Anerkannt Schutzberechtigten droht in Griechenland Obdachlosigkeit:
"1. Das aktuelle Urteil des BVerwG (1 C 18.24) ist nicht geeignet, die Einschätzung zahlreicher NGOs und mehrerer Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte aus den vergangenen Jahren in Zweifel zu ziehen, dass anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Obdachlosigkeit droht.
2. 1.000 Betten in Obdachlosenunterkünften sind nicht ausreichend, um die Zehntausenden von Schutzberechtigten aufzunehmen, die in Griechenland jährlich anerkannt werden.
3. Das BVerwG beachtet den Amtsermittlungsgrundsatz nicht hinreichend, wenn es die Feststellungen zuverlässiger Nichtregierungsorganisationen, dass griechische Obdachlosenunterkünfte überfüllt und für Schutzberechtigte kaum zugänglich sind, verwirft, ohne eigene Ermittlungen zu deren Auslastung und Zugänglichkeit anzustellen.
4. Es ist rechtswidrig, wenn Gerichte, die ihrerseits an Recht und Gesetz gebunden sind, geflüchtete Menschen zum Rechtsbruch animieren, indem sie sie darauf verweisen, ihren Lebensunterhalt mit "Schwarzarbeit" in der "Schattenwirtschaft" zu verdienen.
5. Geflüchtete auf "Schwarzarbeit" in Griechenland zu verweisen, ist auch deswegen unzulässig, weil ihnen in der "Schattenwirtschaft" mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit prekäre Lebensbedingungen und Ausbeutung drohen."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Dass die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig im Bescheid vom 05.06.2025 rechtmäßig war, begegnet auch nach dem Urteil des BVerwG vom 16.04.2025 im Verfahren 1 C 18.24 (juris) ernstlichen Zweifeln. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). [...]
Die Einzelrichterin folgt nicht der Auffassung des BVerwG, dass alleinstehenden, erwerbsfähigen und nichtvulnerablen international Schutzberechtigten aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erniedrigende oder unmenschliche Lebensbedingungen drohen, die eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 GRC zur Folge haben. Sie geht vielmehr nach wie vor davon aus, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Antragsteller im Falle seiner Überstellung nach Griechenland eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK droht [...].
Aktuellen Erkenntnismitteln zufolge besteht für anerkannte Schutzberechtigten in Griechenland nach wie vor ein hohes Risiko von Obdachlosigkeit und Verelendung. Personen, denen internationaler Schutzstatus in Griechenland zugesprochen wird, sind verpflichtet, die Unterkünfte für Asylwerber spätestens 30 Tage nach dem positiven Asylbescheid zu verlassen. Aus anderen EU-Ländern abgeschobene anerkannte Schutzberechtigte erhalten in der Regel keine Unterkunft und keine finanzielle Unterstützung [...]. Noch immer verhindern hohe Arbeitslosenquoten und weitere Hindernisse, die durch den Wettbewerb mit griechischsprachigen Arbeitnehmern entstehen können, die Integration der Begünstigten in den Arbeitsmarkt. Drittstaatsangehörige sind in den einschlägigen statistischen Arbeitslosendaten weiterhin überrepräsentiert [...]. Anerkannte Schutzberechtigte können ihre Rechte in Griechenland nur eingeschränkt ausüben und sind oft der Obdachlosigkeit ausgesetzt oder leben in prekären Verhältnissen in verlassenen Häusern, ohne Elektrizität und fließendes Wasser [...].
Zudem ist Griechenland aktuell von einer Krise auf dem Wohnungsmarkt betroffen, die mittlerweile ein kritisches Niveau erreicht hat und den Zugang zu Wohnraum erheblich erschwert. Der rapide Anstieg der Kosten für Wohnraum setzt selbst die Mittelschicht unter enormen Druck, sodass bezahlbarer Wohnraum zunehmend unerreichbar wird. [...].
