Flüchtlingsschutz für afghanische Frau:
Afghanische Frauen haben bereits aufgrund ihres Geschlechts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan Verfolgung durch die Taliban zu befürchten.
(Leitsatz der Redaktion; unter Bezug auf: EuGH, Urteil vom 04.10.2024 - C-608/22, C-609/22 - AH und FN gg. Österreich - asyl.net: M32737)
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I. Afghanische Frauen haben bereits aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Geschlechts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan Verfolgung durch die Taliban zu befürchten.
Die Klägerin unterfällt als afghanische Frau einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Bei der Weiblichkeit der Klägerin handelt es sich um ein angeborenes Merkmal im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG (so auch EuGH, Urteil vom 16. Januar 2024 C-621/21 juris, Rn. 49). Die Annahme einer solchen sozialen Gruppe setzt auch nicht voraus, dass über die bloße Eigenschaft als Frau hinaus zwingend ein zusätzliches gemeinsames Merkmal treten muss. Vielmehr können Frauen auch insgesamt als soziale Gruppe angesehen werden, wenn feststeht, dass sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind (EuGH, Urteil vom 16. Januar 2024 - C-621/21 - juris, Rn. 57). Jüngst hat der Europäische Gerichtshof zudem in Hinblick auf afghanischer Frauen ausdrücklich entschieden, dass eine über die Feststellung der Staatsangehörigkeit und des Geschlechts hinausgehende individuelle Prüfung anderer Aspekte ihrer persönlichen Umstände für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nicht erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 - C-608/22 und C-609/22 - juris).
Dies zugrunde gelegt drohen der Klägerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der afghanischen Frauen unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel bei einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen, die im Sinne von § 3a Abs. 3 AsylG an den dargelegten Verfolgungsgrund anknüpfen. [...]