Schutzanspruch für ukrainische Staatsangehörige auch nach kurzem Aufenthalt in Russland:
Nicht jeder Aufenthalt in einem Drittstaat führt dazu, dass die Betroffenen nicht mehr als "vertrieben" im Sinne der Massenzustromsrichtlinie (RL 2001/55/EG) gelten. Der Anspruchsausschluss tritt nur ein, wenn der Aufenthalt im Drittstaaat mit befristetem oder unbefristetem Aufenthaltsrecht einherging.
(Leitsätze der Redaktion; Das Urteil bezog sich auf die Hinweise des BMI vom 30.05.2024; siehe die aktualisierten Hinweise des BMI vom 11.08.2025, nach denen der vorübergehende Schutz in Deutschland ausgeschlossen sein soll, wenn der Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG nach dem 13. August 2025 gestellt und bereits in einem anderen Mitgliedstaat ein Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz erteilt wurde)
[...]
12 Auf der Grundlage ihres Vorbringens bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass den Antragstellern mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG zustehe und einem solchen Anspruch insbesondere nicht entgegenstehe, dass sich die Antragsteller nach ihrer Ausreise aus der Ukraine zunächst in einem Drittstaat - der Russischen Föderation - aufgehalten haben.
13 Hinsichtlich der "Weiterwanderung" eines Vertriebenen nach seiner Ausreise aus der Ukraine differenzieren die Hinweise in Ziffer 8.7 des Länderschreibens des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 30.05.2024 danach, ob die "Weiterreise" von einem anderen Mitgliedstaat oder - wie hier - einem Drittstaat aus erfolgt ist.
14 aa) Für den erstgenannten Fall gilt, dass weder der Aufenthalt noch die vorläufige Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG entgegensteht. [...]
16 Danach können die aus der Ukraine Geflüchteten den Mitgliedstaat wählen, in dem sie die mit dem vorübergehenden Schutz verbundenen Rechte in Anspruch nehmen wollen. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels darf deshalb nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass ein Betroffener bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen entsprechenden Titel erhalten hat. Gleichzeitig sollen die sich aus dem vorübergehenden Schutz ergebenden Rechte (Leistungsbezug) nur in jeweils einem Mitgliedstaat geltend gemacht werden können [...].
17 bb) Für den hier in Rede stehenden Fall der "Weiterwanderung" aus einem Drittstaat sieht das Länderschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 30.05.2024 in Ziffer 8.7 unter anderem vor, dass Ukrainern, die sich mit befristetem oder unbefristetem Aufenthaltsrecht in einem Drittstaat aufhalten, keine Visa und Aufenthaltserlaubnisse nach § 24 Abs. 1 AufenthG zu erteilen sind, da die Betroffenen nicht mehr als "vertrieben" gelten können. [...]
19 Auch nach den wiedergegebenen Hinweisen des Bundesministeriums des Innern und für Heimat im Länderrundschreiben vom 30.05.2024 führt der sich der Ausreise aus der Ukraine anschließende Aufenthalt in einem Drittstaat nicht ohne Weiteres dazu, dass die Betroffenen nicht mehr als "vertrieben" im Sinne des Art. 2 lit. c der Richtlinie 2001/55/EG gelten und in der Folge keine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 AufenthG erlangen können. Der Anspruchsausschluss soll nach dem Wortlaut in Ziffer 8.7 nur eintreten, wenn der Aufenthalt im Drittstaat "mit befristetem oder unbefristetem Aufenthaltsrecht" [...] erfolgt ist. [...]