Die Einzelrichterin teilt nicht die Einschätzung des BVerwG, wonach eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK durch systemische Schwachstellen des griechischen Asylsystems jedenfalls nicht anerkannten männlichen Schutzberechtigten drohe, die allein nach Griechenland zurückkehrten und jung, gesund und arbeitsfähig seien. Sie erachtet die Auffassung als unzutreffend, dass Angehörige dieser Gruppe ihre Grundbedürfnisse durch die Übernachtung in temporären Unterkünften oder Notschlafstellen sowie durch eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls aus einer Beschäftigung in der sogenannten Schattenwirtschaft, decken könnten [...].
Nach einem aktuellen Bericht der NGOs Pro Asyl und Refugee Support Aegean war das Jahr 2024 in Griechenland durch einen fast vollständigen Stillstand der Grundversorgung für Flüchtlinge gekennzeichnet. Es kam zu gravierenden Versorgungslücken aufgrund der Unterbrechung von Rahmenverträgen (z. B. Dolmetscherdienste, Transport und Bargeldhilfe), die direkte, verheerende Auswirkungen auf die Integrationsaussichten Zehntausender von Menschen haben, die internationalen Schutz erhalten haben [...]. Die erhebliche Versorgungslücke, die die griechischen Behörden hinterlassen haben, kann nach der Einschätzung der NGOs Legal Centre Lesvos und Samos Volunteers von privaten oder internationalen Akteuren nicht vollständig geschlossen werden. Dies zeige sich deutlich an der Finanzierungslücke des UNHCR in Griechenland, die Ende 2024 bei nur 51 % lag. Ebenso verfügten NGOs nur über begrenzte Ressourcen und könnten daher nur eine vorübergehende Lösung bieten, beispielsweise bei akuter Unterversorgung mit Lebensmitteln [...]. NGOs schätzen die Frist von 30 Tagen, innerhalb derer Geflüchtete nach der Zuerkennung internationalen Schutzes das Camp verlassen müssen, als völlig unzureichend ein, um ihnen die Beschaffung wesentlicher Dokumente zu ermöglichen und eine Unterkunft zu finden [...].
Ebenso wenig wie der Hessische VGH in der Vorinstanz stellt das BVerwG in seiner aktuellen Entscheidung eigene Ermittlungen an zu der Frage, ob aktuell Unterkünfte und Unterstützungsmöglichkeiten für anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland in ausreichender Zahl und mit der notwendigen Verlässlichkeit zur Verfügung stehen. Das BVerwG konstatiert zwar zutreffend, dass Asylsuchende ihre Unterkünfte spätestens 30 Tage nach der Zuerkennung internationalen Schutzes verlassen müssen und dass der griechische Staat für diese Gruppe keine Unterkünfte vorhält [...]. Darüber hinaus führt das Gericht richtigerweise aus, dass Unterkünfte auf dem freien Wohnungsmarkt für anerkannte Schutzberechtigte zumindest für einen längeren Zeitraum nach ihrer Rückkehr nach Griechenland kaum erreichbar sind [...]. Sodann kommt es jedoch zu dem fehlerhaften Schluss, dass anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Leben in Obdachlosigkeit drohe, weil landesweit Obdachlosenunterkünfte "mit einer Kapazität von bis zu über 1000 Betten" betrieben werden [...].
Diese Schlussfolgerung ist schon deswegen nicht haltbar, weil allein im Jahr 2023 laut dem griechischen Ministerium für Migration und Asyl 57.891 Personen in Griechenland einen Erstantrag auf Asyl gestellt haben. Damit hat sich die Zahl der Asylanträge seit dem Jahr 2022 mit noch 29.097 Erstanträgen nahezu verdoppelt [...]. Von den über 57.000 Erstantragstellern wurden im Jahr 2023 76,7 % als schutzberechtigt anerkannt, davon 24.345 als Flüchtlinge und 591 als subsidiär Schutzberechtigte [...]. Im Jahr 2024 stieg die Zahl der Asylerstanträge weiter an auf nunmehr um die 69.000, während in 39.271 Entscheidungen der Flüchtlingsstatus und in 296 Entscheidungen subsidiärer Schutz gewährt wurde [...]. Ausgehend von den 1.000 Betten, die das BVerwG als ausreichend erachtet, stünde also nur für etwa jede 39. im Jahr 2024 als schutzberechtigt anerkannte und ihrer Unterkunft verwiesene Person ein Platz in einer Notunterkunft zur Verfügung, also für 2,5 % der Bedürftigen - und diese Rechnung lässt die Obdachlosen mit griechischer Nationalität noch außer Betracht, wie auch die verbliebenen Schutz berechtigten aus den Vorjahren und die Zehntausenden Schutzberechtigten, die aktuell mit jedem neuen Jahr hinzutreten.
