Flüchtlingsanerkennung für beschnittene Frau aus Somalia:
Aufgrund der drohenden (Re-) Infibulation nach der Geburt eines Kindes ist einer bereits beschnittenen Frau die Flüchtlingsanerkennung zuzusprechen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
(1) Der Klägerin droht als Angehöriger der Gruppe der Frauen im gebärfähigen Alter - die Klägerin ist derzeit 34 Jahre alt - Verfolgung durch die drohende Gefahr einer weitergehenden GenitaIverstümmelung, namentlich durch erneute Re-Infibulation.
Dabei steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attests sowie der glaubhaften Schilderungen der Klägerin sowohl vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Klägerin in Somalia durch initiale Genitalbeschneidung ebenso wie durch drei Re-Infibulationen genitalverstümmelt und damit einer gravierenden Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit gerade in Anknüpfung an ihre Geschlechtszugehörigkeit unterworfen wurde. An der Richtigkeit des vorgelegten Attests oder der diesbezüglichen Angaben der Klägerin zu zweifeln, bieten sich dem Gericht keine Anhaltspunkte. [...]
Auch der Umstand, dass die Klägerin im Bundesgebiet nunmehr mit einem weiteren Mann zusammenlebt, den sie selbst, als ihren Ehemann bezeichnet - ohne freilich Unterlagen über eine (ggf. nach islamischem Ritus vollzogene) Eheschließung vorgelegt zu haben - und der nach ihren Angaben die Re-Infibulation ebenfalls ablehnt, stellt keinen stichhaltigen Grund dar, der die Wiederholungsträchtigkeit der oben beschriebenen Vorverfolgung entkräften würde. Denn der Einzelrichter vermag für die anzustellende realitätsnahe Rückkehrprognose nicht davon auszugehen, dass der Mann, mit dem die Klägerin im Bundesgebiet zusammenlebt und der nach den Angaben der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung hier über ein Aufenthaltsrecht verfügt, die Klägerin auch im Fall einer Rückkehr nach Somalia dorthin begleiten würde. [...]
Angesichts dieser Erkenntnisse vor dem Hintergrund der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, dass sich die Klägerin bei einer Rückkehr nach Somalia dem Ansinnen einer erneuten Heirat sozial und wirtschaftlich nicht wird entziehen können und eingedenk der glaubhaften Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dazu, in ihrem Clan werde die Re-Infibulation nach der Geburt eines Kindes als ein Muss angesehen, vermag das Gericht keine stichhaltigen Gründe zu erkennen, welche die tatsächliche Vermutung der Gefahr einer Wiederholung der von der Klägerin bereits erlittenen Genitalverstümmelung bzw. Re-Infibulation widerlegen könnten. Vielmehr hat der Einzelrichter im vorliegenden Einzelfall auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben durch ihre Familie zur ursprünglichen Beschneidung veranlasst wurde, sodass der Einzelrichter kein unterstützungsbereites Netzwerk der Klägerin in Somalia zu erkennen vermag, welches verhindern wollte oder könnte, dass die Klägerin einen Partner heiraten muss, welcher auf ihrer Re-Infibulation besteht. [...]