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VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.06.2025 - 11 S 1292/24 - asyl.net: M33440
https://www.asyl.net/rsdb/m33440
Leitsatz:

Streitwert bei Haupt- und Hilfsanspruch: 

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG werden die Streitwerte eines Haupt- und des Hilfsanspruchs nicht addiert, soweit sie denselben Gegenstand betreffen. Wird die Aufhebung des Widerrufs einer Niederlassungserlaubnis und hilfsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt, so handelt es nicht um denselben Streitgegenstand, und die Streitwerte sind zu addieren. 

(Leitsatz der Redaktion) 

Schlagwörter: Aufenthaltsrecht, Kostenrecht, Gegenstandswert, Streitwert,
Normen: GKG § 52 Abs. 2, GKG § 45 Abs. 1, AufenthG § 52 Abs. 1
Auszüge:

[...]

18 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

19 Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, § 63 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 52 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat mit der Festsetzung des Streitwerts auf 5.000,- EUR im Ansatz zutreffend angenommen, dass eine gegen den Widerruf einer Niederlassungserlaubnis erhobene Anfechtungsklage mit dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen ist [...]. Da es sich beim Widerruf einer Niederlassungserlaubnis um einen actus contrarius zu ihrer Erteilung handelt, ist im Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der für die Erteilung geltende Streitwert zugrunde zu legen. Dieser beträgt im Fall der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach ständiger Rechtsprechung des Senats 5.000,- EUR [...].

20 Vorliegend war das Klagebegehren darüber hinaus jedoch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtet. Da das Verwaltungsgericht über das hilfsweise geltend gemachte Begehren entschieden und die Klage auch insoweit als unbegründet abgewiesen hat, ist dieser Streitgegenstand ebenfalls mit dem Auffangwert in Ansatz zu bringen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).

21 Dem steht auch § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht entgegen. Danach ist von der Addition eines hilfsweise geltend gemachten Anspruchs mit einem Hauptanspruch abzusehen und nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, sofern die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen.

22 Ob die Anträge denselben Gegenstand betreffen, bestimmt sich nicht nach dem prozessualen Streitgegenstandsbegriff. Maßgebend ist vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Nach dem insoweit maßgeblichen kostenrechtlichen Gegenstandsbegriff sind für das Merkmal "desselben Gegenstands" zwei Voraussetzungen erforderlich, nämlich, dass die Ansprüche nicht nebeneinander bestehen können und dass sie auf dasselbe Interesse gerichtet sind [...].

23 Die im Wege der Kombination von Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachten, auf Anfechtung des Widerrufs einer Niederlassungserlaubnis und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Begehren sind nicht auf dasselbe Interesse gerichtet. Die gegen den Widerruf einer Niederlassungserlaubnis gerichtete Anfechtungsklage ist darauf gerichtet, den infolge der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bestehenden Rechtszustand aufrechtzuerhalten. Die Niederlassungserlaubnis ist als rechtliche Bestätigung einer erfolgreichen Integration konstruiert, gewährt denjenigen Ausländern ein Daueraufenthaltsrecht, die aufgrund der Dauer ihres Aufenthalts und ihrer persönlichen Lebensumstände in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert sind [...], und geht in Ansehung dessen mit im Vergleich zu einer Aufenthaltserlaubnis günstigeren Rechtsfolgen einher, etwa im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts - § 4 Abs. 3 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG -, beim Bezug von Elterngeld - § 1 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG - sowie im Ausländerrecht - § 29 Abs. 1, § 51 Abs. 2 AufenthG -. Demgegenüber ist die auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage auf die Herbeiführung eines neuen und unter Berücksichtigung einer kostenrechtlichen Betrachtungsweise nicht vergleichbaren Rechtszustands gerichtet. Im Gegensatz zur Niederlassungserlaubnis ist die Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich nicht Ausdruck einer erfolgreichen Integration, sondern dient (lediglich) dazu, einem Ausländer den rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.

24 Begehrt ein Ausländer, der Inhaber einer Niederlassungserlaubnis ist, die Aufhebung des Widerrufs dieser Niederlassungserlaubnis und zugleich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, liegen seinen Begehren sehr unterschiedliche Interessen zugrunde mit der Folge, dass die für jedes seiner Begehren zu bestimmenden Streitwerte nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zu addieren sind.

25 Aufgrund dessen ist es angezeigt, den Streitwert für das Zulassungsverfahren mit 10.000,- EUR festzusetzen. Zugleich macht der Senat von seiner Befugnis Gebrauch, den vom Verwaltungsgericht auf 5.000,- EUR festgesetzten Streitwert nach erfolgter Anhörung der Beteiligten gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen abzuändern. [...]