Flüchtlingsanerkennung für Alkoholhändler aus Afghanistan:
Drohende physische Gewalt durch die Taliban aufgrund des Verkaufs von Alkohol führt zur Flüchtlingsanerkennung. Aufgrund der Tätigkeit des Klägers gilt er für die Taliban als politischer und religiöser Gegner.
(Leitsätze der Redaktion)
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Für das Gericht nachvollziehbar ist, dass der Kläger für die Taliban ein politischer und religiöser Gegner war. Er hatte sich seit Jahren wirtschaftlich am illegalen Verkauf von Alkohol bereichert und stellte sich in den Augen der Taliban als „gottlos“ dar. Denn schon der Konsum von Alkohol fällt ausweislich eines Berichts der schwedischen Migrationsbehörde nach der Rechtsschule der Taliban in die Kategorie der schwerwiegendsten Straftaten (vgl. Migrationsverket, Landinformation Afghanistan - Styre och rättskipning, Juli 2023), sodass davon auszugehen ist, dass auch der Handel hiermit in diese Kategorie fallen dürfte. Nach Angaben von UNAMA kam es zwischen November 2022 und April 2023 zu zahlreichen gerichtlichen Körperstrafen, u.a. auch wegen Vergehen in Zusammenhang mit Alkohol (UNAMA, Corporal punishment and the death penalty in Afghanistan, Mai 2023, S. 14). Zwischen dem 1. und 31. Oktober 2024 kam es zu mehreren Hundert Körperstrafen, u.a. auch wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit Alkohol (UNAMA, Update on the human rights situation in Afghanistan, October-December Update 2024, S. 5).
Im Fall des Klägers tritt noch erschwerend hinzu, dass sein Bruder und er nach seinen glaubhaften Angaben bereits vor ihrer Machtübernahme von Taliban bedrängt worden waren aber sich weigerten, ihren Forderungen nachzukommen. Und auch nach der Machtübernahme entschied sich der Kläger zur Flucht aus Afghanistan statt sich den Taliban zu stellen und machte damit deutlich, dass er sich den Taliban nicht reumütig stellen werde, sondern gegen ihre Vorstellung von einem tief religiös geprägten Zusammenleben ist – was den Taliban angesichts des Umstands, dass sie sich nach dem Verbleib des Klägers erkundigten, nicht unbekannt geblieben ist.
2. Dem Kläger droht danach bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Anwendung physischer Gewalt bis hin zur Tötung durch die Taliban. Diese beherrschen seit der Machtübernahme Mitte August 2021 das gesamte Staatsgebiet Afghanistans, zuvor bestehende staatliche Strukturen sind weggefallen und existieren nicht mehr, weshalb für den Kläger keine Möglichkeit besteht, internen Schutz gemäß § 3e AsylG vor Verfolgung zu erlangen (Rechtsprechung der Kammer, vgl. zuletzt Urt. v. 24.2.2025, 4 A 6102/24 und v. 6.1.2025, 4 A 3436/24, n.v., vgl. VG Hamburg, Urt. v. 2.8.2023, 4 A 4995/22, n.v., Urt. v. 16.8.2022, 4 A 2865/21, n.v., Urt. v. 1. Oktober 2021, 4 A 8474/17, n.v., Urt. v. 20.9.2021, 4 A 5884/17, n.v., Urt. v. 17.9.2021, 4 A 5009/17, n.v., GB v. 16.11.2021, 4 A 6044/17, n.v.).