Nichtvulnerable männliche Drittstaatsangehörige können nach Griechenland zurückkehren:
1. Zum Personenkreis der nichtvulnerablen Männer (bezogen auf den Zielstaat Griechenland) gehören alle volljährigen, erwerbsfähigen, gesunden Schutzberechtigten ohne minderjährige Kinder. Ihnen wird es gelingen, bei einer Rückkehr nach Griechenland ihre Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen.
2. Es wird diesem Personenkreis möglich sein, durch staatliche oder nichtstaatliche Hilfsangebote eine (möglicherweise wechselnde) Unterkunft in einem Obdachlosenheim, Wohnheim oder einer sonstigen Übernachtungsstelle zu finden. Eine Überfüllung der Obdachlosenunterkünfte oder generell eine weit verbreitete Obdachlosigkeit lässt sich nicht feststellen
3. Die Aufnahme einer Arbeit in der Schattenwirtschaft ist zumindest vorübergehend, bis die Voraussetzungen für den Zugang zum legalen Arbeitsmarkt vorliegen, zumutbar.
4. Zur Abwendung einer extremen materiellen Notlage kann auf Hilfsorganisationen und karitative Einrichtungen zurückgegriffen werden.
4. Zur Abwendung einer extremen materiellen Notlage kann auf Hilfsorganisationen und karitative Einrichtungen zurückgegriffen werden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
10 Die auf § 78 Abs. 8 AsylG gestützte Revision ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.). Der Verwaltungsgerichtshof hat die allgemeine abschiebungsrelevante Lage für in Griechenland anerkannte nichtvulnerable Schutzberechtigte im Ergebnis zutreffend dahin beurteilt, dass diese bei einer Rückkehr dorthin nicht beachtlich wahrscheinlich mit Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) unvereinbaren Lebensbedingungen ausgesetzt sein werden (§ 78 Abs. 8 Satz 3 AsylG). [...]
14 [...] Danach ist hier die Gruppe der männlichen nichtvulnerablen Drittstaatsangehörigen in den Blick zu nehmen, denen in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist. Dieser Personenkreis umfasst bezogen auf den Zielstaat Griechenland alle volljährigen Schutzberechtigten ohne minderjährige Kinder, die erwerbsfähig sind und nicht an einen besonderen Schutzbedarf begründenden Krankheiten leiden. [...]
24 2.2.2 Gemessen daran hat das Berufungsgericht die allgemeine abschiebungsrelevante Lage von in Griechenland anerkannten, arbeitsfähigen, gesunden und alleinstehenden jungen, männlichen Schutzberechtigten im Ergebnis zutreffend dahin beurteilt, dass diese nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von ihren persönlichen Entscheidungen in eine Lage extremer materieller Not geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen. Diese Einschätzung erweist sich auf der Grundlage der für das Bundesverwaltungsgericht maßgeblichen aktuellen Erkenntnislage als zutreffend. Danach haben viele Schutzberechtigte unmittelbar nach der Ankunft wegen bürokratischer Hürden und Wartezeiten bis zum Erhalt erforderlicher Dokumente zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keinen Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen (a). Sie können aber voraussichtlich zumindest in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen mit grundlegenden sanitären Einrichtungen unterkommen (b). Ihre weiteren Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung können sie durch eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls aus einer Beschäftigung in der sogenannten Schattenwirtschaft, decken, zu dem gegebenenfalls Unterstützungsleistungen verschiedener Stellen hinzutreten (c). Eine medizinische Notfall- und Erstversorgung ist gewährleistet (d).
25 a) Es erscheint nicht beachtlich wahrscheinlich, dass nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte unmittelbar nach der Ankunft in eine unmenschliche oder erniedrigende Situation geraten. Sie können sich über Hilfsangebote und das Verfahren zum Erhalt von Unterstützungsleistungen informieren (aa). Bürokratische Hürden und lange Verfahrensdauern beim Erhalt erforderlicher Dokumente für den Zugang zu Hilfsleistungen führen allerdings dazu, dass sie in den ersten Wochen bis Monaten nach der Rückkehr keinen Zugang zu staatlichen sowie teilweise auch nichtstaatlichen Unterstützungsangeboten haben (bb). Bestehende staatliche Unterstützungs- und Integrationsprogramme für anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland sind nur für einen beschränkten Personenkreis zugänglich und ebenfalls an bürokratische Hürden geknüpft (cc).