Zwar verlassen sehr viele anerkannte Schutzberechtigte Griechenland wegen der schwierigen Lebensumstände wieder und reisen weiter in andere EU-Staaten. Doch auch dort entstehen Kontingente von Zehntausenden Personen, für deren Aufnahme Griechenland nach wie vor grundsätzlich zuständig ist. Allein in Deutschland stellten im Jahr 2024 25.112 Menschen einen Asylantrag, die zuvor in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt worden waren [...]. Diese sind nur dann nicht mehr als Belastung für das griechische Aufnahmesystem zu berücksichtigen, wenn die Mitgliedsstaaten, in denen der weitere Asylantrag gestellt wird, wegen der Annahme systemischer Mängel von der Überstellung der Schutz berechtigten an Griechenland absehen. Genau dies möchte die Antragsgegnerin aufgrund der geänderten Rechtsauffassung des BVerwG aber zukünftig nicht mehr tun und stattdessen die Asylanträge junger, arbeitsfähiger Männer oder sogar aller nichtvulnerablen Personen als unzulässig ablehnen, wenn diese bereits über eine Anerkennung in Griechenland verfügen. Begünstigende Umstände wie ein längerer Voraufenthalt, familiäre Verbindungen oder eine erhöhte finanzielle Leistungsfähigkeit sollen nur zusätzlich zur Begründung der Entscheidung herangezogen werden, aber keine Voraussetzung für eine Ablehnung des Asylantrags und für die Rückführung nach Griechenland sein [...].
Richtigerweise müssen sich das BVerwG wie auch die Antragsgegnerin also nicht fragen, ob die 1.000 Betten in griechischen Notunterkünften ausreichen, um den einzelnen jeweiligen Antragsteller zu beherbergen. Entscheidend ist vielmehr, ob sie ausreichen, um ihn als eine von über 10.000 allein aus Deutschland jährlich zurückzuführenden Personen aufzunehmen, zusätzlich zu den Schutzberechtigten, die aus anderen EU-Staaten zurückgeführt werden. Dies ist ersichtlich nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob die bestehenden Unterkünfte zum Entscheidungszeitpunkt überfüllt sind oder nicht, weil sie selbst dann, wenn sie bisher vollständig ungenutzt wären - was fernliegend ist -, keine ausreichenden Kapazitäten hätten.
