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VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2024 - 21 K 2068/24.A - asyl.net: M32919
https://www.asyl.net/rsdb/m32919
Leitsatz:

Abschiebungsverbot wegen der humanitären Verhältnisse in Angola:

Alleinstehenden Frauen ohne soziales bzw. familiäres Netzwerk und ohne Ausbildung oder Berufserfahrung droht in Angola wegen der dortigen humanitären Verhältnisse erniedrigende und unmenschliche Behandlung. Die Lage alleinlebender Frauen ist geprägt von Diskriminierung, Gewalt und fehlende Möglichkeiten, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Angola, Abschiebungsverbot, alleinstehende Frauen, Frauen,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Für die Klägerin besteht aber ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). [...]

Eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht der Klägerin aufgrund der humanitären Verhältnisse in Angola und insbesondere in den Städten. [...]

Bezogen auf Angola ist der strengere Maßstab anzulegen, da die dortigen humanitären Verhältnisse nicht einem Akteur zugeordnet werden können, sondern das Resultat einer Vielzahl von Faktoren sind, zu denen die allgemeine wirtschaftliche Lage, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen sowie die Sicherheitslage gehören. [...]

Die Lage von allein lebenden Frauen [...] ist geprägt von Diskriminierung, Gewalt und extremen Bedingungen, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen. Personen, die nicht auf soziale Netze zurückgreifen können, haben ernsthafte Probleme, ihr Überleben zu sichern. Schon nach der bisherigen Erkenntnislage zur Situation der Frauen in Angola [...] galt, dass Frauen und Mädchen strukturell durch Gesetze und Traditionen diskriminiert und in den Bereichen Bildung, Politik, Arbeit und Einkommen grob benachteiligt werden. Die traditionellen Gesetze bezüglich Familien-, Besitz- und Erbrecht diskriminieren Frauen. Alleinerziehende Mütter haben in der angolanischen Gesellschaft kaum Chancen, da sie nicht akzeptiert werden und sich nur unter extremen Bedingungen eine Lebensgrundlage schaffen können.

Wohnraum, insbesondere in Luanda, ist sehr knapp. Personen, die nicht auf soziale Netze zurückgreifen können, haben ernsthafte Probleme, ihr Überleben zu sichern. Die medizinische Versorgung in Angola ist auf primärer, sekundärer und tertiärer Ebene unzureichend. Die primäre Gesundheitsversorgung ist schlecht entwickelt. Es gibt keinerlei Versicherungssystem wie Krankenkassen, private Krankenversicherungen oder ähnliches. Dies führt unter anderem dazu, dass die Nachfrage nach medizinischer Versorgung auch in den besser versorgten Gebieten niedrig ist. [...]

In der Person der Klägerin liegen [...] zwingende humanitären Gründe vor, die gegen eine Aufenthaltsbeendigung und für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG sprechen. Im Verfahren hat sich ergeben, dass Überwiegendes gegen die Annahme des Bundesamtes spricht, dass der Klägerin ein Einstieg in den informellen oder den formellen Sektor des angolanischen Arbeitsmarktes gelingen könnte, um sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage dauerhaft zu sichern.

Sie würde wohl schon bei Rückreise mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Auf die oben benannte Informationslage aufbauend dürfte die Klägerin, die über keinerlei sozial-familiäres Netzwerk in ihrer Heimat bei Rückkehr verfügt, bei Einreise nach Angola existenzielle Schwierigkeiten erleiden, weil sie schon über keine Anlaufstelle in Angola verfügt, von der aus sie sich ihr zukünftiges Leben vor Ort einrichten könnte; sie wird von Anfang an ihren Lebensunterhalt nicht erwirtschaften wird können und der Verelendung anheimfallen. Zwar hat sie nach ihren eigenen Angaben die Sekundarschule mit der Berechtigung zum Studium absolviert. Eine weiterführende Ausbildung hat sie aber nicht genossen; außerhalb des Haushalts ihrer Tante und der Freundin ihrer Tante war sie nie beruflich tätig. Weitergehende andere besondere Fähigkeiten, die sie beruflich einsetzen könnte, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin dürfte wenig Lebenserfahrung haben und wirkt aufgrund ihrer persönlichen Situation unsicher und gehemmt. [...] Vielmehr würde sie als junge unerfahrene Frau in besonderer Weise der Gefahr von Diskriminierung, Gewalt und extremen Bedingungen, sich eine Lebensgrundlage zu schaffen, ausgesetzt. Dazu gehört auch die Gefahr, sexuell ausgebeutet zu werden. Da sie über kein Schutz bietendes soziales Netz verfügt, kann sie auch nicht damit rechnen, dass sie vor Übergriffen beschützt wird. Sie würde ernsthafte Probleme haben, ihr Überleben zu sichern oder auch nur ihre Menschenwürde zu bewahren. [...]