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VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 20.06.2025 - 22 L 1025/25.A - asyl.net: M33450
https://www.asyl.net/rsdb/m33450
Leitsatz:

Verfolgung von Straftaten ohne Politmalus begründen keinen Flüchtlingsschutz: 

1. Werden in einem Asylfolgeverfahren Unterlagen über eine Strafverfolgung vorgelegt, bei der nicht von einem sogenannten Politmalus auszugehen ist, liegen keine ausreichenden Umstände für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vor. 

2. Werden strafrechtliche Urteile im Asylverfahren durch das BAMF nicht ins Deutsche übersetzt, ist im Hauptsacheverfahren zu klären, ob eine Haftstrafe in der Türkei zu erwarten ist. Denn die Haftbedingungen in der Türkei genügen in zahlreichen Haftanstalten nicht den menschenrechtlichen Mindestanforderungen. Wenn keine verbindliche Zusicherung durch die türkischen Behörden erfolgt, dass die betroffene Person in einer die menschenrechtlichen Mindestanforderungen entsprechenden Haftanstalt inhaftiert werden wird,  ist eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten. 

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Türkei, Asylverfahren, Haftbedingungen, Asylfolgeantrag,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, AsylG § 71 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 5, EMRK Art. 3
Auszüge:

[...]

Es bestehen im vorliegenden Fall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist der Asylantrag unzulässig, wenn im Fall eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. [...]

Denn anders als im Asylerstverfahren hat er unter Vorlage entsprechender Unterlagen vorgetragen, dass er wegen verschiedener Straftaten, unter anderem wegen schweren Raubes, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden sei. Ungeachtet der Tatsache, dass er diese Verurteilung bereits im Asylerstverfahren hätte vortragen können bzw. müssen, handelt es sich dabei offensichtlich nicht um politische Verfolgung, so dass dieser Umstand flüchtlingsschutzrechtlich unerheblich ist. Die Verurteilung erfolgte wegen einer Straftat, bei der ein sog. "Politmalus" nicht erkennbar ist.

Der Hilfsantrag ist zulässig und jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) begründet. [...]

Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. [...]

Gemessen daran bestehen hier ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides, mit dem das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 31. Juli 2023 bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt hat. [...]

Der Kläger ist ausweislich der im Folgeverfahren vorgelegten Dokumente, die sich im Verwaltungsvorgang des Bundesamts befinden, wegen verschiedener Straftaten zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Leider befinden sich im Verwaltungsvorgang des Bundesamts keine Übersetzungen der Dokumente in die deutsche Sprache, so dass das Gericht auf die Angaben des Bundesamts sowie auf im Internet verfügbare Übersetzungsprogramme angewiesen ist. Das Bundesamt meint, dass es sich um eine Verurteilung wegen Körperverletzung handele. Dies lässt sich nicht verifizieren. In einem Dokument, bei dem es sich offenbar um einen UYAP-Auszug handelt, geht es um "İşyeri Dokunu imazlığını İhlal Etme". DeepL übersetzt dies als "Verstoß gegen das Verbot des Eindringens am Arbeitsplatz". In einer Berufungsentscheidung ist der Antragsteller deswegen zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Tat soll am ... 2021 begangen worden sein. In einem anderen Dokument, das sich offenbar auf dieselbe Tat bezieht, wird als Tatvorwurf genannt (übersetzt mit DeepL): "Diebstahl, Verletzung der Unverletzlichkeit des Arbeitsplatzes, Sachbeschädigung". In einem weiteren Dokument geht es um "Nitelikli Yağmaya Teşebbüs", was DeepL mit "Versuchter schwerer Raubüberfall" übersetzt. Hier soll die Tat am ... 2021 begangen worden sein. Es muss letztlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, diese Dokumente übersetzen zu lassen. Auch muss im Hauptsacheverfahren mithilfe eines aktuellen UYAP-Auszuges ermittelt werden, zu welcher Haftstrafe der Antragsteller konkret verurteilt worden ist.

Denn das Gericht geht anhand der aktuellen Erkenntnislage davon aus, dass die Haftbedingungen in der Türkei den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen in zahlreichen Haftanstalten nicht entsprechen und dass es regelmäßig einer verbindlichen Zusicherung durch die türkischen Behörden bedarf, dass die betroffene Person in einer die menschenrechtlichen Mindestanforderungen entsprechenden Haftanstalt inhaftiert werden wird. [...]