Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren:
"1. Erfolgsaussichten iS von §§ 73a SGG, 114 ZPO bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet. An die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl BVerfG vom 4.2.2004 - 1 BvR 1172/02 = NJW-RR 2004, 1153) (Rn. 27).
2. Auch in Fällen sog "Sekundärmigration" ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Rückkehr in das schutzgewährende Land rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar ist (Rn. 48)."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
24 2. Die Beschwerde ist auch begründet. Ausgehend von der im Beschwerdeverfahren maßgeblichen Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des gewählten Rechtsanwalts vor.
25 a) Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen kann (dazu bei bb), auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (dazu bei aa).
26 aa) Unter Berücksichtigung der Klagebegründung bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.
27 Erfolgsaussichten in diesem Sinne bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet. An die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden [...]. Zweck der Prozesskostenhilfe ist der weitgehend gleiche Zugang zu Gericht einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten [...]. Prozesskostenhilfe darf nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber lediglich eine entfernte ist [...].
28 Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen [...]. Prozesskostenhilfe ist allerdings nicht bereits zu gewähren, wenn die entscheidungserhebliche Frage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht als "schwierig" erscheint. Liegt diese Voraussetzung dagegen vor, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit jedoch zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten. So bestehen je nach Verfahrensart Möglichkeiten des Unbemittelten, eine ihm günstige Entscheidung der Rechtsfrage durch ein Gericht höherer Instanz zu erreichen, das im Prozesskostenhilfe-Verfahren nicht erreichbar wäre. Ein Fachgericht, das § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfe-Verfahren "durchentschieden" werden können, verkennt damit die Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verbürgten Rechtsschutzgleichheit [...].
37 ß. Es bestehen ausreichende Erfolgsaussichten hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs. [...]
42 Ob die in § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eingeschränkter Leistungen vorliegen, ist zweifelhaft. [...]
44 Der Sinn des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG liegt in der Begrenzung der Sekundärmigration insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland [...]. Nach dem Gesetzentwurf vom 31. Mai 2016 dient sie der Vervollständigung der Regelung nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG [...], wonach eine Anspruchseinschränkung für bestimmte Fälle vorgesehen ist, in denen ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 1a Abs. 4 AsylbLG in der ab dem 24. Oktober 2015 geltenden Fassung war gefordert worden, dass eine Leistungseinschränkung auch ("erst recht") bei Personen erfolgt, deren Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durch Gewährung eines Schutzstatus bereits positiv abgeschlossen worden ist [...].
45 Für das Asylverfahren bestimmt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG für die gleiche Sachlage, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
46 Es bestehen mehrere schwierige, offene Rechts- und Tatsachenfragen, für deren abschließende Klärung nicht das Verfahren über die Prozesskostenhilfe vorgesehen ist. Es wird für vergleichbare Fälle wie vorliegend vertreten, im Wege einer teleologisch-systematischen Reduktion des § 1a Abs. 4 AsylbLG zu prüfen, ob die Rückkehr in das schutzgewährende Land rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar ist [...]. Die Anwendung des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG sei zweckwidrig und insgesamt nicht gerechtfertigt, wenn trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen der Norm in der Bundesrepublik Deutschland eine Sachentscheidung über den Antrag auf Zuerkennung einer Flüchtlingseigenschaft zu treffen ist, wenn also § 29 AsylbLG nicht greift. In einem solchen Fall trifft den Leistungsberechtigten keine Obliegenheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu begeben, in dem ihm Schutz zuerkannt worden ist. [...]