Der Antrag auf mündliche Verhandlung muss wiederholt werden:
1. Der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften stellt im Rahmen des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, der die Verfahrensrüge auf die absoluten Revisionsgründe des § 138 VwGO beschränkt, – anders als in § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO – für sich genommen keinen Zulassungsgrund dar.
2. Weist das Verwaltungsgericht die Beteiligten eines Asylverfahrens nach § 77 Abs. 2 Satz 3 AsylG darauf hin, dass es beabsichtigt, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, obwohl die anwaltlich vertretenen Kläger bereits in der Klageschrift die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben, ist es möglich und zumutbar, (erneut) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Unterlässt ein Prozessbevollmächtigter dies und trägt lediglich in der Sache vor, liegt kein rügefähiger Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör vor.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
2. Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht auch dann mündlich verhandeln muss, wenn – wie hier – nach einem entsprechenden Hinweis innerhalb der gesetzten Frist kein Antrag nach § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG eingeht, bereits in der Klageschrift aber klar, eindeutig und vorbehaltlos der Wille zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden solle [...]. Denn der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften stellt im Rahmen des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, der die Verfahrensrüge auf die absoluten Revisionsgründe des § 138 VwGO beschränkt, – anders als in § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO – für sich genommen keinen Zulassungsgrund dar. Eine rügefähige Versagung des Rechts auf rechtliches Gehör liegt hier nicht vor. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen [...]. Werden Verfahrensvorschriften verletzt, deren Haupt- oder Nebenzweck es ist, den Beteiligten rechtliches Gehör zu verschaffen und damit auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz von Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen, so müssen sich die betroffenen Beteiligten zunächst im Rahmen des Prozessrechts das rechtliche Gehör verschaffen. Nur dann, wenn ihnen oder ihren Prozessbevollmächtigten dies nicht möglich ist, kann der Verfahrensverstoß zugleich zu einer Versagung rechtlichen Gehörs führen [...].
Die Kläger haben die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nicht genutzt. Sie wurden in dem Schreiben des Gerichts vom 09.09.2024 darauf hingewiesen, dass ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG nicht erforderlich sei und sie vor dem Erlass des Urteils einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG stellen könnten. Die Kläger mussten vor diesem Hintergrund davon ausgehen, dass das Verwaltungsgericht trotz ausdrücklicher Erklärung in der Klageschrift, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden zu sein, über die Klage im schriftlichen Verfahren entscheiden wird, wenn kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt wird. Als Reaktion auf das Schreiben des Gerichts vom 09.09.2024 haben die Kläger über ihren Prozessbevollmächtigten lediglich mitteilen lassen, dass sie als vulnerable Personen anzusehen seien. Sie haben es aber unterlassen, (erneut) ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen oder auf den bereits gestellten Antrag in der Klageschrift vom 17.05.2024 zu verweisen. Ein sorgfältig agierender Prozessvertreter hätte diesen Antrag aber wiederholt oder auf die bereits erfolgte Antragstellung in der Klageschrift verwiesen, wenn das Gericht durch das Hinweisschreiben zu erkennen gibt, dass es diesen Antrag übersehen hat oder für unbeachtlich erachtet [...]. Ein (erneuter) Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte den Klägern rechtliches Gehör verschafft. Denn es ist nicht anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht in diesem Fall – entgegen § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG – im schriftlichen Verfahren nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG entschieden hätte. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass es den Klägern nicht möglich oder unzumutbar war, sich so das rechtliche Gehör zu verschaffen. [...]