Pflicht zur Kostentragung für die Abschiebung und Abschiebungshaft:
1. Ein Ausländer haftet gemäß § 66 Abs. 1, § 67 Abs. 1 AufenthG für die Kosten einer Abschiebung sowie der ihrer Vorbereitung dienenden Abschiebungshaft nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Folglich können nur die Kosten einer rechtmäßigen Abschiebung bzw. einer rechtmäßigen Abschiebungshaft geltend gemacht werden. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebung bzw. der Abschiebungshaft ist aus der behördlichen Sicht bei ihrer Durchführung - "ex ante" - zu beurteilen (im Anschluss an: BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 - Rn. 15).
2. Für Kosten von Amtshandlungen zur Durchführung einer rechtmäßigen Abschiebung, die selbst nicht in Rechte des abzuschiebenden Ausländers eingreifen, wozu insbesondere unselbständige Durchführungsakte wie die Beauftragung eines Dolmetschers, die Buchung eines Flugs zur Durchführung der Abschiebung und die Begleitung des Ausländers bei seiner Rückführung zählen, greift der Verweis des § 69 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Hinsichtlich solcher Kosten entfällt eine Erstattungspflicht nur, wenn die Amtshandlung offenkundig rechtswidrig war und die Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 3 BGebG).
3. Die Ausländerbehörden sind nicht gehalten, Vergleichsangebote bezüglich der Flugkosten einzuholen, um dem Erstattungspflichtigen stets den am Markt günstigsten Tarif zu sichern; etwas anderes kann allenfalls dann anzunehmen sein, wenn der Preis für das der Ausländerbehörde konkret angebotene Flugticket aus dem Rahmen des Üblichen herausfällt und daher deutlich erkennbar überteuert ist.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
4 Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat den Kläger mit Leistungsbescheid vom 16.03.2020 zu der Erstattung von Abschiebungskosten in Höhe von 57.027,74 EUR herangezogen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat den angegriffenen Bescheid aufgehoben, soweit darin die Erstattung eines höheren Betrages als 50.092,10 EUR gefordert wird, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe die Kosten seiner über den 24.08.2017 hinausgehenden Abschiebungshaft in Höhe von 6.932,64 EUR (315,12 EUR x 22 Tage) nicht zu tragen. Ab diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass der Zweck der Abschiebungshaft - die Abschiebung des Klägers am 20.09.2017 mittels Sammelcharter - an den noch fehlenden und bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erhaltenden pakistanischen Passersatzpapieren scheitern werde. [...]
12 Der angefochtene Leistungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 und 3 AufenthG. Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer unter anderem die Kosten zu tragen, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer Abschiebung entstehen. Den Umfang der zu erstattenden Kosten bestimmt § 67 Abs. 1 AufenthG. Danach umfassen die Kosten einer Abschiebung die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets (Nr. 1), die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers (Nr. 2) sowie sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten (Nr. 3).
13 Der Ausländer haftet für die Kosten einer Abschiebung nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Folglich können nur die Kosten einer rechtmäßigen Abschiebung geltend gemacht werden. Deren Rechtmäßigkeit ist aus der behördlichen Sicht bei ihrer Durchführung - ex ante - zu beurteilen [...]. Für Kosten von Amtshandlungen zur Durchführung einer rechtmäßigen Abschiebung, die selbst nicht in Rechte des abzuschiebenden Ausländers eingreifen, wozu insbesondere unselbständige Durchführungsakte wie die Beauftragung eines Dolmetschers, die Buchung eines Flugs zur Durchführung der Abschiebung und die Begleitung des Ausländers bei seiner Rückführung zählen, greift der Verweis des § 69 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Hinsichtlich solcher Kosten entfällt eine Erstattungspflicht nur, wenn die Amtshandlung offenkundig rechtswidrig war und die Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären [...]. Für rechtswidrige Abschiebungsmaßnahmen, die in Rechte des Ausländers eingreifen, findet die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BGebG hingegen keine Anwendung [...].
15 Die - inzident aus der ex-ante-Sicht der handelnden Behörde zu prüfenden [...] - Voraussetzungen der Abschiebungshaft hätten sowohl bei ihrer erstmaligen Anordnung durch das Amtsgericht Heilbronn mit Beschluss vom 24.03.2017 als auch bei der Verlängerung der Haft durch das Amtsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 31.03.2017 vorgelegen. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Haftanordnung durch das Amtsgericht Heilbronn sei der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 3 und 4 AufenthG damaliger Fassung hätten vorgelegen. Es habe der begründete Verdacht bestanden, dass sich der Kläger der Abschiebung durch Flucht entziehen wolle.
