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VG Augsburg

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Zitieren als:
VG Augsburg, Beschluss vom 14.11.2024 - 9 S 24.31113 - asyl.net: M33063
https://www.asyl.net/rsdb/m33063
Leitsatz:

Familiäre Bindung zwischen Eltern und Kleinstkind steht Abschiebungsandrohung entgegen: 

1. Die schützenswerte Beziehung zwischen Eltern und ihrem (Kleinst-)kind steht einer Abschiebungsandrohung des § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG wegen des Kindeswohls und familiärer Belange entgegen. 

2. Es ist nicht ausreichend und nicht mit Unionsrecht vereinbar, wenn die Belange eines*r Minderjährigen erst nach Erlass einer Abschiebungsandrohung in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren Berücksichtigung finden. 

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Asylverfahren, Kindeswohl, familiäre Belange, Abschiebungsandrohung, Ablehnungsbescheid, Rückkehrentscheidung,
Normen: AsylG § 34 Abs. 1 Nr. 4
Auszüge:

[...]

25 [...] Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie vor Erlass einer Abschiebungsandrohung festzustellen, ob das Wohl des Kindes und dessen familiäre Bindungen im Bundesgebiet, die von Art. 6 GG, Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK geschützt sind, eine Aufenthaltsbeendigung zulassen. Denn aus Art. 5 Buchst. a) und b) Rückführungsrichtlinie folgt, dass vor Erlass der Abschiebungsandrohung das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen gebührend zu berücksichtigen sind. Dabei muss die Situation des Minderjährigen umfassend und eingehend beurteilt werden. Unionsrechtlich reicht nicht aus, dass dessen Belange nach Erlass der Abschiebungsandrohung, aber noch vor deren Vollstreckung – etwa in einem ausländerrechtlichen Verfahren auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG – berücksichtigt werden [...]. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Rückkehrentscheidung gegen einen Minderjährigen oder gegen seine Eltern ergeht [...]:

26 Nach diesen Maßgaben liegt eine schützenswerte familiäre Verbindung zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern offensichtlich vor. Im Falle einer Abschiebung wäre der minderjährige Antragsteller als Kleinstkind von seinen Eltern für die Dauer des Asylverfahrens (Gerichtsverfahrens) getrennt. Die Trennung jüngerer Kinder, wie des Antragstellers, von einem Elternteil belastet indes schon bei kurzer Dauer die gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) geschützten familiären Belange sowie die Eltern-Kind-Beziehung erheblich und beeinträchtigt damit das Kindeswohl, welchem nach Art. 6 Abs. 3 GG besonderes Gewicht zukommt.

27 Dem folgend war die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids vom 29. Oktober 2024 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren Au 9 K 24.31112 antragsgemäß anzuordnen.