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VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 31.03.2025 - 1 A 49/24 - asyl.net: M33393
https://www.asyl.net/rsdb/m33393
Leitsatz:

Keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in Syrien: 

Bei einer Rückkehr nach Syrien droht keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen Wehrdienstverweigerung, illegaler Ausreise oder einem Aufenthalt in Deutschland. Die Wehrpflicht wurde vom Präsidenten der neuen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, abgeschafft und eine Generalamnestie für Mitglieder der syrischen Armee und alle Wehrpflichtigen erlassen.

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Syrien, Upgrade-Klage, Wehrdienstentziehung, Militärdienst, Dienstpflicht, Änderung der Sachlage, Nachfluchtgründe
Normen: AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 28 Abs. 1a, AsylG § 3a Abs. 3
Auszüge:

[...]

Der Kläger ist weder vorverfolgt aus Syrien ausgereist noch musste er in dem Zeitpunkt, in dem er Syrien verlassen hat, jederzeit mit einer Verfolgung rechnen. [...]

2. Dem Kläger droht auch keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung aufgrund von Ereignissen, die nach dem Verlassen Syriens eingetreten sind (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG).

Nach dem Sturz des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad im Dezember 2024 steht das syrische Staatsgebiet nicht mehr unter der Kontrolle des syrischen Assad-Regimes. Aktuell steht der überwiegende Teil des syrischen Staatsgebietes einschließlich der syrischen Hauptstadt Damaskus unter der Kontrolle des Bündnisses mehrerer Rebellen-Gruppierungen, welches von der Gruppierung Hayat Tahrir al-Sham (HTS) angeführt wird [...]. Die Frage, ob sich - wie von dem Kläger vorgetragen - für ihn eine Verfolgungsgefahr durch das Assad-Regime ergeben könnte, stellt sich daher nicht mehr [...]. Die Verfassung von 2012 wurde außer Kraft gesetzt. Die Streitkräfte sollen neu organisiert, die Rebellengruppen in die Staatsstrukturen integriert werden. Mit dem gestürzten Assad-Regime verbundene Sicherheitsorgane wurden aufgelöst [...]. Zwischenzeitlich hat der Übergangspräsident Ahmed Al-Scharaa eine aus 22 Ministern bestehende Regierung ernannt. Teil des Kabinetts sind neben ehemaligen Rebellenvertretern auch eine christliche Frau sowie Vertreter der Alawiten und der Drusen [...].

Aus Syrien stammenden Personen droht bei einer Rückkehr nach Syrien im Allgemeinen wegen ihrer illegalen Ausreise in Verbindung mit einem Asylantrag und dem Verbleib im westlichen Ausland keine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Es entsprach bereits unter Herrschaft des Assad-Regimes ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass eine illegale Ausreise, die Stellung eines Asylantrages sowie der Aufenthalt im westlichen Ausland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen durch die syrischen Sicherheitskräfte führen [...]. Zur Überzeugung des Gerichts gilt dies fort und dem Kläger droht auch unter Herrschaft des HTS-Bündnisses bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung wegen seiner illegalen Ausreise und seinem Aufenthalt in Deutschland [...]. Vielmehr fordert HTS syrische Flüchtlinge auf, nach Syrien zurückzukehren und beim Wiederaufbau zu helfen [...]. Politische Inhaftierte des Assad-Regimes sind von HTS aus den Gefängnissen befreit worden [...].

Nach dem Sturz des Assad Regimes sind sowohl das Vorbringen des Klägers zu seiner Verweigerung des Wehrdienstes als auch die Frage, unter welchen konkreten Umständen das Assad Regime Wehrdienstentzieher als Regimegegner betrachtet hat, obsolet geworden. Denn das HTS-Bündnis hat eine Generalamnestie für Mitglieder der syrischen Armee und alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt [...]. Nach Aussage des Präsidenten der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, sei die Wehrdienstpflicht abgeschafft und stattdessen werde zukünftig auf freiwillige Rekrutierung gesetzt [...]. Es ist somit nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger wegen des Wehrdienstentzuges Verfolgung zu befürchten hat. [...]