Das BVerwG wertet zudem die eigens zitierten Erkenntnismittel fehlerhaft aus, wenn es etwa ausführt, das Zentrum für Obdachlose in Athen mit Platz für bis zu 400 Personen "deck[e] damit den Bedarf der Stadt vollständig ab" [...]. Zum Beleg verweist das Gericht auf die Internetseite des City of Athens Reception and Solidarity Center (KYADA), aus der jedoch nur hervorgeht, dass dort im September 2024 400 obdachlose Personen in Unterkünften untergebracht wurden, nicht aber, dass dies den Bedarf der Stadt decken würde [...]. Dass dies gerade nicht zutrifft, ergibt sich vielmehr aus dem aktuellen Bericht des Greek Council for Refugees (GCR), demzufolge es für anerkannte Schutzberechtigte äußerst schwierig ist, in einer der drei Obdachlosenunterkünften in Athen aufgenommen zu werden, da diese Unterkünfte ständig überbelegt sind und lange Wartelisten haben, da ständig neue Anträge auf Unterkunft eingehen. Das vom BVerwG angeführte Zentrum KYADA nimmt demnach aufgrund fehlender Dolmetscherdienste nur griechisch- oder englischsprachige Personen auf [...]. Die NGO Refugee Support Aegean kontaktierte im März 2025 telefonisch Obdachlosenunterkünften in der Region Attika und ermittelte, dass keine der kontaktierten Unterkünfte in Athen und Piräus über freie Plätze verfügt und die Unterkünfte vielmehr Wartelisten führen, die meist sehr lang sind. Zudem sind zusätzlich zu den gültigen Dokumenten, z. B. Aufenthaltsgenehmigung, AFM und AMKA, für den Zugang zu allen Unterkünften umfangreiche medizinische Untersuchungen erforderlich. Diese wiederum setzen eine aktive AMKA voraus. Auch Griechisch- oder Englischkenntnisse sind Voraussetzung für den Zugang zu den Unterkünften. Darüber hinaus verzeichneten die Organisationen einen Anstieg der Zahl "unsichtbarer Obdachloser", die unter prekären Bedingungen in Räumungsgefahr, in ungeeigneten Unterkünften und Lebensbedingungen leben, während Zwangsräumungen aus solchen Unterkünften weiterhin stattfinden, obwohl Berichte über solche Orte angesichts der aufeinanderfolgenden Räumungsaktionen in den vergangenen Jahren selten geworden sind [...]. Angesichts dieser Informationen beachtet das BVerwG den Amtsermittlungsgrundsatz nicht hinreichend, wenn es behauptet, "eine substantiiert ermittelte und aktuell festgestellte Überfüllung der Unterkünfte [lasse] sich nicht positiv feststellen" [...]. Zudem benennt es die wiederholten Hinweise von NGOs auf administrative Hürden für Schutzberechtigte beim Zugang zu diesen Unterkünften zwar, verwirft diese dann aber ohne substantiierte Begründung, anstatt sie - etwa durch eigene Anfragen bei den in Bezug genommenen Unterkünften - durch entgegenstehende Feststellungen zu erschüttern [...].
Soweit das BVerwG wie zuvor bereits der Hessische VGH [...] Schutzberechtigte auf sog. "informelle Unterkünfte" verweist [...], überzeugt dies ebenfalls nicht. Die Annahme, dass anerkannte Schutzberechtigte möglicherweise in informellen Unterkünften bei Landsleuten unterkommen könnten, ist hoch spekulativ und kann die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Obdachlosigkeit nicht ausräumen. Das BVerwG zitiert einen Bericht aus dem Jahr 2022 über Geflüchtete, die in sog. "Masafarhánas", informellen Unterkünften für afghanische Männer in Athen, leben. Sodann hebt es jedoch primär die Vorzüge dieser Unterkünfte - Miete von 5 bis 7 Euro pro Nacht, zentrale Lage und leichter Zugang zur "Schattenwirtschaft - hervor (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 41), ohne die sonstigen Informationen in dem Bericht ausreichend zu würdigen, insbesondere, dass sich demnach mehr als 20 Personen eine Vierzimmerwohnung teilen müssen, dass die Wohnungen in der Regel in einem schrecklichen Zustand [...] sind oder dass die Wohnungsinhaber ihre Landsleute oft ausbeuten und von ihrem Elend profitieren [...]. Dass informelle Unterkünfte obdachlosen Menschen in Griechenland keine Sicherheit bieten, zeigt sich zudem beispielhaft an dem Großbrand in einer Slumsiedlung in Manolada im Süden Griechenlands, bei dem im Mai 2025 die Unterkünfte von über 1.000 Wanderarbeitern aus Bangladesch zerstört wurden. Berichten lokaler Gewerkschaften und der regionalen Gewerkschaft der Lebensmittelindustrie zufolge wurden ihnen keine Notunterkünfte oder grundlegende Lebensmittel- und Wasservorräte bereitgestellt, sodass die obdachlosen Migranten sich selbst überlassen waren [...]. In der gleichen Region war es bereits in den Jahren 2018 und 2021 zu verheerenden Bränden der Unterkünfte von Saisonarbeitern gekommen [...].