26 aa) Einerseits wird berichtet, dass mit Ankunft am Flughafen die prekäre Lage der Schutzberechtigten unmittelbar beginne und ein direkter Übergang in die Obdachlosigkeit zu befürchten sei. Bei der Ankunft am Flughafen Athen erhielten Schutzberechtigte von griechischen Behörden keinerlei Informationen, wohin sie sich in Bezug auf Unterbringungsmöglichkeiten, Unterstützung oder für behördliche Angelegenheiten wenden können [...]. Andererseits wird berichtet, dass Rückkehrern ein Informationsblatt in griechischer Sprache ausgehändigt wird [...]. Ungeachtet dessen sind eine Reihe von Informationen staatlicher und nichtstaatlicher Stellen zu Anlaufstellen für rückkehrende Schutzberechtigte sowie zu erforderlichen Dokumenten in Englisch, teilweise auch in weiteren Sprachen jedenfalls im Internet verfügbar [...]. Sollten Rückkehrer allenfalls rudimentäre Informationen erhalten, ist zu berücksichtigen, dass Angehörige der Referenzgruppe bereits Erfahrungen und Orientierung in Griechenland haben. Sie haben ein Asylverfahren durchlaufen, ihnen wurde der Schutzstatus zuerkannt und sie haben Kontakt mit griechischen Behörden gehabt. Sie haben sich bereits – oftmals für eine längere Zeit, wie der Kläger – in Griechenland aufgehalten und das dortige Leben kennengelernt, sodass zumindest eine erste Orientierung vorausgesetzt werden kann. Die im Internet verfügbaren Informationen sind für Rückkehrer bereits in Deutschland, gegebenenfalls mit Unterstützung von Flüchtlingshilfeorganisationen, verfügbar.
27 bb) Für den legalen Aufenthalt in Griechenland, den Zugang zu existenzsichernden Leistungen und zum legalen Arbeitsmarkt sind für anerkannte Schutzberechtigte eine Reihe von Dokumenten (u. a. Aufenthaltserlaubnis, Reiseausweis, Sozialversicherungsnummer, Steueridentifikationsnummer) erforderlich [...]. Die vom Berufungsgericht [...] und einigen divergierenden Gerichten [...] festgestellten erheblichen Herausforderungen bei der Erlangung dieser Dokumente, die durch hohe Verwaltungshürden und schwerwiegende Verzögerungen im Ausstellungsverfahren verursacht sind, bestehen nach der aktuellen Erkenntnislage fort [...] Schutzberechtigte sind deshalb über einen längeren Zeitraum von staatlichen Leistungen, aber auch vom (legalen) Arbeitsmarkt ausgeschlossen [...]. Nach einer von UNHCR zwischen Juli 2022 und Juni 2023 durchgeführten Umfrage unter 424 Schutzberechtigten [...] und einer am 31. Dezember 2024 abgerufenen institutionenübergreifenden Analyse des UNHCR [...] hat die überwiegende Zahl der befragten Schutzberechtigten die erforderlichen Dokumente sowie einen Zugang zum Steuerverwaltungssystem TAXISnet zwar erhalten und konnte ein Bankkonto eröffnen, wobei die Dauer der Erteilungsverfahren jedoch offenbleibt. In den staatlichen Migrantenintegrationszentren erhalten Schutzberechtigte nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums unter anderem Unterstützung bei der sozialen Integration sowie Informationen zur Erteilung von unter anderem Aufenthaltserlaubnissen, Flüchtlingsausweisen und Sozialversicherungsnummern [...].
28 cc) Es erscheint nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die elementarsten Bedürfnisse der überwiegenden Zahl der Schutzberechtigten unmittelbar nach der Rückkehr durch bestehende Überbrückungs- und Integrationsprogramme abgedeckt werden. Das gilt jedenfalls für denjenigen Personenkreis, dessen Schutzzuerkennung bei der Rückkehr nach Griechenland schon länger als 20 Monate zurückliegt.
