Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet bei Minderjährigen:
Die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ist dann rechtlich ausgeschlossen, wenn der Antragstellende zwar zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses die Volljährigekit erreicht hat, zum Zeitpunkt der Anhörung aber noch minderjährig war. Die Vorschrift des § 30 Abs. 2 AsylG soll Minderjährige vor allem davor schützen, dass mögliche Angaben in der persönlichen Anhörung aufgrund der sozialen Entwicklung und der fehlenden Reife nicht geordnet und frei von Widersprüchen sind und zu einer ungerechtfertigten Aufenthaltsbeendigung führen.
(Leitsatz der Redaktion)
[...] im Hinblick auf die (unstreitige) Minderjährigkeit des Antragstellers im Zeitpunkt seiner Anhörung am 11. September 2023 - der Antragsteller wurde am 2. Januar 2024 volljährig - erweist sich der auf § 30 Abs. 1 AsylG gestützte Offensichtlichkeitsausspruch als rechtswidrig. [...]
Nach Art. 25 Abs. 6 Satz 2 Asylverfahrens-RL 2013/32/EU ist die Möglichkeit, von unbegleiteten Minderjährigen gestellte Schutzanträge gemäß Art. 31 Abs. 8 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrens- RL 2013/32/EU als offensichtlich unbegründet abzulehnen, auf Fälle beschränkt, in denen der Antragsteller - anders als es vorliegend der Fall ist - aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, ein Folgeverfahren führt oder eine Gefahr darstellt, was nunmehr auch § 30 Abs. 2 AsylG widerspiegelt. Die Anwendung des § 30 Abs. 1 AsylG ist daher vorliegend ausgeschlossen.
Die damit bestehende Rechtswidrigkeit des Offensichtlichkeitsausspruchs ist auch nicht dadurch geheilt (§ 45 VwVfG) oder unbeachtlich geworden (§ 46 VwVfG), dass der Antragsteller, der unstreitig nicht nur bei der Antragstellung, sondern auch zum Zeitpunkt seiner Anhörung noch minderjährig war, vor Erlass des Bescheids das 18. Lebensjahr vollendet hat. Der weitgehende Ausschluss der Offensichtlichkeitsablehnung durch Art. 25 Abs. 6 der Asylverfahrens-RL 2013/32/EU und § 30 Abs. 2 AsylG trägt unter anderem dem Umstand Rechnung, dass einem zum Zeitpunkt der Anhörung Minderjährigen aufgrund seiner sozialen Entwicklung und der fehlenden Reife die Fähigkeit fehlen kann, seine Fluchtgründe geordnet und frei von Widersprüchen darzulegen [...] und kompensiert das daraus erwachsenden Risiko einer materiell ungerechtfertigten Aufenthaltsbeendigung durch das Recht, in einem Klageverfahren mit aufschiebender Wirkung erneut mündlich gehört zu werden, bevor die Ausreisepflicht vollziehbar wird. Dieser Schutzbedarf besteht fort, wenn der zum Zeitpunkt der Anhörung minderjährige Antragsteller später volljährig wird. [...]