Gesetzesänderung als zureichender Grund für Untätigkeit:
Die Überlastung einer Einbürgerungsbehörde, die auf einen drastischen Anstieg von Einbürgerungsanträgen infolge einer Gesetzesänderung zurückzuführen ist, kann ein zureichender Grund dafür sein, dass die Behörde nicht in angemessener Frist entscheidet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn personell und organisatorisch in einer Weise reagiert wird, die geeignet ist, die Überlastung abzubauen, damit sie nicht von längerer Dauer ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
18 d) Eine nicht näher prognostizierbare Belastung einer Staatsangehörigkeitsbehörde, die jedenfalls überwiegend auf einen drastischen Anstieg von Anträgen auf Einbürgerung infolge des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts vom 22.03.2024 (BGBl. I Nr. 104) zurückzuführen ist, kann ein zureichender Grund im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO sein, wenn hierauf insbesondere personell und organisatorisch in einer Weise reagiert wird, die geeignet ist, die Überlastung so abzubauen, dass sie nicht von längerer Dauer ist. [...]
22 (2) Die im vorliegenden Fall handelnde Staatsangehörigkeitsbehörde hat geeignete personelle und organisatorische Maßnahmen ergriffen, um auf die hohe Arbeitsbelastung und damit einhergehend auf den "Verfahrenstau" adäquat zu reagieren.
23 Ausgehend von 5,45 Vollzeitarbeitskräften in dem noch durch Corona-Beschränkungen geprägten Jahr 2021 ist ihr Personal kontinuierlich aufgestockt und mit 19,75 Vollzeitstellen im Jahre 2024 nahezu vervierfacht worden. Das Stammpersonal der Staatsangehörigkeitsbehörde wird zusätzlich durch Auszubildende, Praktikanten und Ferienjobber ergänzt. Zudem sind auf der Grundlage einer im April 2022 durch ein externeres Institut durchgeführten Organisationsuntersuchung für den Aufgabenbereich "Einbürgerung" organisatorische Maßnahmen umgesetzt worden, die - wie der Beklagte in den Schriftsätzen vom 23.04.2025 und 30.07.2025 ebenfalls im Einzelnen dargestellt hat - mit einer effizienteren Verfahrensgestaltung einhergehen. Seit dem Beginn des Jahres 2025 schreitet die Digitalisierung bei der Behörde mit der Einführung der e-Akte voran. Flankierend ist die Website des Landratsamts überarbeitet und u.a. so informativ wie möglich gestaltet worden, um Anträge ohne Erfolgsaussichten und den Bearbeitungsaufwand zu reduzieren. Mit Hilfe des sog. Quick-Checks auf der Homepage des Landratsamts können die Erfolgsaussichten auf Einbürgerung vor der Antragstellung überprüft werden [...].
24 Personalaufstockungen und die Einführung der elektronischen Akte sind regelmäßig mit variierenden Einarbeitungszeiten verbunden, so dass diese Maßnahmen nicht sofort zu voller Wirksamkeit führen. Ausweislich des Schriftsatzes des Landratsamts vom 23.04.2025 sind die Erledigungszahlen der Staatsangehörigkeitsbehörde seit dem Jahre 2022 gestiegen. Im Jahre 2024 sind 2.361 Einbürgerungsverfahren abgeschlossen worden, was einer Steigerung von 92,58 % im Vergleich zu 2023 (1.226 erledigte Anträge) entspricht. Dies verdeutlicht, dass die in die Wege geleiteten Maßnahmen "greifen". [...]
26 Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass dem Beklagten ein Defizit vorzuwerfen sei, weil eine weitere Personalaufstockung im hier zuständigen Landratsamt schon früher hätte einsetzen müssen, nämlich spätestens am 19.05.2023, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts auf der Homepage des Bundesinnenministeriums. Allein schon aufgrund des erst noch zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfahrens wohnt einem Gesetzentwurf typischerweise eine Volatilität inne. Zudem kann aufgrund der Bindung der Verwaltung an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von einer Behörde grundsätzlich nicht erwartet werden, dass sie bereits im Vorgriff auf lediglich geplante, aber noch nicht verkündete Gesetze personelle und organisatorische Vorkehrungen trifft, die mit Kosten verbunden sind [...]. Unabhängig davon setzen haushaltsrechtliche Vorgaben und vielfältige Bedarfe der öffentlichen Hand einer Personalverstärkung Grenzen [...].
27 Des Weiteren lässt es keinen Organisationsmangel erkennen, dass das Landratsamt nicht die - vom Kläger der Sache nach gewünschte - "Fast Lane" für neue und von Anfang an (aufgrund anwaltlicher Begleitung) vollständige Anträge einrichtet, sondern die Abarbeitung der Anträge auf Einbürgerung grundsätzlich an der Reihenfolge ihres Eingangs orientiert und jüngere Anträge (nur) dann vorzieht, wenn eine besondere Dringlichkeit geltend gemacht wird. Wie ein "Verfahrensstau" abgearbeitet wird, obliegt grundsätzlich dem Organisationsermessen der Behörde. Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs zu bearbeiten, ist ein im Grundsatz korrektes Vorgehen [...] und kann als Ausdruck der Gleichbehandlung der Antragsteller verstanden werden. Die allgemeinen Vorteile einer Einbürgerung, die jeder Person zuteilwerden, die eingebürgert wird, und eine derzeit vorhandene günstige Rechtslage für Ausländer, die eingebürgert werden wollen, gebieten eine Abweichung von der regulären Bearbeitungsreihenfolge nicht [...]. Entgegen der Annahme des Klägers hat er auch keinen Anspruch darauf, dass es Antragstellern, deren Verfahren einen größeren Bearbeitungsaufwand auslösen, zugemutet wird, (noch) längere Bearbeitungszeiten hinzunehmen, um ihm im Rahmen der Einführung einer "Fast Lane" eine zeitliche Privilegierung zu ermöglichen. [...]