BlueSky

VG Frankfurt a.M.

Merkliste
Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.11.2024 - 1 K 558/23. F.A - asyl.net: M33087
https://www.asyl.net/rsdb/m33087
Leitsatz:

Private Äußerungen zum Ukrainekrieg lösen in der Russischen Föderation keine staatliche Verfolgung aus: 

Beschränkt sich eine kritische Haltung gegenüber dem Ukrainekrieg auf Äußerungen im privaten Umfeld, ist eine Verfolgung durch den russischen Staat nicht zu befürchten. Oppositionelle Tätigkeiten werden in der Russischen Föderation zwar konsequent bekämpft, und es drohen Verhaftungen und eine Strafverfolgung mit langjährigen Haftstrafen. Bei rein privaten Äußerungen ist jedoch nicht zu befürchten, dass der russische Staat Kenntnis von der kritischen Haltung erlangt. 

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Russische Föderation, Ukraine, politische Verfolgung, staatliche Verfolgung
Normen: AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 5
Auszüge:

[...]

Es ist zudem nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Kläger bei einer Rückkehr in die Russische Föderation durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure verfolgt werden. Soweit die Klägerin zu 1) insoweit vorträgt, staatliche Verfolgung wegen ihrer kritischen Haltung zum Ukraine-Krieg zu fürchten, genügt dies nicht, um dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu genügen. Wie in dem Bescheid des Bundesamtes zutreffend ausgeführt wird, ist den einschlägigen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass oppositionellen Tätigkeiten in der Russischen Föderation zwar konsequent bekämpft werden. Es drohen Verhaftungen und eine Strafverfolgung mit langjährigen Haftstrafen. Die Klägerin zu 1) hat aber bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt aber ausgeführt, kritische Äußerungen nur im privaten Umfeld tätigen zu wollen und auch nur, wenn das Thema zur Sprache käme. Eine oppositionelle Tätigkeit in einer oppositionellen Organisation würde sie indes nicht anstreben. Unter Zugrundelegung dieser Angaben ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zu 1) Gefahr liefe, allein wegen ihrer kritischen Haltung zum Ukraine-Krieg vom russischen Staat verfolgt zu werden. Es ist bereits nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der russische Staat Kenntnis von ihrer Haltung erlangt. Aber selbst wenn er diese Kenntnis hätte, würde der Klägerin zu 1) zur Überzeugung des Gerichts keine Verfolgung durch staatliche Stellen drohen, da allein dieser kritischen Haltung ohne öffentlichkeitswirksame Tätigkeiten noch kein verfolgungsrelevantes Gewicht zukäme.

Soweit die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung erstmals vorbrachte, an regierungskritischen Demonstrationen teilnehmen zu wollen, glaubt das Gericht dies nicht. Mit dieser Aussage setzt sie sich in Widerspruch zu ihren vorherigen Angaben, in denen sie deutlich machte, keine politische Person zu sein. Zudem ist das Gericht überzeugt, dass die Klägerin zu 1) das mit einer solchen Teilnahme einhergehende Risiko einer Verhaftung und Verfolgung nicht eingehen würde. Dies lässt sich nicht in Einklang bringen mit ihrer zuvor in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussage, ihre Kinder vor Traumata schützen zu wollen. Dass sie nur wenige Augenblicke später ihre Bereitschaft erklärt, für eine Demonstration ihr Leben und das ihrer Kinder aufs Spiel setzen, ist nicht im Ansatz glaubhaft. Die Klägerin zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass sie eine Abschiebung in die Russische Föderation fürchtet, bevor sie ihren Partner ehelichen und eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland erhalten kann. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht überzeugt, dass die Steigerung ihres Vortrags allein asyltaktische Gründe hat, um eine Abschiebung zu verhindern. [...]