Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat bei Schutzstatus in Griechenland rechtmäßig:
"1. Das Unionsrecht sieht eine Bindung Deutschlands an die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht vor. Deutschland ist jedenfalls nach dem Asylantrag einer Person nicht daran gehindert, selbst zu prüfen, ob die Person Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes hat. Nach dem negativen Abschluss einer solchen Prüfung ist der Erlass einer Abschiebungsandrohung für das Herkunftsland mit Unionsrecht vereinbar.
2. § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verweist nicht auf § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Dies ist keine planwidrige Regelungslücke."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung [...].
Die Zuerkennung subsidiären Schutzes in Griechenland steht der Abschiebungsandrohung weder aus Gründen des Unionsrechts (unten 1.) noch des nationalen Rechts (unten 2.) entgegen. Die Beklagte musste und durfte als Zielstaat der Abschiebungsandrohung nur den Irak (und nicht Griechenland) nennen (unten 3.).
1. Das Unionsrecht sieht eine Bindung Deutschlands an die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht vor. Deutschland war jedenfalls nach dem Asylantrag des Klägers nicht daran gehindert, selbst zu prüfen, ob er Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes hat. Nach dem negativen Abschluss der Prüfung durfte die Beklagte eine Rückkehrentscheidung in Form der Abschiebungsandrohung erlassen.
Es ist durch den Europäischen Gerichtshof geklärt, dass es den Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts freisteht, die Anerkennung sämtlicher mit der Flüchtlingseigenschaft verbundenen Rechte in ihrem Hoheitsgebiet davon abhängig zu machen, dass ihre zuständigen Behörden eine neue Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erlassen. Dabei muss jedoch die Entscheidung des anderen Mitgliedstaats, diesem Antragsteller internationalen Schutz zu gewähren, und die Anhaltspunkte, auf denen diese Entscheidung beruht, in vollem Umfang berücksichtigt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 18.6.2024 – C-753/22 –, Rn. 69, juris).
Für den subsidiären Schutz gilt nichts Anderes. Die Beklagte ist den Vorgaben des Gerichtshofs nachträglich nachgekommen. Sie hatte den angegriffenen Bescheid zwar ursprünglich ohne Kenntnis der Anhaltspunkte, auf denen die Entscheidung der griechischen Behörden beruhte, erlassen. Im Gerichtsverfahren hat sie aber die wesentlichen Unterlagen der griechischen Behörden beigezogen und an ihrer Entscheidung festgehalten. Der Kläger hat zudem die Klage gegen die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes zurückgenommen.
Im Hinblick auf die in Deutschland vom Bundesamt durchgeführte Prüfung, ob der Kläger Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes hat, steht einer Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland aus unionrechtlicher Sicht nichts entgegen.
Zwar hat der Europäische Gerichtshof in einen Auslieferungsverfahren entschieden, dass in dem Fall, dass ein von einem Mitgliedstaat als Flüchtling anerkannter Drittstaatsangehöriger in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er sich aufhält, Gegenstand eines Auslieferungsersuchens seines Herkunftslands ist, der ersuchte Mitgliedstaat die Auslieferung nicht zulassen darf, wenn er nicht einen Informationsaustausch mit der Behörde, die der gesuchten Person die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, eingeleitet und diese Behörde die Flüchtlingseigenschaft nicht aberkannt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 18.6.2024 – C-352/22 –, Rn. 72, juris).
Hieraus ist aber für die vorliegende Konstellation nichts ableitbar. Dabei kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs von vornherein auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht übertragbar sind, weil diese anders als die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft möglicherweise nicht nur deklaratorischen Charakter hat. Jedenfalls unterscheidet sich die hier vorliegende Konstellation von einem Auslieferungsverfahren grundlegend dadurch, dass wegen des Asylantrags des Klägers vor dem Erlass der Abschiebungsandrohung zunächst die nach nationalem Recht zuständige Behörde die Zuerkennung subsidiären Schutzes neu geprüft hat. Der Kläger hatte daraufhin die Möglichkeit, die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen, nahm die Klage aber zurück. Die vom Europäischen Gerichtshof im Auslieferungsverfahren zu Grunde gelegte mögliche Umgehung der Vorschriften über die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (bzw. des internationalen Schutzes) droht aber nicht, wenn die zuständige Behörde auf Antrag des Betroffenen die Zuerkennung internationalen Schutzes neu geprüft hat.
Ob unionsrechtlich eine Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland jedenfalls dann möglich ist, wenn der Betroffene nicht in den anderen Mitgliedstaat wegen einer dort drohenden Verletzung der Rechte aus Art. 3 EMRK verwiesen werden kann (dazu unten 3.), kann daher dahinstehen.
Das Gericht folgt dementsprechend nicht dem Teil der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der davon ausgeht, dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu einem Verbot der Abschiebung in den Herkunftsstaat führt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30.8.2023 – 13 ME 143/23 –, Rn. 11, juris; VG München, Urt. v. 9.7.2021 - M 11 K 18.31931 -, Rn. 48, juris; jeweils unter Berufung auf BVerwG, Urteil vom 17.6.2014 – 10 C 7.13 –, Rn. 28 ff., juris und BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.9.2020 – 2 BvR 2082/18 –, Rn. 28, juris).
Die Entscheidungen überzeugen aus den vorstehend genannten Gründen nicht und sind zudem vor den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ergangen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage entgegen der Inanspruchnahme durch die vorstehend zitieren Gerichte zudem nicht entschieden. In der Entscheidung aus dem Jahr 2014 führt das Bundesverwaltungsgericht (nur) aus, dass der Antrag einer Person, der bereits subsidiären Schutz in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannt worden ist, unzulässig ist. Zudem weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass der deutsche Gesetzgeber sich in § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG dafür entschieden hat, dass die Flüchtlingsanerkennung in einem anderen Mitgliedstaat auch in Deutschland Abschiebungsschutz begründet. Dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat auch in Deutschland Abschiebungsschutz begründet, wurde vom Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt. Die Frage war im Fall des Bundesverwaltungsgerichts schon nicht entscheidungserheblich, weil dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts enthält zwar den Satz "Eine Abschiebung in den Herkunftsstaat ist im Falle einer bereits erfolgten Schutzgewährung durch einen anderen Mitgliedstaat untersagt". Zur Begründung verweist das Bundesverfassungsgericht (nur) auf zwei Literaturstellen. Auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war allerdings primär die Frage, ob ein Asylantrag als unzulässig statt als unbegründet hätte abgelehnt werden müssen, nicht aber die Bindungswirkung einer Zuerkennung subsidiären Schutzes, wenn ein zulässiges Asylverfahren in Deutschland durchgeführt wurde. Aus der Entscheidung ist deshalb nichts ableitbar (vgl. auch die Zweifel zur Aussage des Bundesverfassungsgerichts in BVerwG, EuGH-Vorlage vom 7.9.2022 – 1 C 26/21 –, Rn. 15, juris).
2. Der Abschiebungsandrohung steht auch nicht die Zuerkennung subsidiären Schutzes in Griechenland aus Gründen des nationalen Rechts entgegen. [...]