Pflicht zur Bestellung einer anwaltlichen Vertretung:
1. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn die*der Betroffene in der Haftanhörung nicht gefragt wird, ob er*sie eine*n Wahlanwalt oder eine Wahlanwältin benennen möchte und stattdessen die Beiordnung eines Pflichtanwalts oder einer Pflichtanwältin erfolgt.
2. Die Vorschriften der StPO zur Bestellung eines Pflichtverteidigers finden keine Anwendung.
3. Die Anwesenheit des Pflichtanwalts oder der Pflichtanwältin in der Haftanhörung bereits vor der Beiordnung stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit dar, da das Gericht den Zutritt einzelner Personen zu einer nichtöffentlichen Verhandlung gestatten kann und zudem ein sachliches Interesse eines Beteiligten vorliegt.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Vorliegend ist eine solche Vereitelung des Rechts zur Hinzuziehung eines Bevollmächtigten indes nicht ersichtlich. Denn das Amtsgericht hat dem Betroffenen den Rechtsanwalt ... im Rahmen der Anhörung zur Seite gestellt und - ausweislich des Protokolls - hat der Betroffene auch unter anwaltlicher Vertretung nach der Belehrung über das Recht auf Anwaltskonsultation keine Angaben gemacht. Allein der Umstand, dass der Betroffenen vor der Beiordnung des Rechtsanwalts ... nicht danach gefragt wurde, ob er selbst einen zu bestellenden Rechtsanwalt benennen wolle, begründet keine Vereitelung im vorgenannten Sinne.
Die Pflichtbestellung im Abschiebungshaftverfahren und Verfahren des Ausreisegewahrsams dient dazu, es dem Betroffenen zu ermöglichen, mithilfe eines anwaltlichen Vertreters seine Rechte in dem für ihn in der Regel unbekannten Verfahren der Anordnung der Abschiebungshaft bzw. des Ausreisegewahrsams geltend zu machen. Es wird im Regelfall ein Anwalt aus einem entsprechenden Verzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer zu wählen sein. Da es sich bei der Abschiebungshaft und dem Ausreisegewahrsam nicht um eine Strafhaft handelt, sind die Regelungen in §§ 140 ff. StPO nicht anwendbar. Daher wurde eine eigenständige Regelung geschaffen, welche zur besseren Sichtbarkeit direkt in das Aufenthaltsgesetz bei den Vorschriften zur Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam aufgenommen wurde (BT-Drs. 20/10090, S. 18).
Nachdem diesen Anforderungen genügt worden ist, kann die Frage dahinstehen, ob hinsichtlich der Auswahl des Beistands die Vorschriften der StPO zur Bestellung eines Pflichtverteidigers analoge Anwendung finden und ob durch die vermeintliche Nichtbeachtung dieser Vorschriften ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegt. Denn der Betroffene legt bereits nicht dar, inwieweit die Haftanordnung auf diesem vermeintlichen Verfahrensverstoß beruhen sollte. Der Betroffene hat weder dargelegt, dass er die Beiordnung eines anderen anwaltlichen Beistands bereits zu diesem Zeitpunkt wünschte, noch, dass im Fall der Beiordnung des von ihm gewünschten Rechtsanwalts ein anderes Ergebnis zumindest wahrscheinlich gewesen wäre.
i) Auch die Rüge des Betroffenen, durch die Anwesenheit des im unmittelbaren Anschluss zum Pflichtbeistand bestellten Rechtsanwalts … im Anhörungstermin bereits vor seiner Bestellung sei gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit verstoßen worden, geht fehl. [...]
Rechtsanwalt ... repräsentierte hier indes nicht die Öffentlichkeit. Vielmehr ist ersichtlich, dass die Anwesenheit des Rechtsanwalts mit Blick auf seine unmittelbar anschließende Bestellung zum Pflichtbeistand nach § 175 Abs. 2 Satz 1 GVG gestattet war, um den Betroffenen die Wahrnehmung seiner Rechte bereits zu Beginn der Anhörung zu ermöglichen.
Gemäß § 175 Abs. 2 Satz 1 GVG kann das Gericht den Zutritt einzelner Personen zu einer nicht öffentlichen Verhandlungen gestatten. Die Zulassung kann stillschweigend erfolgen [...]. Die Entscheidung steht im freien, aber sachlich begründeten Ermessen des Gerichts [...]. Einer Anhörung der Verfahrensbeteiligten bedarf es dazu nach § 175 Abs. 2 Satz 3 GVG nicht. Von der Möglichkeit einer Anwesenheitsgestattung Dritter sollte unter anderem Gebrauch gemacht werden, wenn hierfür ein sachliches Interesse eines Beteiligten besteht [...]. Ein solches sachlich begründetes Interesse des Betroffenen ist im Hinblick auf sein Recht, mithilfe eines anwaltlichen Vertreters seine Rechte in dem für ihn in der Regel unbekannten Verfahren der Anordnung der Abschiebungshaft bzw. des Ausreisegewahrsams geltend zu machen, ohne weiteres anzunehmen, insbesondere wenn der anwesende Rechtsanwalt - wie hier - dem Betroffenen unverzüglich als Pflichtbeistand beigeordnet wird. Eine andere Sichtweise würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass dem Betroffenen unter den Grundsätzen der Nichtöffentlichkeit und des fairen Verfahrens, die seinen Schutz bezwecken, jedenfalls zunächst effektiv ein geringerer Schutz zukäme. [...]