Letztlich kann der Antragsteller auch weder auf das am 06.02.2025 gestartete Programm HELIOS+ noch auf das noch unbenannte "Überbrückungsprogramm" des deutschen Innenministeriums in Zusammenarbeit mit dem griechischen Ministerium für Migration und Asyl verwiesen werden [...]. HELIOS+ stellt nach den bisher verfügbaren Informationen ebenso wie bereits das Vorgängerprogramm HELIOS II keine eigenen Unterkünfte zur Verfügung. Die Unterstützung beschränkt sich auf Unterstützung bei der Wohnungssuche und Mietzuschüsse, die jedoch nur gewährt werden, wenn bereits ein Mietvertrag mit einer Mindestdauer von sechs Monaten vorliegt [...] Teilnahmeberechtigt an dem "Überbrückungsprogramm", in dessen Rahmen freiwillig nach Griechenland zurückkehrenden Personen Unterkunft für einen Zeitraum von bis zu vier Monaten in Aussicht gestellt wird, sind nach der Auskunft des Bundesamtes nur Personen, die auch berechtigt zur Teilnahme am HELIOS+-Programm sind [...]. Damit ist die Kapazität des Programms ebenfalls bereits stark limitiert, abgesehen davon, dass auch noch keine genauen Informationen über den Kreis der Berechtigten zur Teilnahme an HELIOS+ vorliegen [...]. Vor dem Hintergrund, dass die griechische Regierung auf die Entscheidung des BVerwG hin prompt verkündet hat, keine anerkannten Schutzberechtigten aus Deutschland zurücknehmen zu wollen, ist fraglich, ob sie sich an die Absprachen im Rahmen des "Überbrückungsprogramms" überhaupt noch gebunden sieht [...].
Nach alledem kann das BVerwG in keiner Weise die Einschätzung zahlreicher NGOs und mehrerer Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte aus den vergangenen Jahren in Zweifel ziehen, dass anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Obdachlosigkeit droht. Die aktuellen Berichte über die verheerende Lage international Schutzberechtigter in Griechenland lassen sich auch nicht dadurch negieren, dass das Gericht ausführt, nichtvulnerablen männlichen Schutzberechtigten sei "ein höheres Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative abzuverlangen" [...]. Wenn lediglich knapp 1.000 Plätze in Unterkünften für Zehntausende Bedürftige zur Verfügung stehen und diesen Bedürftigen der Zugang zu den Unterkünften zudem durch administrative Vorgaben erheblich erschwert wird, so kann sich ein Schutzberechtigter auch durch maximales Durchsetzungsvermögen keinen Platz in einer Unterkunft verschaffen. Dass es keine aussagekräftigen Statistiken über Obdachlose in Griechenland gibt [...], steht der beachtlichen Gefahr von Obdachlosigkeit nicht entgegen, sondern führt vielmehr dazu, dass Gerichte die Einschätzungen von vor Ort tätigen Nichtregierungsorganisationen respektieren müssen, solange ihnen keine umfangreicheren oder zuverlässigeren Daten vorliegen und sie auch nicht bereit sind, solche selbst zu erheben.
Ferner können international Schutzberechtigte entgegen der Einschätzung des BVerwG nicht darauf verwiesen werden, ein ausreichendes Erwerbseinkommen in der sog. "Schattenwirtschaft" zu erzielen [...]. Nach Überzeugung der Einzelrichterin ist es rechtswidrig, wenn Gerichte, die ihrerseits an Recht und Gesetz gebunden sind, geflüchtete Menschen zum Rechtsbruch animieren. Und selbst wenn dies ungeachtet des Grundsatzes der Einheit der Unionsrechtsordnung zulässig wäre, hält die Einzel richterin es nicht für vertretbar, dass sich das BVerwG nicht damit auseinandersetzt, dass anerkannten Schutzberechtigten in der sog. "Schattenwirtschaft" ebenfalls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit prekäre Lebensbedingungen drohen dürften, die sie der Gefahr unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aussetzen.
