Widerruf der Flüchtlingseigenschaft wegen begangener Straftaten:
1. Ein Widerruf der Flüchtlingseigenschaft kann nach § 73 Abs. 5 AsylG i.V.m. § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8b Nr. 2 und 3 AufenthG (Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft wegen Straftaten mit Gewalt oder niederen Beweggründen) erfolgen, wenn der Betroffene wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde und nach Einschätzung des Gerichts eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Die Gefahr für die Allgemeinheit kann sich unter anderem aus erkennbaren Relativierungstendenzen bezüglich der verübten Taten ergeben.
2. Ein Widerruf wegen Wegfalls der Umstände (§ 73 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) kommt für die Region im Nordosten von Syrien aktuell nicht in Betracht. Voraussetzung für den Widerruf ist, dass sich die Umstände "nicht nur vorübergehend" verändert haben, was derzeit zweifelhaft ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
1. Der in Ziffer 1 des Bescheides verfügte Widerruf der dem Kläger mit Bescheid vom 23.05.2016 zuerkannten Flüchtlingseigenschaft erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) als rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage ist § 73 Abs. 5 AsylG i.V.m. § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8b Nr. 2 und 3 AufenthG. [...]
aa) Mit dem Urteil des Amtsgerichts ... vom ... 2020 (Az.: ...] wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten wegen sexueller Nötigung verurteilt.
bb) Der Kläger bedeutet auch eine Gefahr für die Allgemeinheit. [...]
Unter Berücksichtigung der von dem Kläger hiergegen vorgebrachten Einwendungen ist ergänzend auf folgendes Hinzuweisen: Der in den Urteilen des Amtsgerichts ... vom ... 2020 und vom ... 2024 erfolgten Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung kommt für die eigenständige verwaltungsgerichtliche Gefahrenprognose lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung in der Entscheidung vom ... 2020 ausweislich der Urteilsgründe lediglich "unter Bedenken" erfolgt ist und mit dem weiteren Urteil des Amtsgerichts ... vom .... 2024 mittlerweile eine gegenüber dieser Entscheidung neuere Tatsachenlage vorliegt. Soweit die letztgenannte, unter "Zurückstellung einiger bedenken", getroffene erneute Aussetzungsentscheidung darauf gestützt wurde, dass die Tat lange zurückliegt und der Kläger in sozial gefestigten Verhältnissen lebe, vermag dies für die gefahrenabwehrrechtliche Zukunftsprognose nicht gleichermaßen zu verfangen. Die Kinder des Klägers wurden am ... 2018, ... 2019 und am ... 2021 geboren, mithin vermochte ihn die Geburt seines ersten Kindes und die damit verbundene Beziehung zu seiner damaligen und auch heutigen Lebensgefährtin nicht von der Begehung der im Strafausspruch schwerwiegenderen Straftat der sexuellen Nötigung am ... 2019 sowie der Körperverletzung im ... 2019 abzuhalten. Vor diesem Hintergrund können auch die derzeitigen familiären Verhältnisse des Klägers nicht tragfähig von seiner künftigen Straffreiheit überzeugen. Die mittlerweile fortgeschrittene Integration in den Arbeitsmarkt vermag hieran nicht durchgreifend etwas zu ändern.
Für eine künftige Straffreiheit des Klägers streitet insbesondere, dass er sich mittlerweile seit mehr als neun Jahren in Deutschland aufhält und die Begehung der am spätesten begangenen abgeurteilten Straftat der sexuellen Nötigung bereits eine Zeitspanne von mehr als fünf Jahren zurückliegt, in der er sich straffrei verhalten hat. Zudem handelte es sich bei der später abgeurteilten Körperverletzung um eine Beziehungstat und zu der mittlerweile ausgewanderten Geschädigten besteht kein Kontakt mehr.
Auch unter Berücksichtigung dieser positiven Aspekte ist der Einzelrichter jedoch in der Gesamtschau, insbesondere aufgrund des aus dem Nachtatverhalten des Klägers erkennbaren Persönlichkeitsbildes davon überzeugt, dass hier die ernsthafte Gefahr besteht, dass der Kläger auch zukünftig vergleichbare Straftaten begehen wird. Dem Kläger ist es in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, sich überzeugend und nachhaltig von seinem gezeigten Verhalten zu distanzieren. Vielmehr entstand der Eindruck, dass der Kläger sich einer bewussten Aufarbeitung seines Verhaltens bisher nicht zugewendet hat und die Geschehnisse weiterhin, wie bereits in den Strafverfahren, weitgehend unreflektiert relativiert und bagatellisiert. So erklärte er zu der Verurteilung wegen sexueller Nötigung, dass er verurteilt worden sei, obwohl es keine echten Beweise gegeben habe, dass er es tatsächlich gemacht habe und betonte dabei, dass (nur) die Geschädigte auch Haschisch geraucht habe. Die Körperverletzung zu Lasten seiner ehemaligen Lebensgefährtin stritt der Kläger weiterhin ab. In Bezug auf die Verurteilung wegen Gewaltdarstellung führte er an, dass er nicht gewusst habe, dass dies in Deutschland verboten sei und er lediglich über die Situation in Syrien habe informieren wollen. Die daraus erkennbaren Relativierungstendenzen stellen gewichtige Anhaltspunkte für die Bejahung einer Gefahr für die Allgemeinheit dar, die insgesamt vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr überzeugen. [...]
b) Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft auch auf § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, Satz 3 AsylG gestützt werden kann. Zwar haben sich mit dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 die Umstände in Syrien erheblich verändert [...] Für die Region im Nordosten des Landes, aus der der Kläger stammt, erscheint jedoch die von § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG vorausgesetzte "nicht nur vorübergehende" Veränderung der Umstände derzeit zweifelhaft. Das Auswärtige Amt beschreibt die Lage in dieser Region jedenfalls als volatil und jederzeit veränderlich. [...]