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VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 24.06.2025 - 22 L 1258/25.A - asyl.net: M33449
https://www.asyl.net/rsdb/m33449
Leitsatz:

In der Türkei drohendes Strafverfahren wegen Präsidentenbeleidigung rechtfertigt weiteres Asylverfahren: 

1. Werden nach Abschluss eines Asylerstverfahrens Unterlagen über ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung vorgelegt, liegen neue Elemente und Erkenntnisse vor, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer günstigeren Entscheidung führen (§ 71 Abs. 1 AsylG). Ein Strafverfahren in der Türkei wegen Präsidentenbeleidigung kann einen Anspruch auf  Zuerkennung von Flüchtlingsschutz begründen. 

2. Es ist plausibel, dass Unterlagen eines laufenden Strafverfahrens in UYAP erst dann einsehbar sind, wenn die Anklage vom zuständigen Strafgericht zugelassen worden ist.

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Asylfolgeantrag, Türkei, UYAP, E-Devlet, neue Beweismittel, Präsidentenbeleidigung, Rechtsschutz bei Asylfolgeanträgen, vorläufiger Rechtsschutz, neue Elemente und Erkenntnisse,
Normen: AsylG § 29 Abs. 5, AsylG § 71 Abs. 1, AsylG § 71 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin jedenfalls nach Maßgabe einer im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage vor. Es sind neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten bzw. vom Antragsteller vorgebracht worden, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung beitragen. [...]

Diese Elemente und Erkenntnisse werden jedoch nur berücksichtigt, wenn der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, sie bereits im Asylerstverfahren geltend zu machen.

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller vorliegend neue Umstände glaubhaft gemacht; insbesondere hat er geeignete Beweismittel vorgelegt, welche die Annahme begründen, dass ihm politische Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden droht. Das durch die Vorlage entsprechender Unterlagen vorgetragene Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung stellt einen neuen Umstand dar. Im Asylerstverfahren standen demgegenüber Strafverfahren wegen Terrorpropaganda in Rede. Auch ist es nach den Erkenntnissen des Gerichts plausibel, dass der Antragsteller diese Unterlagen erst nach Abschluss des Asylerstverfahrens vorlegen konnte. Denn es trifft zu, dass der Angeklagte selbst die das Strafverfahren betreffenden Unterlagen erst in seinem eigenen UYAP-Account einsehen kann, wenn die Anklage vom zuständigen Strafgericht zugelassen worden ist. Dies ist hier nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers erst am 5. September 2023 erfolgt.

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers weist auch zu Recht darauf hin, dass ein Strafverfahren wegen Präsidentenbeleidigung in der Türkei einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen kann. [...]