Familienasyl vermittelt denselben Schutz wie bei unmittelbarer Zuerkennung eines Schutzstatus:
1. Familienasyl nach § 26 AsylG vermittelt keinen gesonderten Status minderen Rechts, sondern einen umfassenden Schutzstatus, den auch den Personen zusteht, denen der Schutzstatus unmittelbar zuerkannt wurde.
2. Es besteht kein Anspruch auf die Prüfung von persönlich drohenden Verfolgungsgefahren, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienasyl vorliegen.
3. Eine Schlechterstellung von Schutzberechtigten aus abgeleitetem Recht ist aufgrund der Berücksichtigung von in eigener Person begründeten gegenwärtigen Verfolgungstatsachen im Widerrufsverfahren nicht gegeben.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Nach § 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AsylG i. V. m. § 26 Abs. 2 AsylG wird ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines subsidiär Schutzberechtigten auf Antrag subsidiärer Schutz zuerkannt, wenn die Zuerkennung subsidiären Schutzes des Elternteils unanfechtbar ist und diese Zuerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Dem entsprechend hat im vorliegenden Fall die Beklagte der Klägerin mit dem angegriffenen Bescheid vom 3. März 2020 subsidiären Schutz zuerkannt, nachdem sie dem Vater der Klägerin mit unanfechtbarem Bescheid vom 23. Mai 2016 den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hatte. [...]
Die Zuerkennung des Schutzstatus nach § 26 Abs. 2 und 5 AsylG gewährt dem begünstigten Familienangehörigen dieselbe Rechtsstellung wie die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG aus eigenem Recht. Das Institut des Familienasyls verleiht keinen gesonderten, vom Asylrecht unabhängigen Status minderen Rechts (vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 139. AL, § 26 AsylVfGNG, Rn. 18), sondern vermittelt vielmehr dem begünstigten Familienangehörigen einen umfassenden (hier) subsidiären Schutzstatus und damit diejenigen im nationalen Recht vorgesehenen Rechte, die auch Ausländern zustehen, denen subsidiärer
Schutz unmittelbar zuerkannt wurde (vgl. zum abgeleiteten Flüchtlingsschutz: BVerwG, Urteil vom 25. November 2021 ‑ 1 C 4/21 ‑, juris Rn. 19; BayVGH, Beschluss vom 18. Juli 2017 ‑ 21 ZB 16.30724 ‑, juris Rn. 8). Im Hinblick auf die Identität der Rechtsstellung aus abgeleitetem und eigenem Recht haben Familienangehörige im Allgemeinen daher keinen Anspruch auf die - unter Umständen schwierige und langwierige Prüfung - der ihm persönlich drohenden Verfolgungsgefahren, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienasyl vorliegen (vgl. Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 139. AL, § 26 AsylVfGNG, Rn. 21 m. w. N.; Bergmann/Dienelt/Bergmann, 14. Aufl. 2022, AsylG § 26 Rn. 18; a. A.: Huber/Mantel AufenthG/Nestler/Vogt, 4. Aufl. 2025, AsylG § 26 Rn. 9). Mithin hat dieselbe Rechtsstellung aufgrund gleichrangiger Rechtsgrundlagen bei Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus auf der Grundlage des § 26 AsylG auch die Nutzlosigkeit einer auf Zuerkennung eines originären subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG gerichteten Verpflichtungsklage zur Folge (ebenso BayVGH, Beschluss vom 18. Juli 2017 ‑ 21 ZB 16.30724 ‑, juris Rn. 8).
Soweit die Klägerin vorbringt, dass sich eine vorrangige Prüfung des Anspruchs auf subsidiären Schutz aus eigenem Recht aus einer europarechtskonformen Auslegung ergebe, geht die Klägerin in ihrer Annahme fehl.
Sie verkennt bereits, dass der von ihr angeführte Art. 23 Abs. 2 der RL 2011/95/EU in Ansehung der Definition des „Familienangehörigen“ in Art. 2 lit. j) der RL 2011/95/EU eine derartige Pflicht bei im Bundesgebiet geborenen Kindern international Schutzberechtigter - wie die Klägerin - gerade nicht statuiert (EuGH, Urteil vom 9. November 2021 ‑ C-91/20 ‑, juris, Rn. 37).
Auch verpflichtet Art. 23 Abs. 2 der RL 2011/95/EU die Mitgliedsstaaten lediglich dazu, Familienangehörigen von anerkannten Schutzberechtigten im Sinne von Art. 2 lit. j) der RL 2011/95/EU die in den Art. 24 bis 35 der RL 2011/95/EU genannten Leistungen zu gewähren, jedoch nicht die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus Familienangehörigen zuzuerkennen (BVerwG, Urteil vom 15. November 2023 ‑ 1 C 7/22 ‑, juris, Rn. 13 unter Verweis auf die dort zitierte ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, u. a. EuGH, Urteil vom 9. November 2021 ‑ C-91/20 ‑, juris, Rn. 36, und Urteil vom 4. Oktober 2018 ‑ C-652/16 ‑, juris, Rn. 68). [...]