Beweisbeschluss zu Obdachlosenunterkünften in Griechenland:
1. Es soll Beweis erhoben werden zur Verfügbarkeit und den Zugangsvoraussetzungen zu Obdachlosenunterkünften und Notschlafstellen in Griechenland. Die Feststellungen sind für alleinstehende Frauen und für Ehepaare mit und ohne Kinder im Rahmen einer generellen Zumutbarkeit im Falle einer Rückkehr entscheidungserheblich.
2. Alleinstehende, junge, gesunde und arbeitsfähige Männer können auf informelle Unterkünfte verwiesen werden. Besondere Bedürfnisse bei der Unterbringung sind nicht zu berücksichtigen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Es soll Beweis erhoben werden durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts zu den folgenden Fragen:
1. Gibt es in Griechenland ein Register, in das sich alle Obdachlosenunterkünfte eintragen müssen? Falls ja:
a) Auf der Grundlage welcher Rechts- oder Verwaltungsvorschrift(en) wird das Register betrieben?
b) Welche Daten werden in das Register eingetragen?
c) Besteht die Möglichkeit, dass der Kammer (über das Auswärtige Amt bzw. durch dessen Vermittlung) eine Auflistung der in das Register eingetragenen Unterkünfte mit einer möglichst detaillierten Unterkunftsbeschreibung übermittelt wird, insbesondere hinsichtlich der Zielgruppe der jeweiligen Unterkunft, der Anzahl der dort jeweils vorgehaltenen Schlafplätze sowie formaler und sonstiger Aufnahmevoraussetzungen?
d) Lässt sich über das Register feststellen, ob und in welchem Umfang bei den in dem Register gelisteten Obdachlosenunterkünften jeweils freie Kapazitäten bestehen? Wenn ja, bestehen freie Kapazitäten? In welchem Umfang?
e) Lässt sich über das Register feststellen, ob auch Drittstaatsangehörige und insbesondere in Griechenland anerkannte international Schutzberechtigte in Obdachlosenunterkünften untergebracht werden? Wenn ja, kann der Anteil der Drittstaatsangehörigen bzw. internationalen Schutzberechtigten näher bestimmt werden?
2. Gibt es in Griechenland ein Programm "Wohnen und Arbeiten für Obdachlose", durch das Obdachlose insbesondere Mietzuschüsse erhalten können? Falls ja:
a) Auf der Grundlage welcher Rechts- oder Verwaltungsvorschrift(en) wird das Programm durchgeführt?
b) Wer sind die Begünstigten des Programms und welche formalen und sonstigen Voraussetzungen müssen für eine Teilnahme an dem Programm erfüllt sein bzw. nachgewiesen werden?
c) Wie hoch ist das Budget des Programms und für wie viele Begünstigte ist es ausgelegt?
d) Lässt sich feststellen, ob und in welchem Umfang das Programm über finanzielle Mittel für die Aufnahme neuer Begünstigter verfügt?
e) Lässt sich feststellen, ob auch Drittstaatsangehörige und insbesondere in Griechenland anerkannte internationale Schutzberechtigte an dem Programm teilnehmen? Wenn ja, kann der Anteil der Drittstaatsangehörigen bzw. internationalen Schutzberechtigten näher bestimmt werden?
3. Um welche Schlafsäle, Hostels und Tageszentren handelt es sich bei den auf der Internetseite des griechischen Ministeriums für soziale Eingliederung und Familienangelegenheiten (https://minscfa.gov.gr/ en/demographic-policy/housing-policy/homeless-structures/) genannten 12 Schlafsäle, 7 Hostels und 12 Tageszentren? Ist es möglich, für jede dieser Einrichtungen die jeweilige Bettenkapazität zu benennen?
4. Sofern noch nicht durch die Beantwortung der vorstehenden Fragen geklärt, wird gebeten, zu den Unterkünften
City of Athens Reception and Solidarity Center (KYADA)
"Relief"-Notunterkunft für Obdachlose des Hilfswerks der Stadtverwaltung Piräus
Kareas Social Shelter (EKKA)
UNESCO Night Shelter and Day-Center Nikaia
UNESCO Night Shelter and Day-Center Piraeus
Médecins du Monde Homeless Night Shelter
mitzuteilen, welche formalen und sonstigen Aufnahmevoraussetzungen insbesondere im Hinblick auf
Vorlage von Identitätspapieren
Nachweis der Obdachlosigkeit
Nachweis eines legalen Aufenthalts
Vorlage medizinischer Dokumente
Vorlage sonstiger Papiere und Nachweise
bestehen, sowie
die Anzahl der vorgehaltenen Schlafplätze
die durchschnittliche und/oder aktuelle Anzahl freier Schlafplätze
mitzuteilen.