29 Bei dem Programm Helios+ handelt es sich um ein Portfolio von 13 regionalen Integrationsprojekten, eines in jeder griechischen Region, das sich der Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen in Griechenlands Arbeitsmarkt und Gesellschaft widmet. [...]. Das Programm setzt sich dafür ein, in Griechenland lebende Schutzberechtigte zu stärken, indem es ihnen die Werkzeuge und Ressourcen zur Verfügung stellt, die für die sozioökonomische Unabhängigkeit und die aktive Teilnahme an der griechischen Gemeinschaft erforderlich sind, während sie gleichzeitig Eigenständigkeit und Inklusion durch eine umfassende Reihe von Dienstleistungen fördern, die auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sind. [...]. Zugangsberechtigt sind Schutzberechtigte, die nachgewiesen arbeitslos sind, deren Anerkennung als Schutzberechtigte bei der Anmeldung für das Programm nicht länger als 24 Monate zurückliegt und die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen. Erwachsene, die bereits Leistungen aus dem Vorgängerprogramm Helios erhalten haben, erhalten keine Mietzuschüsse [...].
30 Im Jahr 2024 ist es zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem griechischen Ministerium für Migration und Asyl zu einer Verständigung über die Konzeption eines aus EU-Mitteln finanzierten griechischen Überbrückungsprojekts in das Programm Helios+ gekommen, welches von der internationalen Organisation für Migration IOM umgesetzt wird [...] Das Programm soll eine Laufzeit von 12 Monaten haben und dann eigenständig von Griechenland weitergeführt werden. Ziel des Projekts ist es, Personen, die nach einer Schutzgewährung in Griechenland nach Deutschland weitergezogen sind und hier einen weiteren Asylantrag gestellt haben, bei der Rückkehr in den für sie zuständigen Mitgliedstaat Griechenland zu unterstützen und ihnen dort eine langfristige Integration zu ermöglichen. Zur Teilnahme an dem Unterstützungsprogramm berechtigt sind Personen, deren Schutzerteilung in Griechenland nicht länger als 20 Monate zurückliegt. Diese Frist beruht darauf, dass für den Zugang zu dem Integrationsprogramm Helios+ die Schutzerteilung nicht länger als 24 Monate zurückliegen darf und eine Teilnahme am Überbrückungsprojekt bis zu vier Monaten möglich ist. Das Überbrückungsprogramm stellt für Rückkehrende nach Abholung am vereinbarten Flughafen eine Grundversorgung (Unterkunft, Verpflegung, Sozialberatung) in den ersten bis zu vier Monaten nach der Ankunft sicher. Außerdem werden die notwendigen Unterlagen vorbereitet, um eine möglichst rasche und nahtlose Aufnahme in das griechische nationale Integrationsprogramm Helios+ in die Wege zu leiten [...].
31 Danach erscheint die Deckung der elementarsten Bedürfnisse für zurückkehrende Schutzberechtigte, die an dem Überbrückungsprogramm teilnehmen können, unmittelbar nach der Ankunft und darüber hinaus gesichert. [...].
32 [...] Diejenigen Schutzberechtigten, deren Schutzgewährung in Griechenland schon länger zurückliegt, darunter auch der Kläger, haben hingegen aller Voraussicht nach keinen Zugang zu den genannten Unterstützungsprogrammen.
33 dd) Soweit danach ein erheblicher Teil der nach Griechenland zurückkehrenden Schutzberechtigten in den ersten Wochen bis Monaten unmittelbar nach der Rückkehr mangels einer realistischen Möglichkeit zum Erhalt der erforderlichen Dokumente keinen Zugang zu staatlichen, teilweise auch zu nichtstaatlichen, Unterstützungsleistungen und zum legalen Arbeitsmarkt hat und die Betroffenen ihre elementarsten Bedürfnisse auch nicht im Rahmen von Überbrückungs- bzw. Integrationsprogrammen decken können, erscheint es nach den folgenden Ausführungen gleichwohl nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sie ihre Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene auch in der Anfangszeit nicht durch eigenes Erwerbseinkommen, gegebenenfalls ergänzt durch nichtstaatliche Hilfsangebote, decken können.
34 b) Hinsichtlich der Unterkunft gilt ebenfalls der vom EuGH zu Art. 4 GRC entwickelte strenge Maßstab. Eine Verletzung dieses Grundrechts ist danach erst dann anzunehmen, wenn die physische oder psychische Gesundheit der Schutzberechtigten beeinträchtigt würde oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt würden, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Den Anforderungen von Art. 4 GRC genügt es, wenn dem Schutzberechtigten ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten "informellen Siedlung" zur Verfügung steht, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen, wobei dies auch eine erreichbare Möglichkeit umfasst, sich zu waschen [...].
