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SG Marburg

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Zitieren als:
SG Marburg, Beschluss vom 14.02.2025 - S 16 AY 11/24 ER - asyl.net: M33131
https://www.asyl.net/rsdb/m33131
Leitsatz:

Besitzschutzregelung ist auf Regelbedarfe für Asylbewerber anwendbar: 

Die Regelung des § 28a Absatz 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist unmittelbar auf die Berechnung der Geldbeträge in § 3a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anwendbar.

(Amtlicher Leitsatz; a.A.SG Heilbronn: Beschluss vom 17.02.2025 – S 15 AY 181/25 ER – asyl.net: M33125)

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungshöhe, Bestandsschutz
Normen: SGB XII § 28a Abs. 5, AsylbLG § 3a
Auszüge:

[...]

Der Antrag ist teilweise begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG liegen vor, soweit der Antragsteller die Gewährung höherer Leistungen in Höhe von 19,- Euro monatlich wegen der Kürzung der Leistungssätze im Vergleich zum Vorjahr begehrt (1.). Soweit der Antragsteller die Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 8,- Euro monatlich wegen der Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr begehrt, ist der Antrag unbegründet (2.). [....]

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die Gewährung von Leistungen in Höhe von 460,00 Euro für den Monat Januar 2025 glaubhaft gemacht, weil in diesem Umfang ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Zwischen den Beteiligten ist einzig die Höhe der zu gewährenden Leistungen streitig. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach §§ 3 Absatz 1 Satz 2, 3a Absatz 1 AsylbLG (notwendiger persönlicher Bedarf) in Höhe von 204,00 Euro und nach §§ 3 Absatz 1 Satz 1, 3a Absatz 2 AsylbLG (notwendiger Bedarf) in Höhe von 256,00 Euro, mithin insgesamt in Höhe von 460,00 Euro für den Monat Januar 2025.

Die Höhe der Leistungen ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung. Die Regelung des § 28a Absatz 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist unmittelbar auf die Berechnung der Geldbeträge in § 3a AsylbLG anwendbar. [...]

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die bei den Regelbedarfen nach dem SGB XII vorgenommenen Fortschreibungen im Anwendungsbereich des AsylbLG "exakt nachvollzogen" werden. Die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach dem SGB XII beinhaltet nach dem Wortlaut von § 28a Absatz 1 SGB XII unzweifelhaft die Bestandsschutzregel des Absatz 5. Zudem handelt es sich bei § 28a Absatz 5 SGB XII ersichtlich um eine "Berechnungsregel", die im Gesetzentwurf für das AsylbLG ausdrücklich in Bezug genommen wird. § 3a Absatz 4 AsylbLG verweist nach dem Willen des Gesetzgebers auf den gesamten § 28a SGB XII und damit auch auf § 28a Absatz 5 SGB XII und nicht lediglich isoliert auf einzelne Absätze des § 28a SGB XII, da der Verweis auf die "einzelnen Berechnungsregeln" in der Gesetzesbegründung anderenfalls völlig überflüssig gewesen wäre.

Die von der Bundesregierung vertretene Ansicht, dass die Besitzschutzregelung nicht für die Fortschreibung der Regelbedarfe für Asylbewerber gilt [...], vermag die Kammer nicht zu überzeugen [...].

An diesem Ergebnis ändert auch der zutreffende Hinweis des Antragsgegners auf die Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3a Absatz 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes für die Zeit ab 1. Januar 2025 (BGBl. I, 29.10.2024, Nr. 325) nichts. Danach werden als monatliche Beträge nach § 3a Absatz 1 AsylbLG in der Leistungsgruppe des Antragstellers 196,00 Euro nach § 3a Absatz 2 AsylbLG 245,00 Euro anerkannt – also die vom Antragsgegner festgesetzten Beträge. Ein Anspruch auf rechtmäßig fortgeschriebene Leistungen folgt aber nach der Rechtsprechung der Kammer unmittelbar aus dem Gesetz. Soweit die Leistungsveränderung nach dem SGB XII feststeht, sind die Leistungen nach dem AsylbLG entsprechend anzupassen. Der Leistungsbezieher hat einen einklagbaren Anspruch darauf, dass ihm die Leistungen auch in korrekt angepasster Höhe bewilligt werden. Die Bekanntmachung ist nicht verbindlich, sondern dient der Transparenz einheitlicher Gesetzesanwendung. Sie hat lediglich deklaratorische Wirkung und soll dafür sorgen, dass alle Leistungsträger durch das Ministerium über die neue Höhe informiert werden, damit diese nicht selbst die notwendigen Berechnungsschritte vornehmen müssen. Dafür spricht vor allem, dass dem BMAS kein Spielraum hinsichtlich der Höhe der Fortschreibung zusteht. Die regelmäßige Anpassung ist außerdem auf verfassungsrechtliche Erwägungen zurückzuführen, wonach die grundrechtliche Überprüfung und Weiterentwicklung der Höhe der Leistungen anhand gegenwärtiger Umstände zur Sicherung des Existenzminimums auch bei Leistungsbezug nach dem AsylbLG gebunden ist. Der Gesetzgeber hat gerade im Hinblick auf die Beanstandung der nicht erfolgten Prüfung der Höhe der Leistungen im AsylbLG durch die Rechtsprechung gesetzliche Neuregelungen zur Fortschreibung der Bedarfe getroffen [...].

Nach dieser Maßgabe ergibt sich unter Anwendung von § 28a Absatz 5 SGB XII im vorliegenden Fall, dass die für das Jahr 2024 bestimmten Eurobeträge weiter gelten, weil die Eurobeträge für das Jahr 2025 niedriger als die im Vorjahr geltenden Eurobeträge sind. [...]