Gründe
11. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll aktuell nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass international Schutzberechtigte ohne besondere Vulnerabilitäten im Falle einer Rückkehr nach Griechenland dort nicht zumindest eine (ggf. temporäre, wechselnde) Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betrieben werden, finden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.2025, 1 C 18.24, juris Rn. 43). [...]
11b) Für die Personengruppe der jungen, gesunden, arbeitsfähigen, alleinstehenden und auch im Übrigen nicht vulnerablen Männer ist diese unterschiedliche Einschätzung nach der Rechtsprechung der Kammer grundsätzlich im Ergebnis nicht relevant, da die Kammer diese Gruppe auf informell vermietete Wohnungen, behelfsmäßige Unterkünfte, staatlich geduldete informelle Siedlungen oder sonstige einfachste Camps verweist (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 21.7.2025, 12 A 4453/25, juris Rn. 91 ff.).
12 Für andere Fallgruppen, insbesondere für alleinstehende Frauen sowie für Ehepaare mit oder ohne Kinder, dürfte diese unterschiedliche Einschätzung aber von erheblicher Bedeutung sein. Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass international Schutzberechtigte ohne besondere Vulnerabilitäten im Falle einer Rückkehr nach Griechenland dort zumindest eine (ggf. temporäre, wechselnde) Unterkunft oder Notschlafstelle mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen, die von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betrieben werden, finden könnten, dürfte nicht nur für die Personengruppe der jungen, gesunden, arbeitsfähigen, alleinstehenden und auch im Übrigen nicht vulnerablen Männer gelten. Zwar betrifft das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unmittelbar nur diese Personengruppe. Die Entscheidungsgründe geben aber nichts dafür her, dass ausreichende Plätze in Obdachlosen- und Notunterkünften sowie Übergangswohnheimen nur für Männer, aber nicht für Frauen oder Kinder zur Verfügung stehen sollen. Ebenso wenig ergibt sich dies aus den der Kammer vorliegenden und den vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung herangezogenen Erkenntnisquellen. Diese lassen darüber hinaus auch nicht den sicheren Schluss zu, dass diese – von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betriebenen – Unterkünfte Frauen oder Kindern generell unzumutbar sein könnten (dies – und damit die Tragweite der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für andere Personengruppen insgesamt – wohl übersehend VG Gießen, Beschl. v. 16.7.2025, 1 L 3807/25.GI.A, juris Rn. 12 f.; VG Aachen, Beschl. v. 29.7.2025, 10 L 647/25.A, juris Rn. 36 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 27.8.2025, 18a L 1375/25.A, juris Rn. 30). Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seine Beurteilung eingestellt hat, dass nichtvulnerablen männlichen Schutzberechtigten ein höheres Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative abzuverlangen ist als vulnerablen Personen, dürfte schon kein Zusammenhang mit der Verfügbarkeit der Unterkünfte bestehen. Weder lässt sich den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen, noch erscheint es naheliegend, dass die Inanspruchnahme (nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts) verfügbarer Schlafplätze in Obdachlosen- und Notunterkünften sowie Übergangswohnheimen ein besonders hohes Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative verlangt. Soweit das Bundesverwaltungsgericht sodann meint, dass bei nichtvulnerablen männlichen Schutzberechtigten keine besonderen Bedürfnisse bei der Unterbringung zu berücksichtigen sind, dürfte dies in Abgrenzung zu der Gruppe der vulnerablen Personen erfolgt sein, zu denen Frauen und Kinder aber in Bezug auf die Anforderungen an ihre Unterbringung möglicherweise nicht zu zählen sein dürften, wenn sie zumutbar Unterkunft in Obdachlosen- und Notunterkünften sowie Übergangswohnheimen finden können.
132. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen hält die Kammer es für zweckmäßig, das Auswärtige Amt im vorliegenden Verfahren, das ein junges afghanisches Ehepaar ohne Kinder betrifft (das Verfahren des Ehemanns der Klägerin wird hier unter dem Aktenzeichen 12 A 7008/25 geführt), im Rahmen der Amtshilfe um eine amtliche Auskunft zu Obdachlosenunterkünften in Griechenland sowie zu dem Programm "Wohnen und Arbeiten für Obdachlose" zu bitten. [...]