16 Regierungspräsidium und Amtsgericht hätten zutreffend dargelegt, dass es sich bei dem durch Familienangehörige des Klägers für seine Reise nach Deutschland aufgewendeten Betrag nach - zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen - afghanischen Verhältnissen um eine hohe Geldsumme gehandelt habe (§ 2 Abs. 14 Nr. 4 AufenthG) und der Kläger ferner der vollziehbaren Passverfügung vom 21.11.2014 nicht nachgekommen sei (§ 2 Abs. 14 Nr. 3 AufenthG). Nachdem der Kläger durch die Delegation des Generalkonsulats der Islamischen Republik Afghanistan als afghanischer Staatsangehöriger anerkannt worden sei, sei ebenfalls nicht zu beanstanden, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Regierungspräsidium davon ausgegangen seien, dass es sich bei seinem neuen Vortrag, aus Pakistan zu stammen, um eine reine Schutzbehauptung handle. Zu diesem Zeitpunkt seien (noch) keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der langjährige Vortrag des Klägers, aus Afghanistan zu stammen, nicht der Wahrheit entsprechen könnte. Aufgrund des neuen widersprüchlichen Vortrags des Klägers hinsichtlich seiner Nationalität hätten zum Zeitpunkt der Anhörung durch das Amtsgericht vielmehr ergänzend Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Kläger eine falsche Identität vorgegeben und damit auch § 2 Abs. 14 Nr. 2 AufenthG damaliger Fassung verwirklicht habe. Weiter sei kein milderes Mittel als die Anordnung der Haft ersichtlich gewesen. Die Anordnung der Abschiebehaft und deren Dauer von ca. einer Woche sei auch verhältnismäßig gewesen und Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht ersichtlich. Aufgrund der Zusage des Generalkonsulats der Islamischen Republik Afghanistan, die Passersatzpapiere bis zum Abflug auszustellen, habe erwartet werden können, dass eine Abschiebung mit dem auf den 31.03.2017 angesetzten Flug stattfinden werde. [...]
21 (2) Auch die Einwände des Klägers hinsichtlich der Dauer der Abschiebungshaft bleiben ohne Erfolg.
22 Die Vorschrift des § 62 AufenthG enthält im Hinblick auf die zulässige Haftdauer eine abgestufte Regelung. § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG a.F. lässt erkennen, dass Abschiebungshaft in der Regel nicht länger als drei Monate dauern soll. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende Haftanordnung von bis zu sechs Monaten (§ 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) ist nur dann zulässig, wenn aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen die Abschiebung erst nach mehr als drei Monaten durchgeführt werden kann [...].
23 Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat das Verwaltungsgericht - ebenso wie das Amtsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 31.03.2017 und das Landgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 07.07.2017 - entschieden, dass vorliegend eine Haftdauer von sechs Monaten zulässig gewesen sei. Denn der Kläger habe seinen pakistanischen Pass, der ihm zur Verfügung gestanden habe, nicht vorgezeigt und über seine Staatsangehörigkeit getäuscht. Selbst noch bei Vorführung im Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan habe er die Täuschung aufrechterhalten. Das Landgericht Karlsruhe hat in den Gründen seines Beschlusses ausgeführt, dass es erst durch diese Täuschung zu der Verzögerung bei der geplanten Abschiebung gekommen sei.
24 Mit Blick auf diese tatsächlichen Gegebenheiten hat auch das Verwaltungsgericht angenommen, dass kein milderes Mittel als die Anordnung der Abschiebungshaft ersichtlich gewesen sei und sich der Kläger die lange Haftdauer aufgrund seiner Identitätstäuschung selbst zuzuschreiben habe. Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG seien zum Zeitpunkt der Anordnung der Abschiebungshaft nicht ersichtlich gewesen. [...]
29 bb) Ferner bestreitet der Kläger, dass der Tagessatz mit einer Höhe von 315,42 EUR (gemeint 315,12 EUR) für einen Platz in der Abschiebehaftanstalt üblich und angemessen sei. Das gelte auch für den Anfall einer Reisebeihilfe von 30,- EUR. Der veranschlagte Tagessatz stehe in einem Missverhältnis zur öffentlichen Leistung. [...]
33(a) Die dem Polizeirevier Ludwigsburg entstandenen Personal- und Transportkosten für die Überführung des Klägers in die Abschiebehafteinrichtung Pforzheim seien tatsächlich in der angegebenen Höhe von 1.033,18 EUR angefallen und in den Akten des Beklagten hinreichend belegt. Nach § 67 Abs. 1 Satz 3 AufenthG umfasse die Kostenhaftung unter anderem sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten. Der Transport des Klägers sei jeweils durch einen Beamten des mittleren Dienstes und einen Beamten des gehobenen Dienstes erfolgt. Hierfür seien Personalkosten in Höhe von 53,- EUR (Beamter des gehobenen Dienstes) bzw. 43,- EUR (Beamter des mittleren Dienstes) à jeweils 9 Stunden angesetzt worden, woraus sich der geltend gemachte Betrag ergebe. Die Kosten seien in der konkreten Höhe tatsächlich angefallen und damit erstattungsfähig (§ 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Die Begleitung des Klägers durch zwei Polizeibeamte (in die Abschiebungshaft) erscheine bereits vor dem Hintergrund, dass der Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 des AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 3 AufenthG und nach § 2 Abs. 14 Nr. 4 AufenthG vorgelegen habe, nicht unangemessen. Ferner handle es sich um Kosten für unselbständige Durchführungsakte, die nicht in Rechte des Betroffenen eingreifen und für die der Verweis des § 69 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gelte. [...]