Kosten eines Haftaufhebungsverfahrens für eine Person des Vertrauens:
1. Wird ein Haftaufhebungsantrag durch die anwaltliche Vertretung und durch die Person des Vertrauens gestellt, so ist über beide Anträge durch das Amtsgericht einheitlich zu entscheiden. Es fehlt dem Antrag der Person des Vertrauens nicht am Rechtsschutzbedürfnis.
2. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Person des Vertrauens der beteiligten Behörde aufzuerlegen, da das Amtsgericht den Haftaufhebungsantrag der Person des Vertrauens ohne tragbare Begründung zurückgewiesen hat.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Das Amtsgericht Paderborn hat den Betroffenen am 24.10.2023 im Beisein seines Rechtsanwalts angehört. Im Rahmen der Anhörung erging ein Beschluss dahingehend, dass der Beschluss des Amtsgerichts Borken vom 28.09.2023 unter näher beschriebenen Auflagen außer Vollzug gesetzt wird. [...]
Mit weiterem Beschluss vom 24.10.2023 [...] hat das Amtsgericht Paderborn den Haftaufhebungsantrag vom 15.10.2023 – also den des Beteiligten zu 2) – und den Feststellungsantrag gleichen Datums zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der zweite Haftaufhebungsantrag bei Gericht zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, zu dem bereits ein gleichgelagerter Haftaufhebungsantrag des Rechtsanwalts vorgelegen habe. Der Beteiligte zu 2) sei auf das damit fehlende Rechtsschutzbedürfnis hingewiesen worden und habe dessen ungeachtet die Fortsetzung des Verfahrens erklärt. Ein wie auch immer geartetes Rechtsschutzinteresse des Betroffenen, einen zweiten, völlig inhaltsgleichen Haftaufhebungsantrag zu stellen, bestehe nicht. Über den ersten Haftaufhebungsantrag, der nach Mitteilung des Rechtsanwaltes priorisiert werden solle, habe das Gericht bereits entschieden. [...]
Mit Schreiben vom 28.10.2023 [...] hat der Beteiligte zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 24.10.2024 Beschwerde eingelegt und klargestellt, dass sich die Beschwerde allein auf das Verfahren beziehe, welches die Nichtzulassung seines Haftaufhebungsantrages betreffe. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Anzahl der Haftaufhebungsanträge nicht begrenzt sei. Vielmehr stelle der Haftaufhebungsantrag ein Mittel dar, dem Gericht mitzuteilen, dass der Grund der Freiheitsentziehung weggefallen sei. Da sich aber im Laufe der Haft verschiedene Gründe zum Wegfall der Freiheitsentziehung ergeben könnten, könne das Gericht die Haftaufhebungsanträge nicht begrenzen. [...]
Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat nach Umstellung auf den Kostenpunkt auch in der Sache Erfolg.
Es hätte hier ein einheitliches Haftaufhebungsverfahren geführt werden müssen oder aber dem Beteiligten zu 2), nachdem die Haft außer Vollzug gesetzt wurde, mitgeteilt werden müssen, dass hier bereits eine Außervollzugsetzung des Beschlusses erfolgt war. Dann hätte der Beteiligte zu 2) entscheiden können, ob er seinen Haftaufhebungsantrag weiterverfolgen will. Hier hat das Amtsgericht aber direkt im Anschluss an die Anhörung und die Außervollzugsetzung den Haftaufhebungsantrag des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen, ohne ihn zuvor zu informieren und dazu anzuhören. Die vom Amtsgericht Paderborn angenommene Begründung für den Zurückweisungsbeschluss trägt insoweit nicht. Für einen weiteren Haftaufhebungsantrag fehlte das Rechtsschutzinteresse nicht. Es war dem Beteiligten zu 2) trotz des bereits vom anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten gestellten Haftaufhebungsantrages unbenommen, einen weiteren Haftaufhebungsantrag zu stellen, der sodann zusammen mit dem weiteren gestellten Haftaufhebungsantrag einheitlich hätte durchgeführt werden müssen.
Angesichts der Tatsache, dass die Ereignisse aufgrund der bereits erfolgten Erledigung sowie der Rechtswidrigkeitsfeststellung erledigt bzw. überholt sind, konnte der Beteiligte zu 2) seine Beschwerde hier auf die Kosten beschränken.
Vor dem Hintergrund der hier nicht tragenden Begründung des Amtsgerichts zum Haftaufhebungsantrag entspricht es billigem Ermessen nach § 81 FamFG, der beteiligten Behörde die Auslagen des Beteiligten zu 2) aufzuerlegen.
Die Kammer hat hierbei die Rechtsgedanken des Art. 5 EMRK berücksichtigt. Gelangt das Rechtsmittelgericht zu der Feststellung (§ 62 Abs. 1 FamFG), dass eine Haftmaßnahme zu Unrecht angeordnet oder aufrechterhalten worden ist, entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Betroffenen der Billigkeit. Dieses Ergebnis wird maßgebend auf den Gedanken der Verwirklichung eines materiell-rechtlichen Entschädigungsanspruchs des Betroffenen aus Art. 5 Abs. 5 EMRK gestützt. Dies gilt, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit darauf beruht, dass die Haft von Anfang an nicht hätte angeordnet werden dürfen, etwa wegen Mängeln der Begründung des Antrags der Behörde oder Fehlens der sachlichen Haftvoraussetzungen. Diese Rechtsprechung erstreckt der BGH darüber hinausgehend auch auf Fälle, in denen Verfahrensfehler des Gerichts (bspw. unzureichende Anhörung oder Belehrung des Betroffenen, Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör) zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen [...]. Dies gilt nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für die Vertrauensperson [...]. Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Denn hier hat das Amtsgericht den Haftaufhebungsantrag aufgrund einer nicht tragbaren Begründung zurückgewiesen. [...]