Keine Gruppenverfolgung Transsexueller in El Salvador:
Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Verfolgungsdichte von Transsexuellen in El Salavador erreicht wird. Eine Diskriminierung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure wegen der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks ist verboten.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
1. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich für den Kläger selbst bei Wahrunterstellung seines diesbezüglichen Vortrages nicht aus seiner geltend gemachten Transsexualität.
a) Auch das Gericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung davon verschaffen, dass bei dem Kläger eine identitätsprägende Transsexualität vorliegt. So gab er zwar einerseits an, er versuche bereits seit zwei Jahren eine Geschlechtsangleichung vornehmen zu lassen und wolle dies so schnell wie möglich angehen, dies sei aber bisher an der erforderlichen Finanzierung gescheitert. Andererseits gab er aber auch an, er wolle sich in Deutschland mit der Hilfe einer Psychotherapeutin darüber klar werden, was seine diesbezüglichen Gefühle sind und was dies bedeutet und er wolle hierdurch die Gewissheit erlangen, was er wolle und ob es ihm ggf. wichtiger sei, die Erwartungen der anderen zu erfüllen.
b) Selbst wenn man unterstellen würde, dass die geltend gemachte Transidentität für den Kläger identitätsprägend ist und er einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zugehört [...], fehlt es insoweit an tauglichen Verfolgungshandlungen.
Solche sind im Fall des Klägers weder aufgrund individueller Einzelfallumstände noch unter dem Gesichtspunkt einer Gruppenverfolgung Transsexueller im Sinne des im Rahmen der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft anzulegenden Prognosemaßstabes beachtlich wahrscheinlich. [...]
Es liegt auch kein Fall einer sog. Gruppenverfolgung vor. Eine solche kann nur dann angenommen werden, wenn im Verfolgungszeitraum und -gebiet Verfolgungshandlungen auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres auch die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht [...]. Dies setzt eine Intensität und Anzahl von Verfolgungshandlungen voraus, die dem Staat zuzurechnen sind oder vor denen dieser keinen Schutz gewährt und die nach ihrer objektiven Gerichtetheit an ein Verfolgungsmerkmal anknüpfen [...].
Eine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung hat der Kläger schon nicht geltend gemacht. Sie ist auch den Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen.
So haben alle Bürger ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung uneingeschränkte politische Rechte [...]. Das Tragen von Kleidung, die nicht der konventionellen bzw. stereotypen Geschlechterrolle einer Person im Rahmen ihrer Zeit, Kultur und Gesellschaft entspricht oder andere Verhaltensweisen sind ebenso wie gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen auch nicht unter Strafe gestellt [...]. Auch hat der Oberste Gerichtshofs El Salvadors im Jahr 2022 das Parlament verpflichtet, die Änderung des Geschlechtseintrages im Rahmen der Identitätsdokumente rechtlich zu ermöglichen, wobei dies bisher noch nicht umgesetzt wurde [...]. Diskriminierung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure auf Grundlage der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks ist verboten [...]. Das Strafgesetzbuch sieht für Hassverbrechen eine Freiheitsstrafe zwischen drei und sechs Jahren vor [...].
Ungeachtet dessen sind LGBTQ-Personen nach wie vor homophober und transphober Gewalt durch Polizei, Banden und sonstige Dritte ausgesetzt [...]. Auch soziale Stigmatisierung ist allgegenwärtig [...]. Aus den insoweit angegebenen Zahlen [...] ergibt sich jedoch nicht, dass diese Vorfälle vor dem Hintergrund einer Bevölkerungszahl von 6,5 Millionen Einwohnern derart häufig und auch derart schwerwiegend sind, dass daraus für jede transsexuelle Person in El Salvador auf die für eine Gruppenverfolgung erforderliche aktuelle Gefahr eigener asylrechtsrelevanter Verfolgung wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure geschlossen werden kann. So gab auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang an, das Problem in El Salvador als Transsexueller sei die konservative Politik, die es nicht ermögliche, den Namen zu ändern oder eine Geschlechtsangleichung bezahlt zu bekommen. Vor diesem Hintergrund fehlt es insgesamt - auch unter Berücksichtigung einer nicht unerheblichen Dunkelziffer - an konkreten Anhaltspunkten für eine entsprechende Verfolgungsdichte. [...]