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VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Beschluss vom 31.03.2025 - 3 L 255/25 - asyl.net: M33215
https://www.asyl.net/rsdb/m33215
Leitsatz:

Auflösende Bedingung einer Duldung muss verhältnismäßig sein: 

1. Grundsätzlich ist es zulässig, eine Duldung mit der Nebenbestimmung "erlischt bei Abschiebung" zu versehen. Es handelt sich dabei um eine auflösende Bedingung, die selbständig anfechtbar ist. 

2. Eine solche Bedingung muss aufenthaltsrechtliche, erhebliche Zwecke verfolgen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, also erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sein. 

3. Wenn ein*e Duldungsinhaber*in keine Reisedokumente besitzt, dies in der Vergangenheit eine Abschiebung verhindert hat und keine Gründe erkennbar sind, warum eine Abschiebung nunmehr vor dem Ende der Duldungszeit durchführbar sein soll, liegt ein Ermessensfehler vor. 

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Duldung, Erlöschen, Nebenbestimmung, auflösende Bedingung, Verhältnismäßigkeit,
Normen: AufenthG § 61 Abs. 1f, VwVfg § 36
Auszüge:

[...]

Rechtsgrundlage für eine solche auflösende Bedingung ist § 61 Abs. 1f AufenthG. Danach können weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden.

Die Verknüpfung der Duldung mit einer - wie hier erfolgten - auflösenden Bedingung ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt [...].

Die Kammer hat allerdings Zweifel, ob die Verknüpfung der Duldung mit der auflösenden Bedingung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Die einer Duldung beigefügte Bedingung, die zum Erlöschen der Duldung führt, muss aufenthaltsrechtlich erhebliche Zwecke verfolgen und erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sein, den mit ihr verfolgten Zweck zu fördern, den Ausländer schon vor Ablauf der regulären Dauer der Duldung abschieben zu können, wenn die Abschiebungshindernisse weggefallen sind [...]. Der Antragsgegner hat hier lediglich pauschal vorgetragen, dass Rückführungen nach Pakistan "plan- und durchführbar" sind und die Passbeschaffung mit keinen großen Schwierigkeiten verbunden ist. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, drängt sich jedoch die Frage auf, aus welchen Gründen der ausreisepflichtige Antragsteller nicht bereits abgeschoben wurde und seit dem 7. Mai 2024 wegen fehlender Reisedokumente geduldet wird. Dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners lässt sich auch nicht der Stand des von der Landesdirektion Sachsen bereits seit dem 28. März 2024 eingeleiteten Passbeschaffungsverfahrens entnehmen [...]. Auch der Widerspruchsbescheid der Landesdirektion Sachsen vom 18. März 2025 enthält dazu keinerlei Ausführungen. Insofern ist aktuell weder erkennbar noch vorgetragen, dass eine Abschiebung des Antragstellers bis zum Ablauf der Duldung am 14. April 2025 tatsächlich beabsichtigt bzw. aufgrund vorhandener oder demnächst verfügbarer Reisedokumente betrieben wird. Konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind weder vorgetragen noch aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich.

Jedenfalls dürfte sich der Erlass der Nebenbestimmung (auch) als ermessensfehlerhaft erweisen. Der Antragsgegner hat sein Ermessen nicht erkannt bzw. nicht ausgeübt. Weder der Duldungsverfügung noch dem Verwaltungsvorgang sind Ermessenserwägungen zu entnehmen. Allerdings hat die Landesdirektion Sachsen im Widerspruchsbescheid vom 18. März 2025 das Ermessen in zulässiger Weise nachgeholt. [...] Dies zu Grunde gelegt, erweist sich die Ermessensausübung nach summarischer Prüfung als fehlerhaft. Zwar hat die Widerspruchsbehörde wohl zutreffend darauf abgestellt, dass der Antragsteller keine (weiteren) Duldungsgründe in seiner Person (bspw. eine schwerwiegende, nicht nur vorübergehende und die Reisefähigkeit aufhebende Erkrankung; Ausübung der Personensorge für ein im Duldungszeitraum bleibeberechtigtes Familienmitglied) vorgetragen hat. Allerdings hat sie ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller nicht über die für eine Abschiebung erforderlichen Reisedokumente verfügt. Aus diesem Grund konnte im gesamten Duldungszeitraum seit 7. Mai 2024 die Abschiebung nicht vollzogen werden. Aufgrund welcher Umstände die Abschiebung nun bis zum Ende der Duldung am 14. April 2025 nicht ausgeschlossen erscheinen soll, erschließt sich der Kammer nicht. In den Ausführungen der Landesdirektion Sachsen finden sich dazu keine weiteren Erwägungen. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen unmittelbar bevorstehen bzw. das Passbeschaffungsverfahren erfolgreich abgeschlossen bzw. vorangetrieben wurde. [...]