35 Hiervon ausgehend besteht für nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte zwar weder die Möglichkeit einer Unterkunft in staatlichen Einrichtungen (aa), noch ist der Zugang zu einer Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt hinreichend wahrscheinlich (bb). Sie können jedoch zumindest eine – gegebenenfalls temporäre, wechselnde – Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen erhalten (cc). [...]
40 cc) Nach dem oben dargelegten strengen Maßstab für eine Verletzung des Art. 4 GRC hinsichtlich der Unterkunftsbedingungen können Schutzberechtigte zwar nicht auf sämtliche Unterkünfte in informellen Siedlungen, Zeltstädten oder Slums verwiesen werden, insbesondere nicht auf illegale Siedlungen und besetzte Häuser, die von einer staatlichen Räumung bedroht sind, oder auf Unterkünfte, die nicht ein Mindestmaß an Platz oder keine Möglichkeit bieten, sich zu waschen, sofern eine solche auch sonst – etwa über Hilfsorganisationen – nicht erreichbar ist. Abgesehen davon sind aber auch behelfsmäßige Unterkünfte, mit staatlichen Mitteln errichtete Wohncontainer, geduldete Siedlungen und sonstige einfachste Camps mit in Betracht zu nehmen. Eine abgelegene Lage oder ein fehlender Zugang zu weiteren Dienstleistungen sind nach diesem Maßstab nicht unzumutbar. Eine Art. 4 GRC widersprechende Verelendung droht einem nichtvulnerablen Schutzberechtigten ferner nicht schon dann, wenn dieser nur eine temporäre, nicht auf längere Sicht ausgelegte, (Not-)Unterkunft finden kann [...].
41 Die Berichte über eine Vielzahl von Unterkunftsmöglichkeiten verschiedenster Art rechtfertigen die Prognose, dass es alleinstehenden männlichen, nichtvulnerablen Schutzberechtigten mit einer hinreichenden, das "real risk" einer Verletzung von Art. 4 GRC ausschließenden Wahrscheinlichkeit, möglich ist, eine solche zeitweilige und gegebenenfalls provisorische, aber noch menschenwürdige Unterkunft zu finden, auch wenn es keine Daten über die gesamte Anzahl derartiger – durch sehr verschiedene Anbieter zur Verfügung gestellter – Unterkunftsplätze gibt. Nach jüngsten Angaben des griechischen Ministeriums für soziale Eingliederung und Familienangelegenheiten werden für Obdachlose landesweit 17 Schlafsäle, 7 Hostels und 12 Tageszentren mit einer Kapazität von bis zu über 1 000 Betten betrieben [...]. Allein in Athen bestehen mehrere Unterkunftsmöglichkeiten. Das Angebot wird zudem am Standort Piräus, welches gemeindlich ebenfalls zu Athen gehört, ergänzt [...] Eine substantiiert ermittelte und aktuell festgestellte Überfüllung der Unterkünfte lässt sich nicht positiv feststellen. [...] Das Zentrum für Obdachlose in Athen beschreibt seine Kapazitäten und Leistungen auf der eigenen Internetpräsenz dahingehend, dass es sich um ein modernes Obdachlosenheim handelt, das rund um die Uhr geöffnet ist. Es befindet sich am Vathi-Platz und besteht aus 55 Wohnungen mit durchschnittlich drei Schlafzimmern. Die Einrichtung bietet Platz für bis zu 400 Personen und deckt damit den Bedarf der Stadt vollständig ab. Das Zentrum besteht aus einem Wohnheim, einem Hostel und einem Tageszentrum, das Unterkunft, Verpflegung, psychologische Unterstützung und medizinische Versorgung bietet [...]. Weitere Unterkünfte werden in der von Médecins du Monde (MDM) betriebenen Übernachtungsstelle für Obdachlose in Athen [...] der "Relief" Notunterkunft für Obdachlose des Hilfswerks der Stadtverwaltung Piräus [...], dem Kareas Social Shelter by EKKA [...], der UNESCO, Übernachtungsstellen und Tageszentren in Nikaia und Piräus [...], den Praksis Tageszentren für Obdachlose in Athen und Piräus [...] vorgehalten. Mazí Housing ist eine Plattform, die seit 2020 vor allem unbegleitete alleinstehende Männer unter den Asylbewerbern und Flüchtlingen in Griechenland unterstützt. Die Institution bietet diesen Menschen eine Unterkunft und unterstützt sie dabei, Selbstständigkeit und Stabilität zu erlangen, um ihre Situation langfristig zu verbessern. Dabei wird ein Netzwerk geschaffen, das besonders für diejenigen wichtig ist, die keine familiären oder sozialen Netzwerke in Griechenland haben, was für viele Neuankömmlinge, insbesondere aus Nicht-EU-Ländern, eine große Herausforderung darstellt [...]