Homosexuelle Personen werden in Tansania verfolgt:
Angehörigen der LGBTIQ Gemeinschaft droht eine Gefängnisstrafe bis zu 30 Jahren nach dem tansanischen Strafgesetzbuch wegen des "Geschlechtsverkehrs wider die Natur". Auch der Versuch ist strafbar. LGBTIQ Personen sind u.a. Polizeigewalt und Diskriminierungen ausgesetzt.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
17 2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass dem Kläger in Tansania aufgrund seiner Homosexualität mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen drohen. [...]
20 2.2 Homosexuelle bilden in Tansania eine soziale Gruppe i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Ausgehend davon, dass die Homosexualität ein für die Identität einer Person so bedeutsames Merkmal darstellt, dass diese Person nicht zu einem Verzicht darauf gezwungen werden sollte, erlaubt ferner das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung, dass diese Personen eine deutlich abgegrenzte Gruppe bilden, die von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird [...].
21 Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln ist die Gemeinschaft der Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexual, Queer-Personen (LGBTIQ) in Tansania mit rechtlichen und sozialen Einschränkungen konfrontiert. Zwar existiert kein explizites Verbot von Homosexualität, das tansanische Strafgesetzbuch sieht jedoch für "carnal knowledge against the order of nature" (Geschlechtsverkehr wider die Natur) eine Freiheitsstrafe von 30 Jahren, für den Versuch bis zu 20 Jahre, vor. Das sansibarische Gesetzbuch schreibt hier eine Strafe von bis zu 14 Jahren Freiheitsentzug vor. "Gross indecency" (grob unsittliches Verhalten) wird auf dem Festland und auf Sansibar mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. LGBTIQ-Personen sind zum Teil Polizeigewalt und Diskriminierungen im Gesundheitssektor ausgesetzt und Regierungsvertretende haben sich in der Vergangenheit gegen Homosexualität ausgesprochen. Ende 2019 erklärte der stellvertretende sansibarische Innenminister, alle Personen, die Homosexualität fördern, verhaften zu lassen. Human Rights Watch (HRW) beobachtete eine andauernde "institutionelle Homophobie" und hält LGBTIQ-Personen in ruralen Gebieten für die am stärksten marginalisierten und isolierten Personen. Aufgrund der Kriminalisierung und Diskriminierung von Homosexualität ist die Mehrheit der LGBTIQ-Personen laut HRW gezwungen, ihre Identität zu verbergen und im Verborgenen zu leben. Zudem ist es seit dem Jahr 2016 zivilgesellschaftlichen Organisationen untersagt, HIV-Aufklärungsarbeit für homosexuelle Männer zu leisten, da dies von der Regierung als Förderung von Homosexualität betrachtet wird. Auch der Zugang zu HIV-Testzentren ist eingeschränkt und die Verteilung von Gleitmitteln als HIV-Prävention eingestellt worden. Es finden immer wieder polizeiliche Durchsuchungsaktionen bei Meetings, Räumlichkeiten von NGOs oder während Workshops statt. Nach einer Razzia in den Büros der Organisation Community Health Education Services and Advocacy (CHESA), die sich für die Rechte und gesundheitlichen Belange von LGBTIQ-Personen einsetzt, drohte der stellvertretende Gesundheitsminister Anfang 2017 mit der Veröffentlichung von Identitäten aus der LGBTIQ-Gemeinschaft. Im April 2019 wurde CHESA aus dem offiziellen Register mit der Begründung gestrichen, unethisches Verhalten befürwortet zu haben. Im Oktober 2018 kündigte der Regionalkommissar Daressalams Makonda an, eine Task Force einzusetzen, die LGBTIQ-Personen sowie Sexarbeiterinnen und -arbeiter identifizieren und verhaften sollte. Makonda rief die Zivilbevölkerung öffentlich dazu auf, LGBTIQ-Personen zu melden, verbunden mit der Warnung, dass das Zurückhalten von Informationen strafbar sei. Die tansanische Regierung distanzierte sich in einem öffentlichen Bericht von den Vorhaben Makondas, dennoch sollen Listen mit Namen von LGBTIQ-Personen in sozialen Medien veröffentlicht worden sein. Berichten zufolge sind tausende Nachrichten und hunderte Namen von LGBTIQ-Personen gemeldet worden. Festnahmen von Personen auf Grundlage der sexuellen Orientierung fanden in den letzten Jahren vermehrt statt. In Fällen, die bis zum Jahr 2012 auftraten, kamen Betroffene nach mehrtägigen Gefängnisaufenthalten oder der Zahlung von Bestechungsgeldern frei, eine Strafverfolgung erfolgte in keinem Fall. Mit dem Regierungsantritt Magufulis im Jahr 2015 verschärfte sich der strafrechtliche Umgang mit LGBTIQ-Personen. Die WHO berichtet von über 40 Festnahmen zwischen den Jahren 2016 und 2019 auf Sansibar, in Daressalam, Geita, Tanga und in ländlichen Gebieten in Nordtansania. Ein Großteil der festgenommenen Personen wurde für mehrere Tage festgehalten und für eine rektale Untersuchung in umliegende Krankenhäuser gebracht. Alle Personen wurden anschließend entlassen und mussten zum Teil eine Kaution zahlen. Betroffene berichteten von Misshandlungen und sexuellen Übergriffen durch Sicherheitskräfte und Mitinhaftierte. Organisationen, die gezielt LGBTIQ-Personen unterstützen, sind in Tansania begrenzt und werden von der Regierung in der Regel nicht toleriert. Artikel 14, 1(a) des Non-Governmental Organizations Act, 2002 lehnt die Registrierung von NGOs ab, wenn "die Tätigkeiten einer Nichtregierungsorganisation nicht von öffentlichem Interesse sind oder gegen ein geschriebenes Gesetz verstoßen." Um das Verbot zu umgehen, agieren Organisationen zum Teil im Verborgenen oder verlegen ihren Tätigkeitsschwerpunkt auf ähnliche Themen, wie Menschenrechte oder Gesundheitsbelange, um so eine offizielle Registrierung zu erlangen. [...]