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VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Beschluss vom 06.10.2025 - 1 L 4431/25.GI.A - asyl.net: M33659
https://www.asyl.net/rsdb/m33659
Leitsatz:

Keine Rückkehr alleinerziehender Mutter nach Spanien: 

1. Neue Elemente oder Erkenntnisse zur Durchführung eines Asylfolgeverfahrens (§ 71 AsylG) liegen bei einer Trennung von Eheleuten vor, wenn die Trennung Auswirkungen auf die mögliche Existenzsicherung in Spanien hat. 

2. Eine alleinstehende Mutter mit zwei Kindern wird aufgrund des Aufwands für Erziehung und Pflege ihrer Kinder nicht das Existenzminimum für ihre Familie in Spanien sichern können. 

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Spanien, internationaler Schutz in EU-Staat, alleinstehende Frauen, Kinder, Existenzminimum, Asylfolgeantrag,
Normen: AsylG § 71, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4
Auszüge:

[...]

Die somit für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens erforderlichen Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind überdies erfüllt. Die Antragsteller haben neue Elemente respektive Erkenntnisse vorgebracht, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für sie günstigeren Entscheidung beitragen und waren ohne eigenes Verschulden außerstande, diese Gründe im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. [...]

Im vorliegenden Einzelfall steht nun - wohl nicht schon wegen des Vorbringens zu den Verhältnissen nach Rückkehr in Spanien im Rahmen der Folgeantragsbegründung -  aber eine Verelendung der Antragsteller deswegen (und auch ohne näheren Beleg der vorgetragenen psychischen Erkrankungen) mit im vorliegender Eilverfahren genügender Gewissheit zu befürchten, weil gegenwärtig wohl nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, dass der Ehemann bzw. Vater der Antragsteller, der auch die spanische Sprache spricht, gemeinsam mit diesen nach Spanien zurückkehren würde [...] oder jedenfalls dort für sie sorgen würde. Nach dem - von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen - Vorbringen in der Antragsschrift hat sich die Antragstellerin zu 1) am 1. August 2025 von ihrem Ehemann getrennt und die Antragsteller leben ausweislich des Schriftsatzes der Bevollmächtigten vom 30. September 2025 (weiterhin) nicht mehr mit jenem in häuslicher Gemeinschaft. Unabhängig davon, ob der Zeitpunkt, nämlich zwischen Zustellung des gegenständlichen Bescheids und Antragstellung im vorliegenden Eilverfahren, Zweifel an der vorgetragenen Trennung zu begründen vermag, griffen solche - jedenfalls für die Entscheidung im Eilverfahren - nicht durch. Die Angabe einer auch räumlichen Trennung findet [...] Bestätigung in den vom Einzelrichter am heutigen Tag eingeholten Auskünften aus dem Ausländerzentralregister. Der Ehemann und Vater ist danach am 26. September 2025 (ohne die Antragsteller in zu 1) in eine neue Wohnung im vormaligen gemeinsamen Wohnort der Familie (...) gezogen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Antragsteller (weiterhin) wie im Rahmen der Antragsschrift angegeben in der vor der Abschiebung nach Spanien gemeinsam bewohnten Wohnung in ... wohnhaft sind oder aber in die zuletzt gemeinsam bewohnte Wohnung in ... zurückgekehrt sind, unter deren Adresse die Antragstellerin zu 1) weiterhin gemeldet ist.

Zwar ist auch der Antragstellerin zu 1) grundsätzlich zuzumuten, durch eigene Erwerbstätigkeit zur Existenzsicherung beizutragen, was sie eigenen Angaben nach zuvor auch schon in Spanien getan hat. Bereits aufgrund des Aufwands für Erziehung und Pflege der beiden (gerade) zehn bzw. fünf Jahre alten Antragsteller zu 2) und 3) dürfte dies vorliegend jedoch kaum ins Gewicht fallen [...]. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel, ob die Antragstellerin zu 1) im Falle einer Rückkehr nach Spanien auf genügende weitere Unterstützung durch andere zurückgreifen könnte. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Antragstellern nach – hier gegebenem - Ablauf der in Spanien vorgesehenen 18- (bzw. 24-)monatigen Aufnahme- und Integrationsverfahren mittelfristig durch den Staat genügende finanzielle Unterstützungsleistungen zuteilwerden würde [...]. Infolgedessen droht den Antragstellern auch, keine (den Mindeststandards entsprechende) Unterkunft finden zu können [...]. Trotz der unterstützenden Aktivität zahlreicher Nichtregierungsorganisationen in Spanien ist nach alledem nicht ersichtlich, dass den Antragstellern die Gewährleistung das familiären Existenzminimums gelingen können sollte. [...]