. Personen mit internationalem Schutzstatus können am Programm "Wohnen und Arbeiten für Obdachlose" teilnehmen. Dies sieht einen Mietzuschuss für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten und die Deckung der grundlegenden Kosten für Wohn- und Haushaltsbedarf sowie einen Beschäftigungszuschuss für einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten vor. Zielgruppe des Programms sind unter anderem Personen, die in Übergangsunterkünften und Wohnheimen für Obdachlose untergebracht sind. [...] Berichten zufolge entscheiden sich viele Schutzberechtigte für eine informelle Unterkunft. Diese Unterkünfte werden beispielsweise in der afghanischen Community als Masafarhanas bezeichnet [...] Obwohl ihre tatsächliche Anzahl unbekannt ist, gibt es heute schätzungsweise mindestens 20 Masafarhanas in Athen. [...] Die üblichen Kosten für eine Übernachtung in einer Masafarhana liegen zwischen 5 und 7 €, während ein Monat zwischen 100 und 200 € pro Person kosten kann. Die Wohnungen sind in der Regel in einem schlechten Zustand und beherbergen im Verhältnis zu ihrer Kapazität viele Menschen. Die Masafarhanas – ähnliche Unterkünfte gibt es auch für andere Nationalitäten, wie Syrer oder Ivorer – bieten eine günstige Unterkunft für Menschen in Not. Durch diese informelle Anmietung kann man oft auch eine Tätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft finden, oder umgekehrt kann man eine solche Wohnung durch eine Tätigkeit im Bereich der Schattenwirtschaft erlangen. [...]
42 In der Vergangenheit wurde verschiedentlich berichtet, dass die vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte den – wegen der Beendigung der Unterbringung in Asylbewerberunterkünften seit März 2020 erhöhten – Bedarf nicht decken würden, es bestünden lange Wartelisten, es müssten verschiedene medizinische Nachweise vor einer Aufnahme erbracht werden und der Zugang für anerkannt Schutzberechtigte gestalte sich schwierig. Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass belastbares und aktuelles Zahlenmaterial nicht vorliegt. Die letzte statistische Erhebung der Obdachlosenzahlen datiere von 2018, wobei auch detailliert über Unterbringungsmöglichkeiten und Programme für Obdachlose berichtet wurde [...]. Nach Angaben der OECD von Frühjahr 2024 soll es in Griechenland in 2023 "geschätzt" 1387 Obdachlose gegeben haben, was 0,01 % der Bevölkerung ausmache [...], wobei es sich dabei nur um offiziell registrierte Obdachlose handelt. Nach Berichten aus jüngerer Zeit seien Personen, denen in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde, nach wie vor stark von Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit bedroht, da materielle Leistungen unmittelbar nach Schutzgewährung eingestellt werden und der Zugang zu den erforderlichen Dokumenten und Ressourcen, die zur Sicherung einer Unterkunft benötigt werden, nicht rechtzeitig möglich sei. [...] Es gebe keine aussagekräftigen Statistiken über Obdachlose in Griechenland, auch nicht über obdachlose Personen, die internationalen Schutz genießen. Ein vom Immigration Policy Lab, der ETH Zürich und dem University College London erstellter Bericht bezieht sich auf eine Stichprobe von 3 755 Befragten, von denen 3 % angaben, obdachlos zu sein. Aus dem Bericht geht nicht hervor, ob die Stichprobe Personen umfasst, denen vor kurzem internationaler Schutz in Griechenland gewährt wurde, oder ob Personen mit mehrjährigem Aufenthalt im Land darin stärker vertreten seien. Der Zugang von Schutzberechtigten zu bestehenden Obdachlosenunterkünften sei angesichts der formalen Anforderungen und Bedingungen sowie aufgrund der stark begrenzten Anzahl von Betten in Unterkünften erheblich eingeschränkt. Die Zahl von "unsichtbaren Obdachlosen", die in prekären, von Räumung bedrohten Verhältnissen, in ungeeigneten Wohnungen und unter ungeeigneten Lebensbedingungen leben, nehme zu, während Zwangsräumungen von solchen Orten weiterhin stattfänden. [...].
