Fluchtgefahr wegen Verletzung von Mitteilungspflichten:
1. Eine Sicherungshaft darf gem. § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG angeordnet werden, wenn Fluchtgefahr besteht. Eine Fluchtgefahr wird gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG vermutet, wenn eine gesetzte Ausreisefrist abgelaufen ist und die Person ihren Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Behörde eine Anschrift mitzuteilen, unter der sie erreichbar ist. Eine Fluchtgefahr kann in diesem Sinne nicht angenommen werden, wenn der Aufenthaltswechsel vor dem Entstehen der Ausreisepflicht und vor Ablauf der Ausreisefrist erfolgte.
2. Der Haftgrund der unerlaubten Einreise gemäß § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG ist nicht erfüllt, wenn die Einreise im Rahmen einer Dublin-Überstellung und somit auf Grundlage von EU-Recht und mit einem EU-Laissez Passer erfolgte. Zudem beruht die Einreise in dieser Konstellation nicht auf einem eigenen Willensentschluss. Eine willenlose unerlaubte Einreise lässt nicht darauf schließen, dass sich Betroffene einer Abschiebung entziehen würden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
II. [...]
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil die Haft mangels eines Haftgrundes nicht hätte angeordnet werden dürfen.
Es lag weder der Haftgrund der unerlaubten Einreise gemäß § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG noch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG vor. Sonstige Haftgründe sind nicht ersichtlich und wurden von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.
Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des Amtsgerichts Paderborn in seinem Beschluss vom 16.01.2025 an, in welchem dieses ausführte:
"[...]
Es fehlt an einem Haftgrund.
Der Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG liegt nicht vor. Der im Antrag zugrunde gelegte Vermutungstatbestand des § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG ist nicht einschlägig. Eine Fluchtgefahr wird gern. § 62 Abs. 3a
Nr. 3 AufenthG vermutet, wenn eine gesetzte Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Behörde eine Anschrift mitzuteilen, unter der er erreichbar ist.
Die Anzeigepflicht folgt aus § 50 Abs. 4 AufenthG. Dabei kommen, weil der Ausländer vorher nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen muss, nur Aufenthaltswechsel nach Entstehen der Ausreisepflicht und Ablauf der Ausreisefrist in Betracht. Beides muss kumulativ vorliegen. Entfällt während laufender Frist die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, z.B. wegen Rechtsmittels, ist der Haftgrund nicht gegeben. Ebenso, wenn (noch) keine Frist gesetzt wurde bzw. diese von vornherein entbehrlich ist; wegen des Analogieverbotes des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG darf die Norm insofern auch nicht entsprechend angewendet werden (Kaniess, Abschiebungshaft, Kap. 2 Sicherungshaft (§62 Abs.3 AufenthG) Rn. 62, beckonline). [...]
Der Haftgrund der unerlaubten Einreise nach 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG ist im Ergebnis ebenfalls nicht anzunehmen bzw. scheitert an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei einer Einreise im Rahmen einer Dublin-III Überstellung um eine unerlaubte Einreise im Sinne von § 14 AufenthG handelt. Die Überstellung erfolgt schließlich auf Grundlage von EU-Recht und die deutschen Behörden haben im Rahmen des Dublin-III Verfahrens der Rückübernahme des Betroffenen zugestimmt. Für die Einreise in die Bundesrepublik wurde dem Betroffenen auch ein EU-Laissez Passer ausgestellt.
Selbst wenn es sich bei einer Einreise im Rahmen einer Rücküberstellung ausländerrechtlich um eine unerlaubte Einreise handeln sollte, muss jedoch im Rahmen der stets anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden, dass die Einreise des Betroffenen nicht auf dessen Willensentschluss beruhte, sondern behördlich angeordnet und durchgesetzt wurde. Der Betroffene hat sich folglich nicht bewusst dafür entschieden erneut ohne Aufenthaltstitel in die Bundesrepublik einzureisen. Angesichts dieses Umstandes ist die beantragte Verlängerung der Sicherungshaft, welche im Ergebnis zu einer Gesamtinhaftierung von knapp 6 Monaten führen würde,
unverhältnismäßig.“
Eine willenlose unerlaubte Einreise lässt mithin nicht darauf schließen, dass sich der Betroffene einer Abschiebung entziehen würde. [...]