Fehlender Hinweis auf Wahlrecht bei anwaltlicher Vertretung in Abschiebehaftsachen führt zu Rechtswidrigkeit der Haft:
Bei der Pflichtanwaltsbestellung müssen Betroffene vorab auf das Wahlrecht bezüglich der anwaltlichen Vertretung hingewiesen werden. Mangelt es daran und wird eine vom Gericht zuvor ausgesuchte anwaltliche Vertretung bestellt, führt dies zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und zur Rechtswidrigkeit der Haft.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Unabhängig vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hat die Verfahrensweise des Amtsgerichts die Betroffene jedenfalls in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
Die Betroffene, die zur Fahndung ausgeschrieben gewesen war, war erst am Tag vor ihrer richterlichen Anhörung festgenommen worden, so dass sie weder Kenntnis von ihrer Akte erlangen noch den ihr vom Gericht ausgewählten und beigeordneten Rechtsanwalt kennenlernen und sich mit ihm beraten konnte. So erklärte sie bei ihrer Anhörung am 06.11.2024, dass sie bei Erhalt des Ablehnungsbescheids nicht gewusst habe, was dies sei und jemanden habe suchen wollen, der ihr helfen sollte. Sie habe sich einen Anwalt suchen wollen.
Der Gerichtsakte ist zu entnehmen, dass die Betroffene erst mit der Einlegung der Beschwerde durch einen von ihr gewählten Rechtsanwalt vertreten worden ist. Zuvor hat weder die Beteiligte zu 2. noch das Amtsgericht die Betroffene gefragt, welcher Rechtsanwalt zur Anhörung hinzugezogen werden solle. Dies lässt sich zumindest dem Akteninhalt nicht entnehmen. Die Abschiebehaft wurde zudem direkt im Anschluss an die Anhörung verkündet, ohne der Betroffenen zuvor die Möglichkeit zu geben, selbst hinsichtl ich der Auswahl eines Rechtsanwaltes eine Entscheidung zu treffen oder aber diese Entscheidung dem Gericht überlassen zu können.
Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen allerdings das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (vgl. hierzu: Prütting/Helms-Drews, 6. Aufl. 2022, § 420 FamFG, Rn. 8). Dieses Recht hat das Amtsgericht durch seine Verfahrensgestaltung verletzt. [...]
Die Betroffene hätte gerade in Hinblick auf den oben dargestellten Ablauf - Zeitdruck nach für sie überraschender Festnahme in der Einrichtung, Inhaftierungssituation/psychische Ausnahmesituation und unmittelbarer Vorführung vor den Richter - über ihr Wahlrecht bezüglich eines Rechtsanwaltes hingewiesen werden müssen: Dass sie in dieser Situation von der Beiordnung eines gerichtlich ausgewählten Rechtsanwaltes, mit dem sie sich nicht einmal hatte beraten können, sich gegen diesen nicht ausdrücklich "zur Wehr gesetzt" hatte, impliziert nicht, dass sie mit diesem einverstanden und diesen als auch von ihr gewählt akzeptiert hätte. Zudem war ihr der Haftantrag nicht in übersetzter Ausführung ausgehändigt, sondern lediglich "im wesentlichen Inhalt übersetzt", also lediglich mündlich in Auszügen mitgeteilt worden, so dass sie sich auch hierzu nicht selbst bzw. nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt ihrer Wahl auseinandersetzen konnte. [...]
Die Anhörung der Betroffenen leidet damit an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler, der nicht nur den ordnungsgemäßen Ablauf der Anhörung, sondern deren Grundlagen betrifft. Insbesondere kommt es auch nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht. Eine Heilung des Verfahrensfehlers ist daher für den Anordnungszeitraum nicht mehr möglich. [...]