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VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Beschluss vom 23.12.2024 - 5 E 1274/24 Me - asyl.net: M33012
https://www.asyl.net/rsdb/m33012
Leitsatz:

Keine Anhaltspunkte für Push-Backs von Dublin-Rückkehrenden: 

Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass aus Deutschland nach Kroatien im Rahmen der Dublin III-VO überstellte Personen, die bereits einen Asylantrag in Kroatien gestellt haben, von illegalen Abschiebungen über die Außengrenzen der EU betroffen sind. 

(Leitsatz der Redaktion; ausdrücklich entgegen VG München, Urteil vom 22.02.2024 - M 10 K 23.50597 - asyl.net: M32448)

Schlagwörter: Kroatien, Dublinverfahren, Zurückschiebung,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4
Auszüge:

[...]

Dass in Kroatien das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK darstellen, wird derzeit soweit ersichtlich nach einhelliger Rechtsprechung nicht angenommen [...]. Der Antragsteller hat solche auch nicht substantiiert dargelegt. Es ist davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Kroatien im Allgemeinen eingehalten werden. Dem Gericht liegen keine greifbaren Erkenntnisse darüber vor, dass dort systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorhanden sind. Im Gegenteil hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA) in seinem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kroatien [...] ausgeführt, dass in Kroatien ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit besteht.

Zur Versorgung des Asylantragstellers in Kroatien wird in diesem Bericht ausgeführt, dass dieser ein Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens hätte [...]. Dieses Recht gelte ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen würden und umfasse Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln [...]. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber werde jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylbewerber hätten keinen Zugang zu Jobtrainings, könnten aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten [...]. Die Asylbewerber hätten während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren [...]. Auf Antrag könnten sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfüge über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im "Hotel Porin" (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze); beide Zentren würden vom kroatischen Innenministerium geführt [...]. Antragsteller könnten bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben [...]. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliege und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen sei, müsse das Zentrum verlassen werden [...].

Für Vulnerable würden spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien gelten. Sie würden im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt; so diene das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylantragsteller [...].

Kroatien definiert sich selbst als Sozialstaat, in welchem sich fast alle politischen auf die Grundsätze eines Wohlfahrtsstaates, einschließlich eines öffentlichen Gesundheitssystems geeinigt hätten [...]. Asylbewerber hätten das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung sei in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem seien in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet worden. Das Kroatische Rote Kreuz biete ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehörten eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata. Zur spezialisierteren Behandlung würden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfüge. Im Spital in Zagreb seien eine Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus würden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch würden für die Asylbewerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt [...].

Die Einzelrichterin folgt nicht der Auffassung des VG München (U. v. 22.02.2024 - M 10 K 23.50597 -, juris), denn ungeachtet der Frage, ob an den Außengrenzen Kroatiens illegale Push-Backs stattfinden [...], was einen systemischen Mangel begründen könnte, liegen keine ausreichenden Erkenntnisse darüber vor, dass Dublin-Rückkehrer aus Deutschland von denen es im Jahr 2022 in Kroatien 167 und davon 89 aus Deutschland gegeben hat [...], die - wie der Antragsteller - bereits im kroatischen Asylsystem registriert sind, ohne eine Entscheidung über ihren Asylantrag über die EU-Außengrenze zurückgeschoben würden. Im vorliegenden Fall haben die kroatischen Behörden zudem ausdrücklich ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers erklärt [...].

Dies bestätigt auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner neusten Rechtsprechung vom 04.12.2023 [...]. Weder für nicht vulnerable noch für vulnerable Dublin-Rückkehrende besteht in Kroatien das "real risk" einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Dies gilt auch im Hinblick auf eine durch einzelne Verwaltungsgerichte unterstellte Gefahr, dass diese Personengruppen von Pushbacks oder Kettenabschiebungen betroffen sein könnten. Auch die auf Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO gestützte Zuständigkeitserklärung der kroatischen Behörden ist kein Indiz dafür, dass Kroatien die mit Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO einhergehenden Rechtspflichten unterlaufen werde. Kroatien hat seine Zuständigkeit ausdrücklich erklärt. [...]