43 Dies zugrunde gelegt, ist aktuell nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Schutzberechtigte ohne besondere Vulnerabilitäten im Falle einer Rückkehr nach Griechenland dort nicht zumindest eine (ggf. temporäre, wechselnde) Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betrieben werden, finden können. Anders als noch in der Zeit nach Schließung der Erstaufnahmeeinrichtungen für anerkannte Schutzberechtigte im März 2020 lassen die aktuellen – nur sehr begrenzt vorliegenden – Daten nicht den Schluss zu, dass Obdachlosigkeit insgesamt ein weit verbreitetes Problem darstellt, auch nicht unter Schutzberechtigten. Dass es keine entsprechende Garantie gibt und es auch nicht allen Schutzberechtigten durchgängig gelingen wird eine Unterkunft zu erhalten, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. In die Beurteilung ist auch einzustellen, dass der hier zu beurteilenden Personengruppe der nichtvulnerablen männlichen Schutzberechtigten ein höheres Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative abzuverlangen ist als vulnerablen Personen und dass bei ihr auch keine besonderen Bedürfnisse bei der Unterbringung zu berücksichtigen sind.
44 c) International Schutzberechtigte können in Griechenland eine Beschäftigung aufnehmen und mit dem Erwerbseinkommen – gegebenenfalls in Verbindung mit Unterstützungsleistungen nichtstaatlicher Hilfsorganisationen und karitativer Einrichtungen – ihr Existenzminimum im Sinne der elementarsten Bedürfnisse sicherstellen.
45 aa) Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite, jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten zählen auch Tätigkeiten für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten "Schatten- oder Nischenwirtschaft" angesiedelt sind. Soweit die Schattenwirtschaft bei einer weiten Definition auch kriminelle und andere staatlich sanktionierte Tätigkeiten erfasst, können Schutzberechtigte darauf zur Existenzsicherung allerdings nicht verwiesen werden. Eine Tätigkeit, bei der die Schutzberechtigten selbst einer straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung ausgesetzt wären, ist ihnen nicht zuzumuten. Anders verhält es sich bei einer Erwerbstätigkeit, die im Prinzip auch legal ausgeübt werden kann, die jedoch den öffentlichen Stellen zur Vermeidung von Steuern und Sozialbeiträgen nicht gemeldet wird, sofern dies für den Schutzberechtigten als Arbeitnehmer nicht sanktionsbewehrt ist oder Sanktionen gegen ihn jedenfalls tatsächlich nicht verhängt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist Schutzberechtigten daher – zumindest für eine Übergangszeit – auch Schwarzarbeit zumutbar [...]. Diese Auffassung ist weder unionsrechts- noch verfassungswidrig [...]. Soweit die Mitgliedstaaten – auch bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit – an das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit gebunden sind (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 EUV), trifft diese Verpflichtung zunächst nur die Mitgliedstaaten untereinander. Diese auf die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Schwarzarbeit zielende Verpflichtung kann einem Verweis darauf wegen der nach der oben genannten Rechtsprechung erforderlichen Einzelfallprüfung nicht entgegengehalten werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verweis auf eine unangemeldete Erwerbstätigkeit – wie im Falle Griechenlands – nicht auf Dauer, sondern lediglich für eine vorübergehende Zeit (hier bis zur Erlangung der für den Zugang zum legalen Arbeitsmarkt erforderlichen Dokumente) erfolgt.
