Erfolgreiche Berufung wegen Überschreitung der fünfmonatigen Begründungsfrist des Gerichts:
Macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, die Verkündung des Urteils durch dessen Zustellung zu ersetzen, so muss das vollständig abgefasste Urteil nach spätestens fünf Monaten an die Geschäftsstelle übergeben werden. Wird die Fünfmonatsfrist überschritten, gilt das Urteil als nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO). Ist ein Urteil nicht mit Gründen versehen, hat das Verwaltungsgericht nicht in der Sache entschieden. In diesem Fall ist auch eine weitere Verhandlung erforderlich, wenn die Sache nicht bereits entscheidungsreif ist.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
14 b) Der Verwaltungsgerichtshof darf nach § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Verwaltungsgericht unter anderem zurückverweisen, wenn das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:
15 aa) Das Verwaltungsgericht hat noch nicht in der Sache selbst entschieden, weil es die Fünfmonatsfrist zur Abfassung des vollständigen Urteils nicht gewahrt hat und das Urteil deshalb als nicht mit Gründen versehen gilt (§ 138 Nr. 6 VwGO).
16 (1) Das Verwaltungsgericht hat die Fünfmonatsfrist zur Abfassung des vollständigen Urteils nicht beachtet.
17 Es hat von der Möglichkeit des § 116 Abs. 2 VwGO Gebrauch gemacht und die Verkündung des Urteils durch dessen Zustellung ersetzt (vgl. SP S. 19). In einem solchen Fall ist entweder gemäß § 116 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO das vollständig abgefasste Urteil oder – in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwGO – zunächst nur die unterschriebene Urteilsformel binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.
18 Wird zunächst nur die unterschriebene Urteilsformel übergeben, so ist entsprechend § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO das vollständig abgefasste Urteil mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln. Damit soll sichergestellt werden, dass der Zusammenhang zwischen dem auf Grund der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung bzw. Entscheidungsfindung ergangenen Urteil einerseits und den schriftlich niederzulegenden Urteilsgründen andererseits nicht verlorengeht, insbesondere im Hinblick auf das mit der Zeit verblassende Erinnerungsvermögen des bzw. der Richter [...]. Die Urteilsgründe beruhen jedenfalls dann nicht mehr auf der mündlichen Verhandlung bzw. der anschließenden Beratung und Entscheidungsfindung, wenn die Übermittlung des vollständig abgefassten Urteils an die Geschäftsstelle nicht binnen fünf Monaten erfolgt [...]. Dabei wird im Fall des Verkündungsersatzes nach § 116 Abs. 2 VwGO unterschiedlich beantwortet, ob die Fünfmonatsfrist mit der mündlichen Verhandlung, der Übergabe der unterschriebenen Urteilsformel an die Geschäftsstelle bzw. spätestens zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung beginnen soll [...].
19 Vorliegend wurde ausweislich der Akten des Verwaltungsgerichts der unterschriebene Tenor am 6. März 2024 und damit innerhalb von zwei Wochen seit der mündlichen Verhandlung am 4. März 2024 an die Geschäftsstelle übermittelt. Allerdings wurde das vollständig abgefasste Urteil mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle erst am 23. August 2024 übergeben. Damit ist die Übergabe des vollständig abgefassten Urteils nach jeder der Auffassungen zum Beginn der Fünfmonatsfrist im Fall des § 116 Abs. 2 VwGO nicht binnen fünf Monaten erfolgt.
20 (2) Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. März 2024 ist deshalb nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO).
21 Ist die Fünfmonatsfrist nicht gewahrt, gilt ein Urteil als nicht mit Gründen versehen im Sinn des § 138 Nr. 6 VwGO [...]. Einem solchen Urteil beigefügte Gründe sind als nicht geschrieben zu behandeln [...].
22 (3) Ist ein Urteil im Sinn des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen bzw. gelten Gründe als nicht geschrieben, hat das Verwaltungsgericht auch nicht in der Sache entschieden [...].
23 bb) Es ist auch eine weitere Verhandlung der Sache erforderlich. Das ist lediglich dann nicht der Fall, wenn die Sache bereits entscheidungsreif ist [...]. Vorliegend ist die Sache nicht bereits entscheidungsreif, wie die in der vorsorglichen Berufungsbegründung aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen und die diversen (schriftsätzlichen) Beweisanträge der Kläger belegen.
24 cc) Die Zurückverweisung ist auch ermessensgerecht [...]. Sie dient der besseren Lastenverteilung zwischen Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof [...]. Dies gilt gerade in Asylstreitverfahren wie dem vorliegendem, in dem der Sachverhalt möglicherweise noch umfassend aufzuklären ist, wie die diversen (schriftsätzlichen) Beweisanträge der Kläger zeigen. Außerdem steht den Beteiligten nach einer Zurückverweisung und Entscheidung durch das Verwaltungsgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 AsylG eine weitere Tatsacheninstanz zur Verfügung. Eine Verkürzung des Rechtswegs wird so vermieden. [...]