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OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 12.02.2025 - 6 Bs 5/25 - asyl.net: M33153
https://www.asyl.net/rsdb/m33153
Leitsatz:

Zielstaatsbezogene Gefahren sind vom BAMF zu prüfen:

Ein Ausländer, der sich im Rahmen von aufenthaltsrechtlichen Ansprüchen auf zielstaatsbezogene Gefahren beruft, die ihrer Art nach objektiv geeignet wären, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz zu begründen, ist unabhängig von der systematischen Einkleidung des diesbezüglichen Vortrags auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verweisen, welches für die Prüfung und (allgemein-)verbindliche Feststellung eines asylrechtlichen Schutzstatus (vgl. §§ 42 Abs. 2, 6 AsylG) berufen ist; dies gilt auch in Bezug auf entsprechende Einwendungen gegen die Zumutbarkeit einer Nachholung des Visumverfahrens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit, Ausländerbehörde, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Visumsverfahren, Zumutbarkeit, transsexuell
Normen: AufenthG § 5 Abs. 2, AsylG § 42, AsylG § 6, AsylG § 4, AsylG § 3
Auszüge:

[...]

Auch ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die materiell als Asylbegehren zu charakterisierende Einwendung des Antragstellers nicht im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG zu prüfen sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Ausländer mit einem Asylbegehren, das nach § 13 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU [...] seit dem 1. Dezember 2013 auch das Begehren auf subsidiären Schutz umfasst, hinsichtlich aller zielstaatsbezogenen Schutzersuchen und Schutzformen auf das Asylverfahren zu verweisen; er hat kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt [...] und auch keinen Anspruch auf eine Doppelprüfung. Ein Ausländer ist daher nach aktueller Rechtslage schon dann – gemäß § 24 Abs. 2 AsylG auch hinsichtlich nationaler Abschiebungsverbote – zwingend auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt zu verweisen, wenn er sich – wie hier – auf Gefahren beruft, die ihrer Art nach objektiv geeignet wären, subsidiären Schutz zu begründen [...]. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Beschwerdesenat folgt [...], auch dann anwendbar, wenn sich ein Ausländer im Rahmen von aufenthaltsrechtlichen Ansprüchen auf Gefahren beruft, die ihrer Art nach objektiv geeignet wären, subsidiären Schutz zu begründen, da unabhängig von der systematischen Einkleidung des diesbezüglichen Vortrags für die Prüfung und (allgemein-)verbindliche Feststellung eines asylrechtlichen Schutzstatus [...] das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen eines Asylverfahrens berufen ist [...]. Es ist nicht ersichtlich, dass dies auf die Prüfung von zielstaatsbezogenen Umständen im Rahmen einer Ausweisung oder einer Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU beschränkt wäre, hingegen auf die Prüfung der Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG keine Anwendung finden könnte. Hinsichtlich dieser Umstände ist der Ausländer daher auf das Asylverfahren zu verweisen. Anderes gilt für Umstände, die (allein) zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG begründen, solange für deren Prüfung die Ausländerbehörde zuständig ist [...].

b) Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen seiner Transsexualität mit Erfolg angreift. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Annahme, eine Unzumutbarkeit der Ausreise des Antragstellers ergebe sich auch nicht wegen der geltend gemachten Gruppenverfolgung Transsexueller in Venezuela, selbstständig tragend damit begründet, dass der Antragsteller insoweit auf die Stellung eines Asylantrags zu verweisen sei, und der Antragsteller greift diese zutreffende Begründung nicht mit Erfolg an (dazu unter aa)). [...]

Indem der Antragsteller nach der nicht angegriffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts illegal in das Bundesgebiet eingereist und sich dort anschließend illegal aufgehalten habe, dürfte er vorsätzlich die Straftatbestände des § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG verwirklicht haben. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich kein geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift. Daher sind die vorsätzliche illegale Einreise des Antragstellers und sein illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet unabhängig von ihrer strafrechtlichen Sanktionierung grundsätzlich als nicht geringfügiger Verstoß anzusehen [...]. Soweit der Antragsteller meint, er wäre bei entsprechender Antragstellung als Asylberechtigter anzuerkennen, begründet dies keine Geringfügigkeit im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 10 Halbs. 1 AufenthG. Denn insoweit ist der Antragsteller auf die tatsächliche Stellung eines Asylantrags zu verweisen. Auch aus dem Umstand, dass diejenige Person, die ohne das erforderliche Visum einreist, aber unverzüglich nach der Einreise einen Asylantrag stellt, sich nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbar macht und hierdurch auch kein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründet, insbesondere kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG [...], führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Aufenthaltsgestattung entsteht erst mit förmlicher Asylantragstellung (§ 55 Abs. 1 Satz 3 AsylG) und eine Straffreiheit trotz unerlaubter Einreise tritt nur nach unverzüglicher Meldung bei den Behörden ein (§ 95 Abs. 5 AufenthG i.V.m Art. 31 Abs. 1 GFK). Dies trifft auf den Antragsteller nicht zu. [...]