrem Heimatort geringe Beiträge zum Familieneinkommen beitragen konnte. Hauptverdiener war stets der Ehemann bzw. Vater, der bei der Telekom beschäftigt war. Die Familie lebte nach der Ausreise des Ehemanns und Vaters von Ersparnissen und wohnte mietfrei. Allerdings ist die Eigentumswohnung der Familie zur Finanzierung der Ausreise der Kläger verkauft worden, so dass eine Wohnung anzumieten wäre. Der Erhalt ausreichender Sozialleistungen für die ungebildete und völlig auf sich allein gestellte Klägerin zu 1. erscheint im Gesamtkontext auch nicht beachtlich wahrscheinlich. [...]