Unabhängig von den vorgebrachten Gründen liegt ein Asylantrag bei förmlicher Antragstellung vor:
1. Ein Asylantrag liegt immer dann vor, wenn das Schutzgesuch förmlich bei der zuständigen Stelle des BAMF gestellt wird. Da die Gründe für das Schutzgesuch nach der förmlichen Antragstellung vorgebracht werden, ist immer von einem Asylantrag auszugehen, sobald dieser förmlich gestellt wurde, auch wenn sich herausstellt, dass er mit dem Ziel gestellt wurde, eine medizinische Behandlung in Deutschland zu erlangen.
2. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein an Fibromyalgie und Spondyloarthritis erkrankter Mann, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, bei einer Rückkehr nach Bulgarien dort in der Lage wäre, eine Arbeit zu finden und den notwendigen behindertengerechten Wohnraum zu finanzieren.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Ein Asylantrag liegt vor. Bereits am 25. Oktober 2024 hat der Kläger ein Asylgesuch geäußert und ist er von der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Bielefeld nach § 14 Abs. 1 und § 23 Abs. 2 AsylG belehrt worden. In dem vom Kläger unterzeichneten Formular heißt es, dass er in der Bundesrepublik Deutschland um die Gewährung von Asyl nachgesucht habe. Der Kläger hat anschließend einen als solchen bezeichneten Asylantrag gemäß § 14 AsylG persönlich am 13. Dezember 2024 bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes gestellt und dies mit seiner Unterschrift bestätigt [...]. Mit diesem Antrag ist ein Asylverfahren förmlich eingeleitet worden. Da der Asylantragsteller seinen Antrag bei der Antragstellung nicht sofort begründen muss und eine persönliche Anhörung zu den Asylgründen in aller Regel – so auch hier - erst in einem späteren Stadium nach Klärung der internationalen Zuständigkeit erfolgt, ist vom Vorliegen eines Asylantrags nach dessen förmlicher Erstellung unabhängig davon auszugehen, ob dieser Antrag auf Gründen beruht, die thematisch dem internationalen Schutz zuzuordnen sind und damit materiell ein Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylG darstellen; dies ist vielmehr ab förmlicher Antragstellung ohne weiteres anzunehmen [...].
Das widerspricht auch nicht dem unionsrechtlichen Begriff des Antrags auf internationalen Schutz. Dieser bezeichnet nach Art. 2 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [...] i.V.m. Art. 2 lit. h der [...] EU-Anerkennungs-RL, RL 2011/95/EU das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, [...] wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht. Als gestellt gilt ein Antrag auf internationalen Schutz, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO) [...].
Das ist hier erfolgt. Dass der Kläger Schutz aus verfolgungsunabhängigen, rein humanitären Gründen sucht, weil es ihm ausschließlich um eine medizinische Behandlung in Deutschland geht, ist für die Qualifizierung seines Begehrens als Asylantrag danach unerheblich.
Der angefochtene Bescheid ist gleichwohl rechtswidrig, weil die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. der streitgegenständlichen Bescheide nicht auf die Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG gestützt werden kann. [...]
Nach diesen Maßstäben geht das Gericht unter Berücksichtigung der vorliegenden Auskünfte und Erkenntnisse davon aus, dass der Kläger, der gesundheitlich schwer beeinträchtigt und auf den Rollstuhl angewiesen ist, zum Kreis der vulnerablen Gruppen gehört, denen in Bulgarien wegen eines nicht mehr zumutbaren Risikos der Obdachlosigkeit eine gegen Art. 4 GR-Charta oder Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht.
Es liegen zwar weiterhin keine konkreten Hinweise dafür vor, dass Asylsuchende oder anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien im Allgemeinen obdachlos oder von Obdachlosigkeit in besonderem Maße bedroht wären [...].
Anerkannt Schutzberechtigte müssen sich in Bulgarien jedoch grundsätzlich selbst um eine Unterkunft bemühen und haben keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in einer Flüchtlingsunterkunft [...].
Hiervon ausgehend besteht derzeit aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger kurz- und mittelfristig keine Unterkunft finden und damit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in dem oben genannten Sinne erfahren wird. Aufgrund seines Krankheitsbildes wird der Kläger nicht in der Lage sein, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Bei der axialen Spondyloarthritis handelt es sich um eine chronische rheumatisch-empfindliche Systemerkrankung, die mit einer Entzündung an der Wirbelsäule einhergeht. Das klinische Erscheinungsbild der Erkrankung ist in erster Linie durch das Vorhandensein von chronischen, sogenannten entzündlichen Rückenschmerzen gekennzeichnet [...].
Der Kläger leidet ferner unter Fibromyalgie. Dabei handelt es sich um eine chronische Schmerzerkrankung. Die Krankheit verursacht Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen, meist in der Nähe von Gelenken und Muskeln. Fast immer ist auch die Wirbelsäule betroffen [...].
Infolge seiner Erkrankungen leidet der Kläger unter starken Bewegungseinschränkungen. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen. Bei Behördengängen und Arztbesuchen benötigt er die Hilfe Dritter. Selbst wenn der Kläger die notwendigen medizinischen Behandlungen und Medikamente auch in Bulgarien erhalten könnte, ist nicht davon auszugehen, dass er bei den vorhandenen körperlichen Einschränkungen im unmittelbaren Anschluss an die Rückkehr in der Lage wäre, Arbeit zu finden und eigenständig den für ihn erforderlichen behindertengerechten Wohnraum zu finanzieren. [...]