Drohende unmenschliche Behandlung für Anerkannte in Griechenland:
1. Es besteht ein reales Risiko, dass international Schutzberechtigte nach Rückkehr nach Griechenland in die Obdachlosigkeit geraten. Auch das HELIOS-Programm kann davor nicht schützen. Es sieht pro Jahr nur für maximal 5.000 Schutzberechtigte eine Wohnungsbeihilfe vor. Außerdem setzt es voraus, dass die Personen zum Zeitpunkt ihrer Anerkennung in Schutzunterkünften für besonders vulnerable Personen gelebt haben. Zudem müssen sich die Personen innerhalb von 12 Monate nach Schutzzuerkennung für das Programm angemeldet haben.
2. Arbeit in der Schattenwirtschaft ist nicht zumutbar, weil die dort Beschäftigten noch größeren Unsicherheiten und Gefährdungen ausgesetzt sind und der Zugang zu sozialer Sicherheit verwehrt ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Die auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig durch das Bundesamt begegnet erheblichen Bedenken, obwohl dem Antragsteller in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt wurde.
Denn nach den der Kammer vorliegenden aktuellen Erkenntnissen ist es für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte als hinreichend wahrscheinlich. anzusehen, dass sie im Falle einer Rückkehr dort der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta und Art. 3 EMRK ausgesetzt wären, weil sie nicht imstande wären, ihre elementarsten Bedürfnisse ("Bett, Brot, Seife") zu befriedigen [...].
Dies gilt nicht nur für Familien und besonders verletzliche Personen, sondern grundsätzlich auch für junge arbeitsfähige Männer wie den Antragsteller. [...]
Der Antragsteller wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im Falle seiner Rückkehr nach Griechenland nicht über die finanziellen Mittel verfügen oder sie sich verschaffen können, die er benötigt, um seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen und sich mit den für ein Überleben notwendigen Gütern zu versorgen.
Für Personen mit internationalem Schutz besteht in Griechenland ein reales Risiko, unabhängig von ihrem Willen in eine Situation der Obdachlosigkeit zu geraten.
30 Tage nach der Anerkennung eines Schutzstatus verlieren die betroffenen Personen ihren Unterbringungsplatz, sofern sie während des Asylverfahrens untergebracht waren. Es ist keine Anschlusslösung vorgesehen; die Schutzberechtigten sind auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen. Der Staat stellt keinen Wohnraum und auch keine Unterstützung beim Zugang zu Wohnraum zur Verfügung [...].
Eine staatliche Wohnbeihilfe ist erst dann erhältlich, wenn per Steuererklärung ein Wohnsitz über mehr als fünf Jahre in Griechenland nachgewiesen werden kann [...], was bei Rückkehrenden regelmäßig nicht der Fall sein wird.
Das Projekt HELIOS sieht pro Halbjahr für maximal 5.000 Schutzberechtigte eine Wohnungsbeihilfe vor. Die Inanspruchnahme dieser Leistungen setzt jedoch voraus, dass der Begünstigte zum Zeitpunkt seiner Anerkennung in einer Unterkunft des griechischen Empfangssystems oder in Unterkünften von Schutzprogrammen von Behörden oder NGOs für vulnerable Personen gelebt hat [...]. Zudem muss er sich innerhalb einer Antragsfrist von zwölf Monaten nach Zuerkennung des Schutzstatus für das Programm angemeldet haben. Das HELIOS-Programm soll dabei unterstützen, einen nahtlosen Übergang von einer griechischen Hilfsmaßnahme zu einer europäischen zu erhalten; an in Deutschland oder im anderen Ausland lebende Migrantinnen und Migranten richtet sich das Programm originär nicht […].
Die Gefahr der Obdachlosigkeit zurückkehrender Schutzberechtigter lässt sich ferner nicht mit dem Argument verneinen, zurückkehrenden Schutzberechtigten stünden ungeachtet des Fehlens staatlicher Unterbringungsmöglichkeiten informelle Möglichkeiten der Unterkunftsfindung durch eigene Strukturen und durch Inanspruchnahme landsmännischer Vernetzung zur Verfügung. Auch wenn sich derartige informelle Möglichkeiten vereinzelt bieten können, muss bei realistischer Einschätzung davon ausgegangen werden, dass sie begrenzt, prekär und nicht hinreichend verlässlich sind. Die zur Hilfe bereiten Landsleute sind vielfach - etwa als Schutzsuchende - selbst von Unterstützungsleistungen abhängig. Informelle Unterkunftsmöglichkeiten sind wegen der dort herrschenden Zustände (überfüllte Wohnungen, verlassene Häuser ohne Zugang zu Strom und Wasser) zudem häufig unzumutbar. Im Übrigen ist nicht für alle Rückkehrenden gewährleistet, dass sie Zugang zu einer solchen solidarischen Hilfe erhalten [...].
Am größten sind die Chancen, Arbeit in der Schattenwirtschaft zu finden, was den Schutzberechtigten jedoch den Zugang zu sozialer Sicherheit verwehrt und sie noch größeren Unsicherheiten und Gefährdungen aussetzt [...]. Schwarzarbeit stellt daher keine zumutbare Alternative dar, auf die der Antragsteller verwiesen werden könnte. [...]
Die abweichende Einschätzung der Situation für Schutzberechtigte in Griechenland durch den Verwaltungsgerichtshof Hessen [...] veranlasst die Einzelrichterin in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zurzeit nicht zu einer grundsätzlichen Änderung der Rechtsprechung. [...]