Flüchtlingsanerkennung für Kurdin aus der Türkei:
Aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, die Ausdruck einer bereits in der Türkei bestehenden politischen Grundhaltung ist und sich als Fortsetzung der Tätigkeit in Deutschland darstellt, ist einer Kurdin die Flüchtlingsanerkennung zuzusprechen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass sie in Deutschland in türkischsprachigen Medien teilweise unter Nennung ihres Namens zu sehen war.
(Leitsätze der Redaktion; siehe hinsichtlich Türkei die Beiträge im Themenschwerpunkt Asylverfahren türkischer Schutzsuchender im Asylmagazin 5/2023, S. 131-158)
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Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Klägerin zu 1. hier vor. Zur Überzeugung des Einzelrichters droht der Klägerin zu 1. jedenfalls aufgrund ihres umfangreichen exilpolitischen Engagements, aufgrund dessen sie öffentlich und in türkischen Medien in Erscheinung getreten ist und das sich als Fortsetzung ihres bereits in der Türkei entfalteten pro-kurdischen Engagements darstellt, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei staatliche Verfolgung aufgrund ihrer politischen Überzeugung.
Zur Überzeugung des Einzelrichters engagiert sich die Klägerin seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik exilpolitisch. So nimmt sie regelmäßig an prokurdischen Demonstrationen und Kundgebungen teil. Sie ist darüber hinaus im kurdischen Frauenrat Dest Dan e.V. aktiv und übernimmt dort ehrenamtliche Aufgaben. Dass sich die Klägerin in vorbezeichneter Weise in Deutschland insbesondere prokurdisch engagiert, steht sowohl aufgrund der Einlassungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung, an deren Glaubhaftigkeit keine Zweifel bestehen, als auch mit Blick auf die von ihrem Verfahrensbevollmächtigten vorgelegten Lichtbilder, welche in der Verhandlung in Augenschein genommen wurden, sowie der vorgelegten Bescheinigung des Vereins Dest Dan e.V. fest. Von entscheidender Bedeutung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend, dass die Klägerin aufgrund ihrer prokurdischen Aktivitäten in Deutschland in türkischsprachigen Medien, teilweise unter Nennung ihres Namens, zu sehen war. So erschien auf der Homepage der Yeni Özgür Politika ein Beitrag über ein kurdisches Kulturfestival in Frankfurt am Main, in dem die Klägerin auf einem Foto deutlich zu erkennen ist und ihr Name genannt wird. Des Weiteren wurde die Klägerin anlässlich des kurdischen Kulturfestivals in Frankfurt am Main vom kurdischen Fernsehsender Çira TV interviewt. Das entsprechende Video wurde auf dem YouTube-Kanal des Senders veröffentlicht.
Nach den Erkenntnissen zur Lage in der Türkei gemäß der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittelliste ist davon auszugehen, dass türkische Stellen Regierungsgegner im Ausland observieren und Tätigkeiten von in Deutschland registrierten Vereinen beobachten. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsartikel, können strafrechtlich verfolgt werden. Gleiches gilt für die Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten und ähnlichen Ereignissen, bei denen etwa Unterstützung für kurdische Belange geäußert wird (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 20. Mai 2024, Stand Januar 2024, S. 15). Für die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen reicht unter Umständen bereits die Mitgliedschaft in bestimmten deutschen Vereinen oder die Teilnahme an Veranstaltungen soeben beschriebener Art aus (vgl. Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 15 f.). Die Klägerin hat an solchen Veranstaltungen nicht lediglich teilgenommen, sondern ist aufgrund der Medienberichterstattung in besonderer Weise in Erscheinung getreten und exponiert. [...]