46 bb) Bei Anwendung dieses Maßstabes erscheint es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass männliche nichtvulnerable Schutzberechtigte ihr wirtschaftliches Existenzminimum im Sinne der Grundbedürfnisse in Griechenland nicht durch Erwerbseinkommen decken können. Soweit für den Zugang zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (ebenfalls) eine Reihe von Dokumenten erforderlich ist, deren Erteilung sich wegen der eingangs geschilderten bürokratischen Hürden und Verfahrensdauern in den ersten Wochen bis zu Monaten nach der Rückkehr verzögert, ist es Schutzberechtigten möglich und zumutbar, während dieser Zeit eine Tätigkeit in der Schattenwirtschaft aufzunehmen. [...]
51 cc) Zur Gewährleistung der weiteren Grundbedürfnisse, namentlich des Verpflegungsbedarfs, können nach Griechenland zurückkehrende nichtvulnerable Schutzberechtigte im Falle eines zu geringen oder fehlenden Erwerbseinkommens zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht auf staatliche Sozialleistungen zurückgreifen.
52 Die Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach anerkannte Schutzberechtigte unter den gleichen rechtlichen Voraussetzungen Zugang zu Sozialleistungen wie griechische Staatsangehörige haben, derartige Ansprüche (auch) für anerkannt Schutzberechtigte aber in der Regel einen rechtmäßigen und längerfristigen Aufenthalt in Griechenland voraussetzen, Schwierigkeiten beim Zugang zu den Leistungen wegen bürokratischer Hürden bestehen und sie jedenfalls in den ersten sechs Monaten vom staatlichen Mindesteinkommen ausgeschlossen sind [...], entsprechen der aktuellen Erkenntnislage. [...].
53 dd) Es werden aber Angebote von Hilfsorganisationen und karitativen Einrichtungen vorgehalten, die neben dem Erwerbseinkommen zur Abwendung einer extremen materiellen Notlage zumindest beitragen, sodass eine Verelendung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. [...]
56 Wenn darüber hinaus auch die Möglichkeit besteht, als Teil einer zahlenmäßig starken Einwanderungsgruppe Unterstützung durch Netzwerke von Menschen aus demselben Sprach- und Kulturkreis zu erlangen [...], kann dies zwar zur Deckung der elementarsten Bedürfnisse von Schutzberechtigten beitragen und wäre entsprechend zu berücksichtigen. Da eine Verelendung aber bereits ohne eine solche Unterstützung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, lässt der Senat offen, ob und gegebenenfalls für welche Einwanderungsgruppen die Erkenntnisquellen derartige landsmannschaftliche Unterstützungsleistungen hinreichend belastbar hergeben.
57 d) Nach der aktuellen Auskunftslage erscheint es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland auch ohne Einkommen und ohne erforderliche Dokumente keine medizinische Notfall- und Erstversorgung im öffentlichen Gesundheitssystem erhalten. [...]
60 Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass Schutzberechtigte in eine Lage extremer materieller Not geraten, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung und Hygiene zu befriedigen. Soweit sie nicht im Rahmen des bilateralen Überbrückungsprogramms zurückkehren, stehen sie zwar erheblichen Schwierigkeiten bei der Erlangung der für den Zugang zu staatlichen, teilweise auch nichtstaatlichen, Unterstützungsleistungen erforderlichen Dokumente und Registrierungen gegenüber mit der Folge, dass sie in den ersten Wochen bis Monaten nach der Rückkehr auf temporäre, gegebenenfalls auch wechselnde Unterkünfte wie Obdachlosenunterkünfte, Wohnheime oder Übernachtungsstellen angewiesen sind. Zudem sind sie zur Deckung ihrer Bedürfnisse auf eigenes Erwerbseinkommen zu verweisen, welches jedenfalls in der beschriebenen Übergangszeit bis zum Vorliegen der Voraussetzungen für einen Zugang zum legalen Arbeitsmarkt mit entsprechenden Vermittlungs- und Unterstützungsangeboten in der Schattenwirtschaft erzielt werden kann. Zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse können nach Griechenland zurückkehrende nichtvulnerable Schutzberechtigte im Falle eines zu geringen oder fehlenden Erwerbseinkommens zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht auf staatliche Sozialleistungen zurückgreifen. Es werden aber Angebote von Hilfsorganisationen und karitativen Einrichtungen vorgehalten, die neben dem Erwerbseinkommen zur Abwendung einer extremen materiellen Notlage zumindest beitragen können. Eine medizinische Not- und Erstversorgung ist gesichert. [...]