Die in Athen ansässige NGO SolidarityNow veröffentlichte im März 2025 die Ergebnisse einer neuen Studie, die die Arbeitsbedingungen von Personen mit legalen Dokumenten, wie Aufenthaltsgenehmigungen, und Personen, die internationalen Schutz genießen, im Raum Athen und Thessaloniki untersuchte. Demnach waren die Befragten, welche in nicht angemeldeten Tätigkeiten beschäftigt waren, vor allem in Branchen wie dem Baugewerbe und der Hausarbeit, schwerer Ausbeutung ausgesetzt, darunter Unterbezahlung und Ausschluss von Sozialleistungen. Verstöße gegen Arbeitsrechte waren demnach alarmierend weit verbreitet: Fast 63 % der Teilnehmer gaben an, mindestens einen Fall von Verstößen gegen ihre Arbeitsrechte erlebt zu haben. Häufige Probleme waren die Nichtzahlung von Zulagen, die Verweigerung von Krankentagen und unzureichende oder fehlende Entschädigungen für Arbeitsunfälle [...].. 75 % der Befragten in nicht angemeldeter Beschäftigung erhielten nicht die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Vergütung und 59 % weniger Geld als ihre griechischen Kollegen. Zwei Drittel der Personen, die während ihrer Schicht einen Arbeitsunfall hatten, erhielten keine Entschädigung. 35 % der Befragten, die einen Verstoß gegen ihre Arbeitsrechte erlebt hatten, gaben zudem an, keine weiteren Maßnahmen ergriffen zu haben, um gegen den Verstoß vorzugehen, insbesondere aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, oder wegen Unkenntnis ihrer rechtlichen Möglichkeiten oder der griechischen Sprache. 40 % gaben an, dass die Verletzung ihrer Arbeitsrechte schwerwiegende Auswirkungen auf ihr Leben hatte. Insbesondere wurden 50 % während einer Krankheit und 36 % während des Jahresurlaubs nicht bezahlt, und 38 % hatten Schwierigkeiten, ihre medizinischen Ausgaben zu decken [...].
Das BVerwG erwähnt diese Problematik lediglich in einem einzigen Satz und beurteilt die Lebensbedingungen von "Schwarzarbeitern" in Griechenland zwar als "prekär und ausbeuterisch", aber dennoch als zumutbar, ohne seine Einschätzung zu begründen [...]. Soweit das BVerwG andeutet, die Bedingungen seien deswegen nicht unzumutbar, weil die Betroffenen sie lediglich "für die Übergangszeit bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für einen Zugang zum legalen Arbeitsmarkt" erdulden müssten, so steht dem bereits entgegen, dass nach den eigenen Feststellungen des Gerichts nur 30 % der Migranten in Griechenland legal beschäftigt sind [...]. Dies stimmt überein mit aktuellen Erkenntnissen des UNHCR. Dieser zufolge waren in Griechenland zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2024 die Hälfte der befragten Geflüchteten arbeitslos. Von denjenigen, die angaben, in Arbeit oder gelegentlich beschäftigt zu sein, gingen fast 60 % ungelernten Tätigkeiten nach, während nur 69 % einen schriftlichen Arbeitsvertrag hatten [...].
Die Einzelrichterin geht demnach derzeit weiterhin davon aus, dass dem Antragsteller bei einer Rücküberstellung nach Griechenland voraussichtlich eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK droht, weil er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit obdachlos werden wird. Schon während seines vorausgegangenen Aufenthalts in Griechenland lebte er nach der Erteilung seines Schutzstatus zwei Monate auf der Straße und schlief in einem Zelt. Zudem erhielt er nur unzureichende medizinische Behandlung. Er verfügt nicht über besondere Kontakte oder Ressourcen, um bei einer Rückkehr nach Griechenland die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit und Wohnung zu bewältigen. Deshalb kommt eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Griechenland voraussichtlich nicht in Betracht, sodass die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen ist. [...]