Auch Unterstützer der PKK haben Recht auf ein faires Verfahren:
Entgegen der Ansicht des BAMF stellen Strafverfahren, die gegen Unterstützer einer verbotenen Organisation wie der PKK gerichtet sind, eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG dar, wenn es sich um unfaire und willkürliche Strafverfahren handelt, die rechtsstaatlichen Standards nicht genügen. Auch Unterstützer*innen einer verbotenen Organisation haben Anspruch auf ein faires Verfahren.
(Leitsatz der Redaktion)
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Es bestehen auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage jedenfalls erhebliche Zweifel daran, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag des Antragstellers zu Recht auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54), in Kraft getreten am 27. Februar 2024, als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer einen Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 AsylG) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde. Diese Voraussetzungen sind hier zwar erfüllt. Es bestehen aber erhebliche Zweifel daran, dass die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers rechtmäßig war. Das Bundesamt führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller nach eigener Aussage die PKK in sozialen Medien unterstützt habe, weshalb sich die gegen ihn gerichtete Strafverfolgung keine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG darstelle. Im Übrigen habe er die Echtheit der vorgelegten Dokumente nicht belegen können, da er nicht über einen UYAP-Zugang verfüge.
Die vom Bundesamt in Bezug auf die Strafverfolgung wegen Terrorpropaganda vertretene Auffassung wird vom hier zur Entscheidung berufenen Einzelrichter in ständiger Rechtsprechung nicht geteilt. Im Hinblick auf politisierte Strafverfahren, wie es beim hier in Rede stehenden Straftatbestand der Propaganda für eine Terrororganisation der Fall ist, ist nach den vorliegenden Erkenntnisquellen davon auszugehen, dass die türkischen Gerichte keine Unabhängigkeit besitzen und ein rechtsstaatlichen Grundsätzen genügendes Verfahren bzw. eine faire Prozessführung nicht gewährleistet ist […].
In Bezug auf die konkrete Entscheidungsfindung bestehen darüber hinaus erhebliche Defizite. So kommt es nach der Zusammenfassung des BFA zu einer "schablonenhaften Entscheidungsfindung" ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall. Entscheidungen in massenhaft abgewickelten Verfahren betreffend Terrorismus-Vorwürfen leiden häufig unter mangelhaften rechtlichen Begründungen sowie lückenhafter und wenig glaubwürdiger Beweisführung. Zudem werden danach teilweise Beweise der Verteidigung bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt [...].
Schließlich ist auch regelmäßig davon auszugehen, dass ein bestehender Festnahmebefehl bei Rückkehr in die Türkei vollstreckt würde. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass die betroffene Person bereits am Flughafen identifiziert und zur Vollstreckung der Haftstrafe festgenommen würde. Denn bei der Einreise in die Türkei besteht eine allgemeine Personenkontrolle und es wird überprüft, ob ein Eintrag im Fahndungsregister besteht oder Ermittlungs- bzw. Strafverfahren anhängig sind [...].
Entgegen der Auffassung des Bundesamts ist bereits der Umstand, dass eine Person einem nicht rechtsstaatlichen und willkürlichen Strafverfahren ausgesetzt wird, von flüchtlingsschutzrechtlicher Relevanz; Maßnahmen in einem Strafverfahren, die grundlegenden rechtsstaatlichen Standards nicht genügen, stellen Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG dar. Auch der Unterstützer einer verbotenen Organisation wie der PKK hat mit anderen Worten ein Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK). Wenn ein Staat – wie hier die Türkei – nicht willens ist, in politisierten Strafverfahren rechtsstaatliche Grundsätze zu beachten, steht der betroffenen Person grundsätzlich Flüchtlingsschutz gemäß §§ 3 ff. AsylG zu. [...]